Steinmeier zur Deutschen Einheit "Keine Pandemie hindert uns, stolz zu sein"
Bei den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit hat Bundespräsident Steinmeier die Deutschen zu mehr Zuversicht aufgerufen. Zugleich warnte er vor einer gesellschaftlichen Spaltung und wachsendem Misstrauen in der Politik.
Am 30. Jahrestag der Einheit hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Zusammenhalt der Deutschen gewürdigt. "Unser Land zeigt in diesen Corona-Zeiten, dass wir zusammenstehen, dass wir stark sind und verantwortungsvoll handeln", sagte Steinmeier beim zentralen Festakt zum Einheitsjubiläum in Potsdam. "Ja, wir leben heute in dem besten Deutschland, das es jemals gegeben hat", sagte der Bundespräsident und dankte allen, die daran mitwirkten.
Der Tag der Einheit sei ein Moment der Freude, Erinnerung und Ermutigung. Deutschland habe einen Weg zu einem wiedervereinten, freiheitlichen und demokratischen Land in der Mitte Europas zurückgelegt. "Keine Pandemie kann uns daran hindern, darauf stolz zu sein", so Steinmeier.
Der Umbruch habe die Ostdeutschen ungleich härter als Westdeutsche getroffen. Es sei unterschätzt worden, wie langlebig Benachteiligungen sein könnten. "Wenn Menschen sich dauerhaft zurückgesetzt fühlen, wenn ihre Sichtweise nicht vorkommt in der politischen Debatte, wenn sie den Glauben an die eigene Gestaltungsmacht verlieren, dann darf uns das eben nicht kalt lassen", mahnte Steinmeier. "Dann bröckelt der Zusammenhalt, dann steigt das Misstrauen in Politik, dann wächst Nährboden für Populismus und extremistische Parteien."
Merkel: Einheit ist "im Großen und Ganzen gelungen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte in Potsdam an den Mut der Menschen. "Wir wissen, wir müssen heute wieder mutig sein", so die Kanzlerin. "Mutig, neue Wege zu gehen angesichts einer Pandemie, mutig, die noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West auch wirklich zu überwinden, aber auch mutig, den Zusammenhalt unserer ganzen Gesellschaft immer wieder einzufordern und dafür zu arbeiten."
Es seien mutige Menschen in der DDR gewesen, die die friedliche Revolution 1989 in Gang gesetzt hätten, sagte die Bundeskanzlerin. Mut hätten aber auch Westdeutsche gehabt, sich auf den Weg der Einheit einzulassen. Deutschlands Partner seien mutig gewesen, Deutschland zu vertrauen. Es sei eine Freude, das Jubiläum in Frieden und Freiheit zu begehen. Die Einheit sei im "im Großen und Ganzen" gelungen.
Steinmeier und Merkel hatten zuvor zum Auftakt der Feierlichkeiten in der brandenburgischen Landeshauptstadt an einem ökumenischen Gottesdienst teilgenommen. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, waren gekommen. Wegen der Pandemie war die Zahl der Besucher eingeschränkt worden.
Woidke: "Vom Osten kann man viel lernen"
Bei dem Gottesdienst riefen der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein sowie der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch die Menschen zu gegenseitigen Unterstützung und Achtung auf. Das wiedervereinigte Deutschland sei bei allen aktuellen Herausforderungen in guter Verfassung, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Harbarth. Keine Generation zuvor habe so lange im Frieden gelebt.
Unter dem Motto "Wir miteinander" war Brandenburg Gastgeber, weil das Land derzeit den Vorsitz des Bundesrats inne hat. Ministerpräsident Dietmar Woidke rief beim Festakt dazu auf, Ostdeutschland auch als Vorbild zu sehen. "Vom Osten kann man viel lernen", so der SPD-Politiker. "Eine selbstbewusste Frauenpolitik, Betriebskindergärten oder Polikliniken als Gesundheitszentren sind nur einige wenige Beispiele." Für eine neue gesamtdeutsche Generation sei das normaler Lebensstandard. "Wir älteren Ostdeutschen sind mittlerweile souverän genug, einfach stolz darauf zu sein."
Zufriedenheit der Deutschen laut Studie gestiegen
Vielerorts in Deutschland wurde am Samstag an die Wiedervereinigung erinnert. Für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder ist sie ein historisches Geschenk. "Die Deutsche Einheit ist in erster Linie den Menschen der ehemaligen DDR zu verdanken", sagte der CSU-Chef bei einem Treffen an der früheren innerdeutschen Grenze bei Weischlitz. Bei einem Online-"Deutschlandfest" der Union kritisierte Söder massiv die AfD. "Das Zerreden der demokratischen Kultur" sei eine große Gefahr.
Die Polizei wollte am Einheitstag mit rund 2500 Beamten im Einsatz sein. Vor der Metropolishalle, wo der Festakt stattfand, demonstrierten rund 200 Beschäftigte des Schaeffler-Werks Luckenwalde gegen den geplanten Stellenabbau des Industriezulieferers.
Trotz Konflikten und Problemen hat sich einer neuen Umfrage zufolge die Zufriedenheit der Deutschen teils deutlich erhöht. Mit Blick auf das Einkommen sind vor allem die Ostdeutschen glücklicher als noch vor 30 Jahren, in Westdeutschland etwas weniger. Das geht aus der Auswertung repräsentativer Umfragen von 1991 und 2020 hervor, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vornahm.