Bundesverfassungsgericht zu Sampling Kopieren erlaubt - manchmal
Darf der das? Produzent Pelham hatte zwei musikalische Sekunden der Elektropop-Pioniere von Kraftwerk gesampelt. Diese Kopie ist erlaubt, sagt nun das Bundesverfassungsgericht. Neues darf auf Altem aufbauen, so die Entscheidung.
Ja, Sampling, das Kopieren von kurzen Musiksequenzen ist unter Umständen erlaubt - hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Frankfurter Musikproduzent Moses Pelham ist nach der Verkündung richtiggehend erleichtert: "Ich bin mit dem Urteil sehr glücklich, ich glaube, dass es für die Fortentwicklung der Kunst ein sehr wichtiges Urteil ist."
Tatsächlich hat es für alle Künstler große Bedeutung. Nicht nur für Musiker, sondern auch zum Beispiel für bildende Künstler. Die zentrale Frage: Darf ich Teile von anderen Kunstwerken in meines einbauen? Muss ich den ursprünglichen Künstler oder Hersteller der CD um Erlaubnis bitten? Und: Muss ich dafür zahlen?
Künstlerische Freiheit
Die Verfassungsrichter haben diese Fragen jetzt entschieden, und zwar im Sinne derjenigen, die etwas Neues auf Altem aufbauen wollen. Die Künstler können fertige Bestandteile in ihrem Werk verwenden, wenn das den ursprünglichen Produzenten des Songs nicht zu sehr belastet. Sie müssen jedenfalls nicht versuchen, die Sache selbst nochmal nachzuspielen. Und sie müssen auch nicht jedes Mal um Erlaubnis bitten, sagt der Berichterstatter, Verfassungsrichter Andreas Paulus: "In beiden Fällen würden die künstlerische Betätigungsfreiheit und damit auch die kulturelle Fortentwicklung eingeschränkt."
Der Streit um das sogenannte Sampling geht schon lang. Pelham hatte 1997 ungefragt Teile aus einem Stück der Kultband Kraftwerk verwendet. Zwar nur zwei Sekunden, aber eben zwei sehr markante Sekunden aus dem Titel "Metall auf Metall".
Diebstahl?
Pelham baute sie in einen Song für Sabrina Setlur als sich wiederholende Rhythmus-Sequenz. Das gefiel Ralf Hütter von der Gruppe Kraftwerk gar nicht. Er fand, in solchen Fällen müsse man beim Künstler anfragen. Andernfalls sei das Diebstahl.
Die Verfassungsrichter sahen das aber nicht so streng. Der Vizepräsident des Gerichts, Ferdinand Kirchhof: "Die fremde Tonsequenz war nur sekundenkurz. Sie führte offensichtlich zur Gestaltung eines gänzlich neuen und eigenständigen Kunstwerks. Die ökonomische Verwertbarkeit des ursprünglichen Tonträgers wurde dadurch nicht gemindert."
Samplingverbot würde Musikrichtungen ausschließen
Das heißt, unter Umständen ist solch ein Sampling erlaubt. Die Richter entwickelten dabei besonderes Verständnis für den Hiphop. Der wäre ohne Sampling ja kaum denkbar, sagt Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof. "Vor allem würde eine Untersagung des Samplings die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen."
Dabei sagen die Verfassungsrichter: Der Gesetzgeber kann durchaus bestimmen, dass der ursprüngliche Produzent des Songs etwas abbekommen muss, zum Beispiel wenn sich herausstellt, dass das neue Stück ein echter Erfolg wird.
Der konkrete Streit zwischen Pelham und Kraftwerk ist übrigens damit noch nicht zu Ende. Die Sache geht zurück zum Bundesgerichtshof, wo nochmal ganz genau hingesehen wird: Wie sehr ist Kraftwerk belastet - hatte die Band irgendwelche wirtschaftlichen Nachteile? Nach der klaren Maßgabe der obersten Verfassungshüter werden die regulären Richter vermutlich auch im Sinne von Pelham entscheiden.
Az. 1 BvR 1585/13