SPD-Parteitag Trotzig optimistisch
Die SPD hat es nicht leicht: Die Zustimmung im Tief, die Ampel zerstritten, die Herausforderungen riesig. Die Parteichefs Esken und Klingbeil bemühten sich trotzdem tapfer um Aufbruchstimmung - und wurden dann auch wiedergewählt.
Ziemlich sicher waren die knapp 600 Delegierten geschockt von den jüngsten Umfragewerten: 14 Prozent für die SPD. Aber sie wollten nicht, dass Tristesse den Auftakt des Parteitags bestimmt. Daher erklärte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gleich zu Beginn. "2019 wurde die SPD eigentlich abmoderiert. Wir sind kurz danach als stärkste Fraktion in den Deutschen Bundestag eingezogen."
"Totgesagte leben länger" ist allerdings nicht das Motto des Parteitags, sondern es lautet "Deutschland.Besser.Gerecht". Darauf hoben auch die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil in ihren Reden ab. Vor allem Esken arbeitete sich dann geradezu daran ab, dass Friedrich Merz und seine CDU Deutschland eben nicht besser und gerechter machten, sondern spalteten.
Kritik an Merz, klare Kante gegen AfD
"Es tut mir weh, das zu sagen, aber mit einer seriösen Volkspartei hat das nichts mehr zu tun. Kein Verantwortungsbewusstsein. Keine Liebe zum Land. Da ist nur noch politischer Vandalismus", so Esken.
Und auch ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil knöpfte sich in seiner Rede die Opposition vor. Schwerpunkt hier die AfD: "Liebe Genossinnen und Genossen, die AfD führt dieses Land ins Verderben. Nichts wird durch diese Partei besser. Lasst uns das klar benennen. Die AfD steht für weniger Rechte für Arbeitnehmer, schlechtere Löhne, weniger Mitbestimmung. Die AfD ist eine arbeiterfeindliche Partei. Und sie hasst nichts so sehr wie den Rechtsstaat und unsere Demokratie."
Die SPD hat auf ihrem Parteitag ihre Führung gewählt. Neben den beiden Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil votierten die Delegierten erneut für Kevin Kühnert als Generalsekretär der Partei. Der 34-Jährige erhielt 92,55 Prozent der Stimmen und damit das drittbeste Ergebnis bei der Wahl eines SPD-Generalsekretärs, seitdem das Amt 1999 eingeführt wurde. Besser schnitten nur Franz Müntefering 1999 und Katarina Barley 2015 ab.
In der Stellvertreterriege gibt es ein neues Gesicht: Der Finanzpolitiker Achim Post aus Nordrhein-Westfalen ersetzt Thomas Kutschaty, der als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr krachend gescheitert war. Post erhielt 78,2 Prozent der Stimmen.
Das beste Ergebnis bei der Stellvertreterwahl erzielte Arbeitsminister Hubertus Heil mit 96,6 Prozent der Stimmen. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger wurde mit 95,5 Prozent der Stimmen bestätigt, die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Serpil Midyatli mit 79,3 Prozent und Bauministerin Klara Geywitz mit 74,6 Prozent.
Besinnung auf den sozialdemokratischen Kern
Um die SPD ging es aber dann doch auch noch in den Reden. Vor allem Klingbeil versetzte den Saal nachgerade in Ekstase, als er tief in die Seelen der Genossinnen und Genossen eintauchte. "Wir kämpfen an der Seite der Unternehmen, der Beschäftigten für eine starke Industrie in Deutschland. Wir wollen, dass hier die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen. Wir kämpfen um jeden Industriearbeitsplatz. Liebe Genossinnen und Genossen, das ist unsere Aufgabe und unsere Haltung in diesem Land", ruft Klingbeil seiner Partei zu.
Beide, Klingbeil und Esken, kamen natürlich am Haushaltsloch der Ampelregierung nicht vorbei. Die SPD-Spitze will die Schuldenbremse reformieren und warb noch einmal heftig dafür, was vor allem Juso-Chef Philipp Türmer mächtig aufregte: "Die Schuldenbremse ist eine Zuversichtsbremse. Sie ist eine Fessel für sozialdemokratische Politik. Lasst uns diese Fessel endlich abschütteln."
Reform der Schuldenbremse
Es gab durchaus Redebedarf: 43 Wortmeldungen, etliche für die Reform der Schuldenbremse, wenige so radikal wie der Juso-Chef. Am Ende ging der veränderte Antrag der Parteiführung zur Reform der Schuldenbremse durch. Gefordert wird jetzt, starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern abzulehnen.
Die Stimmung in der Halle trotzig optimistisch: "Lasst uns unsere SPD stark machen. Lasst uns zeigen, dass sie führende Regierungspartei sein kann", sagte Parteichefin Esken. Dass sie ausgerechnet an dieser Stelle ins Krächzen kam, wollte man im Saal nicht als Omen für die Politik des Bundeskanzlers werten. Am Samstag ist Olaf Scholz mit seiner Rede an der Reihe. Er wird einiges investieren müssen, um die Genossen von den Sitzen zu reißen. Wie es gehen kann? Sein Parteichef Lars Klingbeil hat es ihm heute vorgemacht.