Kriegsschäden in Polen Scholz weist Reparationsforderungen zurück
Auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert Polen die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden - und fordert Entschädigung. Kanzler Scholz lehnt das ab: Die Frage sei völkerrechtlich abschließend geregelt.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die polnische Forderung nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg von Deutschland angerichteten Schäden zurückgewiesen. "Wie alle Bundesregierungen zuvor kann ich darauf hinweisen, dass diese Frage völkerrechtlich abschließend geregelt ist", sagte der SPD-Politiker in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
In der vergangenen Woche hatte eine Parlamentskommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die von Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden. Der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, erneuerte gleichzeitig die Forderung nach Entschädigungszahlungen. Deutschland müsse die Reparationen nicht auf einmal zahlen, sondern über Jahrzehnte, sagte er. Die Summe stelle für die deutsche Wirtschaft keine übermäßige Belastung dar. Dutzende Länder weltweit hätten Entschädigungen von Deutschland erhalten. "Es gibt keinen Grund, warum Polen von dieser Regel ausgenommen werden sollte", so Kaczynski.
Zuletzt sagte auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Warschau werde in naher Zukunft eine entsprechende "diplomatische Note" an die Bundesregierung richten. Dieser Schritt werde durch eine "sehr gründliche Analyse gestützt".
Bundesregierung verweist auf Zwei-plus-Vier-Vertrag
Die von der Parlamentskommission in Warschau berechnete Summe von mehr als 1,3 Billionen Euro ergibt sich dem Gutachten zufolge unter anderem aus dem Tod von mehr als 5,2 Millionen polnischen Bürgern. Auch die jahrelange Zwangsarbeit von mehr als zwei Millionen nach Deutschland deportierten Polen wurde berücksichtigt. Genannt werden Unternehmen wie BMW, Opel, Porsche und Hugo Boss. Allein den Schaden an Gebäuden, Sakralbauten, Industrie und Landwirtschaft schätzen die Autoren des Berichts auf 169 Milliarden Euro.
Die Bundesregierung beruft sich bei ihrer Ablehnung der Reparationsforderungen auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit. Zudem erklärte sie, die Volksrepublik Polen habe 1953 auf weitere Reparationen verzichtet und dies mehrmals bestätigt.
Tusk wirft PiS innenpolitische Kampagne vor
Gegenwind gab es aber auch innerhalb Polens. Die liberale Opposition warf der PiS eine innenpolitische Kampagne vor - die Regierungspartei wolle sich mit der Reparationsforderung ein Jahr vor der Parlamentswahl innenpolitisch profilieren. "Die PiS-Initiative zu den Kriegsreparationen taucht seit mehreren Jahren immer dann auf, wenn die PiS eine politische Erzählung aufbauen muss", sagte der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk, der heute Vorsitzender der Bürgerplattform PO ist. Kaczynski wolle die Unterstützung für die Regierungspartei "auf dieser antideutschen Kampagne" aufbauen, so Tusk.
Auch Griechenland hatte 2019 mit einer sogenannten Verbalnote Berlin zu Verhandlungen über Reparationen aufgerufen. Die Bundesregierung lehnte dies damals offiziell ab.