Tafeln Immer mehr Bedürftige, immer weniger zu verteilen
Mehr als 960 Tafeln unterstützen deutschlandweit zwei Millionen bedürftige Menschen. Der Bedarf steigt. Gleichzeitig gibt es weniger Personal und Lebensmittel. Aufnahmestopps sind vielerorts keine Ausnahme mehr.
Lebensmittelverschwendung bekämpfen: Dafür wurden die ersten Tafeln in Deutschland gegründet. Zu Beginn konnte jeder gerettete Lebensmittel an den Ausgabestellen abholen.
Mit den Hartz-Reformen Anfang der 2000er änderte sich das. Durch die stärkere soziale Not wurde die Essensausgabe nur auf Bedürftige beschränkt. Ab da wurden mehr und mehr Tafeln gegründet. Heute haben die Tafeln eher Wohlfahrtscharakter.
Mit dem Gedanken an Umweltschutz gründete auch Uwe Bußmann vor 25 Jahren die Tafel in Saarbrücken mit. Über zehn Jahre war der 74-Jährige erster Vorsitzender. Mitte August hat er diesen Posten abgegeben.
Ressourcen werden knapp
Die Saarbrücker Tafel allein versorgt insgesamt etwa 900 Haushalte. Die meisten, die hierherkommen, sind Geflüchtete aus der Ukraine und dem Nahen Osten, Bürgergeldempfänger, Senioren in Altersarmut und Beschäftigte mit geringem Einkommen.
Über 200 weitere Haushalte stehen noch auf der Warteliste, denn seit Mai musste die Tafel erneut einen Aufnahmestopp verhängen - bis Ende des Jahres. "Der Bedarf ist größer, als wir leisten können", erzählt Bußmann. Immer weniger Helfer müssten mit immer weniger Lebensmitteln immer mehr Bedürftige versorgen. Momentan sei der einzige Weg reinzukommen, wenn ein anderer Haushalt seinen Platz frei macht - beispielsweise, wenn jemand wegzieht, stirbt oder angibt, nicht mehr bedürftig zu sein.
In den letzten 25 Jahren habe sich im sozialen Sektor wenig getan, sagt Bußmann. Die Politik sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt und versäume es zu helfen, kritisiert der ehemalige Tafelvorsitzende. "Arme Menschen schaffen es nicht mehr, sich ausreichend selbst zu versorgen und werden nicht genug ausgestattet." Dass die Tafeln überhaupt existieren, sei ein Versagen der Politik.
Auch die Mentalität der Versorgten hat sich seiner Ansicht nach verändert. Während gerade bei Senioren die Scham überwiege, wegen einer zu geringen Rente auf die Tafel angewiesen zu sein, sei das Konzept der Essensausgabe für jüngere Generationen immer selbstverständlicher - und mit einer Art Forderungshaltung verbunden. "Viele denken, das steht ihnen zu", so Bußmann.
Überfordertes Ehrenamt
Seitdem die Saarbrücker Tafel existiert, hat der 74-Jährige immer gehofft, dass sie irgendwann nicht mehr gebraucht wird. Wie bei der allerersten Tafel in Berlin auch wollte er ursprünglich Lebensmittelverschwendung bekämpfen. Heute fordert er, dass jeder Arbeitnehmer genug Lohn erhält, um sich selbstständig versorgen zu können.
Auf Bundesebene sieht die Lage der Tafeln ähnlich angespannt aus. Schon die Corona-Pandemie habe zu hohen Belastungen geführt, sagt der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Andreas Steppuhn. Die hohen Lebenshaltungshaltungskosten und die Inflation seit Beginn des Ukraine-Kriegs hätten dazu geführt, dass die Tafeln so viele Menschen versorgen wie nie zuvor.
Mehr als jede dritte Tafel in Deutschland gibt an, Aufnahmestopps eingeführt zu haben. Mehr als die Hälfte gibt weniger Lebensmittel an die einzelnen Kunden aus. Obendrauf kommt die hohe Belastung für die Ehrenamtler. Neben körperlichen Belastungen - wie immer mehr Kisten schleppen - nehme die Arbeit die Helfer inzwischen auch psychisch mit.
"Menschen in Not abzuweisen ist für niemanden leicht", erklärt der Verbandsvorsitzende. Das überfordere ein Ehrenamt, das viele auch aus Freude am Helfen ausübten.
Auch Steppuhn sieht ein Versagen in Verwaltung und Politik: "Es kann nicht sein, dass Ämter armutsbetroffene Menschen mittlerweile an die Tafeln verweisen." Maßnahmen wie die Bürgergelderhöhung auf 563 Euro und die geplante Kindergrundsicherung begrüßt der Vorsitzende des Bundesverbandes zwar. Aber das reiche noch lange nicht, um die Armut in Deutschland langfristig in den Griff zu kriegen.