In eigener Sache Im Sommer kommt "Tagesschau 3.0"
ARD-aktuell setzt den Weg bei der Modernisierung von Tagesschau und Tagesthemen konsequent fort. Nach der Einführung des neuen Studios vor einem Jahr folgt nun der nächste Schritt: Digitale Avatare sollen mehr Flexibilität ermöglichen und die realen Sprecher entlasten.
Tagesschau-Zuschauern werden ihre wohlbekannten Sprecher ab dem Sommer leicht verändert vorkommen - zumindest manchmal: "Die Nachtsendungen sowie die Tagesschau in 100 Sekunden werden künftig von Avataren - also digital simulierten Personen - verlesen", so die Digital-Chefin der Tagesschau, Christiane Krogmann. "Diese werden von unseren bekannten Sprechern synchronisiert, können aber im Notfall auch direkt aus dem Redaktionssystem mit den Texten bestückt werden, die dann von einem Sprachsynthesizer gelesen werden." Das solle aber die absolute Ausnahme bleiben.
Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, sagte Krogmann: "Die wachsende Zahl der Sendungen, insbesondere die Zunahme von Sondersendungen, erhöhen den Druck auf die Kollegen." Das habe man insbesondere in der vergangenen Grippesaison wieder schmerzlich erfahren, erklärte Krogmann.
Im Sinne der Sprecher
Die neue Technik solle daher vornehmlich Entlastung und Planungssicherheit schaffen. "Sie erleichtert es aber auch, kurzfristig Sondersendungen anzusetzen oder Vertretungen im Fall von Schwangerschaften und Urlauben zu organisieren." Sollte sich das Pilotprojekt bewähren, könnte sich Krogmann auch eine Ausweitung vorstellen, beispielsweise auf Korrespondenten, die unter unangenehmen Bedingungen arbeiten. "Dann muss niemand mehr stundenlang im Regen vor dem Weißen Haus ausharren."
Auf den Spuren der Hobbits
Damit die Zuschauer nicht auf die gewohnten Gesichter verzichten müssen, werden die Mimik, Gestik und Körpersprache der Tagesschau-Sprecher biometrisch vermessen - bei Weta Digital, der gleichen Special-Effects-Firma, die auch für Filme der "Herr der Ringe"- und "Hobbit"-Reihe zuständig war. Mittels "Performance Capture" werden dort Gestik, Körperbau und Mimik digitalisiert und auf die digitalen Avatare übertragen, die dann ab Sommer die Nachrichten verkünden. Die Kosten im mittleren sechsstelligen Bereich würden sich durch die Einsparungen schnell wieder amortisieren, so Krogmann.
Chefsprecher Jan Hofer war zunächst skeptisch, ließ sich aber von den Vorteilen des Verfahrens überzeugen: "In den Nachtschichten kann ich künftig von zu Hause aus lesen - zur Not auch im Pyjama." Aus professionellen Gründen werde er aber auch dann nicht auf eine Krawatte verzichten. "Das gehört für mich einfach dazu."
Eine Herausforderung für die Trickspezialisten
Hofer gehört zu den ersten Sprechern, die bereits zu der Special-Effects-Firma Weta Digital nach Neuseeland gereist sind. Auch für das führende Special-Effects-Unternehmen ist das Digitalisieren real existierender Nachrichtensprecher Neuland. "Wir stehen hier vor echten Herausforderungen - wie zum Beispiel die ebenso lebhafte wie komplexe Handgestik von Claus-Erich Boetzkes umzusetzen", erklärt Effektspezialist und Oscar-Preisträger Joseph Letteri. "Aber wenn wir die Mimik von Benedict Cumberbatch auf den Drachen Smaug übertragen können, dann schaffen wir auch das."
Weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie hier.