Reisen ins Ausland Ende der Corona-Grenzkontrollen
Seit Mitternacht sind die Grenzen zwischen Deutschland und den Nachbarstaaten wieder ohne Kontrollen passierbar. Was Pendler und Reisebranche freut, sehen Politiker auch mit Sorge - vor einer zweiten Corona-Welle.
Reisende aus und nach Deutschland können von heute an wieder zu ihren Zielen aufbrechen: Um Mitternacht stellte die Bundespolizei die Kontrollen an den Grenzen ein, die Bundesinnenminister Horst Seehofer während der Coronakrise am 16. März verhängt hatte.
Während der dreimonatigen Einschränkung der Reisefreiheit hatten die Beamten fast 196.000 Mal Reisende abgewiesen, sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". Bestehen bleiben allerdings die Kontrollen an der Grenze zu Österreich, die Migration von Asylbewerbern aus Drittstaaten verhindern sollen.
Reisewarnungen für Schweden, Finnland und Norwegen
Zugleich sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts für die meisten europäischen Staaten ausgelaufen - bestehen bleibt sie allerdings vorerst für Staaten, in denen es besonders viele Infektionsfälle gibt oder einseitige Einreisesperren weiterhin gelten - betroffen sind Schweden, Finnland, Spanien und das Nicht-EU-Mitglied Norwegen.
Mit wenigen Ausnahmen haben auch die meisten anderen EU-Staaten ihre Grenzen wieder geöffnet oder dies angekündigt. Finnland will seine Grenzkontrollen bis zum 14. Juli ausweiten und hat sie nur für einige umliegende Staaten aufgehoben. Spanien, das beliebteste Urlaubsziel für deutsche Reisende, will am 21. Juni wieder Gäste aus der EU empfangen. In der Woche darauf soll auch die Quarantänepflicht fallen.
An der deutsch-dänischen Grenze setzte am Morgen prompt rege Betriebsamkeit ein: Schon früh kamen Autofahrer an der A7 nur schleppend voran, auch am Grenzübergang Kupfermühle bildete sich ein Hunderte Meter langer Stau, wie die Polizei Südjütland twitterte - denn dort wird weiterhin kontrolliert.
Deutschland und Frankreich begrüßen Ende der Kontrollen
Besonders groß war die Freude über die wiedererlangte Reisefreiheit zwischen Deutschland und Frankreich. Unions-Vizefraktionschef Andreas Jung und der französische Abgeordnete Christophe Arend, die gemeinsam der deutsch-französischen Parlamentariergruppe von Bundestag und Assemblée nationale vorstehen, betonten in einer gemeinsamen Erklärung, eine erneute Schließung der Grenze dürfe es nicht geben: "Die letzten Wochen haben gezeigt: Man kann nicht einfach wieder einen künstlichen Schnitt zwischen unsere Länder ziehen, ohne das Zusammenleben und den Binnenmarkt hart zu treffen."
Europa müsse "für den Fall des Falles" besser vorbereitet sein, denn das Bekenntnis zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sei "nicht etwas nur für Schönwetterphasen, es muss gerade auch in stürmischer Zeit bestehen". An den Grenzübergängen zwischen Polen und Deutschland wurde die Öffnung von Anwohnern ebenfalls freudig begrüßt.
Ein Flugzeug der Lufthansa steht bei Sonnenaufgang am Flughafen Berlin-Tegel.
Reiseveranstalter hoffen auf gute Geschäfte
Auch Reiseveranstalter blicken nach den sauren Monaten der Corona-Krise wieder optimistischer in die Zukunft. Der erste Ferienflug des Branchenriesen TUI, der nicht auf die Balearen steuert, startet am Mittwoch ins portugiesische Faro. Das Unternehmen beobachtet nach eigenen Angaben einen Nachholeffekt: "Die ersten Pauschalreisen ab Montag nach Mallorca waren innerhalb von 36 Stunden ausverkauft. Neben den spanischen Inseln sind Griechenland, Kroatien und Portugal gefragt. Zypern liegt erstmals ebenfalls ganz vorn", hieß es.
Auch die Reiseveranstalter FTI, DER Touristik und Alltours berichteten, dass bereits wieder verstärkt Reisen gebucht würden - sie hoffen, zumindest einen Teil der gewohnten Auslastung noch zu erreichen.
Kanzleramt warnt vor Risiko durch Urlaubsrückkehrer
Indes mahnt die Bundesregierung weiterhin zur Vorsicht. Kanzleramtsminister Helge Braun betonte die erhöhte Infektionsgefahr durch die erwartete Reisewelle: "Wenn Urlaubsrückkehrer aus einem Hotspot sich in ganz Deutschland verteilen würden und wir die Infektionsketten nicht erkennen könnten, dann kommen wir sehr schnell wieder in eine Situation, in der wir bundesweite Maßnahmen ergreifen müssten", sagte der CDU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Es sei jedoch die "Top-Priorität" der Regierung, dass so etwas nicht wieder passiere.
Bundesaußenminister Heiko Maas erteilte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF überzogenen Erwartungen an die diesjährige Urlaubssaison eine Absage: "Das ist noch lange nicht vorbei", sagte er in Bezug auf die Corona-Krise und die bestehenden Vorsichtsmaßnahmen. Jeder, der glaube, einen Sommerurlaub verbringen zu können, "wie man ihn aus der Vergangenheit kennt", werde sich wundern.
Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte auf NDR Info, Urlaubsreisen seien noch immer eine riskante Idee: "In vielen Ländern ist das Virus noch da." Die vor einigen Monaten verhängten Beschränkungen hätten zwar gewirkt. Die Lage habe sich vielerorts verändert. Allerdings sollten sich Menschen mit erhöhten Gesundheitsrisiken genau überlegen, "ob und wohin sie ins Ausland wollen."
Die Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität München schätzt das Risiko allerdings als überschaubar ein: "Andererseits muss man sagen, wir haben es schon überall in Europa", sagte sie mit Blick auf das Coronavirus im Interview mit dem BR. "Es könnte ja höchstens ein Wiederaufflammen in einem Bereich sein. Ich glaube, selbst dann würde man das schnell wieder in den Griff kriegen."
Das Auswärtige Amt warnt derzeit weiterhin vor Auslandsreisen in mehr als 160 Staaten außerhalb der EU - zunächst befristet bis Ende August.