Fragen und Antworten Transitzonen vs. Einreisezentren
Die Union fordert Transitzonen an der deutschen Grenze, um abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können. Doch was ist eine Transitzone? Gibt es dort Ärzte oder ein Gericht? Wie unterscheidet sich dieser Vorschlag von dem der SPD?
Gibt es ein Vorbild für Transitzonen?
Ein ähnliches Verfahren gibt es an bestimmten deutschen Flughäfen, etwa in Frankfurt am Main und in Berlin. Dort existiert seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Flughafenverfahren eine Sonderregelung für Asylbewerber, die mit dem Flugzeug nach Deutschland kommen. Wer keine oder gefälschte Ausweispapiere bei sich hat oder aus einem "sicheren Herkunftsland" kommt, kann im Transitbereich festgehalten werden, betritt also nicht das Gebiet der Bundesrepublik. Sein Asylgesuch wird innerhalb weniger Tage bearbeitet. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, soll direkt von dort aus abgeschoben werden. Transitzonen könnten ein Pendant an der Landesgrenze sein.
Sind Transitzonen rechtlich möglich?
Nach EU-Recht sind Transitzonen rechtens, lautet die Einschätzung der EU-Kommission. Sie hält solche Einrichtungen vor allem an Flughäfen und an Außengrenzen für sinnvoll. Der Staatsrechtler und frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz sagt gegenüber tagesschau.de, das Flughafenverfahren sei rechtlich übertragbar auf die von der Union geplanten Transitzonen. Im Zweifel müsste das Bundesverfassungsgericht das bestätigen. In der SPD gibt es bereits Stimmen, die bezweifeln, dass solche Einrichtungen verfassungsrechtlich möglich sind.
Wie sollen die Transitzonen aussehen?
Das ist noch unklar. Die Regierung will dazu die weiteren Koalitionsgespräche abwarten. Details sind weder über Größe noch über Ausstattung bekannt. Transitzonen müssten eine Art "neutrale Zone" auf deutschem Staatsgebiet sein. Aber wie beim Flughafenverfahren dürfte diese Zone noch nicht als Teil des deutschen Staatsgebiet gelten. Die Flüchtlinge müssten von der Grenze direkt in das Gebiet kommen. Es würde eine "Nicht-Einreise" angenommen.
Für den Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer hinkt der Vergleich mit dem Flughafen: "Am Frankfurt am Main wurden im vergangenen Jahr 643 Personen im Flughafenverfahren geprüft. Drei Viertel von ihnen durften einreisen. Das ist mit der großen Anzahl an Flüchtlingen nicht machbar", sagt er gegenüber tagesschau.de. Dafür benötige man wesentlich mehr Personal und müsse wesentlich mehr Aufwand betreiben.
Asylbewerber haben bei ihrem Verfahren Anspruch auf Rechtsbeistand. Dementsprechend müsste es in einer Transitzone Rechtsanwälte und ein Verwaltungsgericht geben. Außerdem bräuchte man ärztliche Versorgung. "Man kann sich eine Transitzone vermutlich wie eine Kleinstadt vorstellen. Dort müssen schließlich viele Menschen untergebracht und versorgt werden", sagt Oltmer.
Ob ein abgelehnter Asylbewerber von dort aus zurück in sein Herkunftsland oder in den sicheren Drittstaat abgeschoben wird, ist unklar. Theoretisch sei beides möglich, sagt Oltmer. Denn die Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze kämen alle aus Österreich, also aus einem sicheren Drittstaat.
Wer soll in Transitzonen geprüft werden?
CSU-Landesgruppen-Chefin Gerda Hasselfeldt betont, dass die Transitzonen nicht für alle Flüchtlinge gedacht seien, sondern nur für jene, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, und für solche, die sich weigerten, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken. Das würde bedeuten, die Flüchtlinge würden unmittelbar an der Grenze registriert. Flüchtlinge aus Syrien, Irak oder Afghanistan könnten direkt in Erstaufnahmeeinrichtungen weiterreisen. Die anderen Flüchtlinge kämen in die Transitzone und würden dort geprüft. Doch definitiv entschieden ist das nicht. Auch hier muss das Koalitionstreffen am Donnerstag abgewartet werden.
Staatsrechtler Scholz sagt im Gespräch mit tagesschau.de, es sei sinnvoll, alle Asylbewerber in der Transitzone zu überprüfen, egal, ob Syrer oder Balkan-Flüchtling. Die einen dürften dann einreisen, die anderen müssten zurückgeführt werden.
Migrationsforscher Oltmer vermutet hinter der Debatte um Transitzonen vor allem eine Inszenierung. Denn: "Wir beobachten, dass die Zahl der Menschen aus dem Balkan massiv nach unten gegangen ist. Diejenigen, die die Union für Transitzonen im Auge hat, kommen kaum noch." Für ihn ist das Projekt Transitzone damit überholt. Ähnlich äußert sich SPD-Chef Sigmar Gabriel auf Twitter. Er hält die Debatte für eine Scheindebatte, weil sie nur gut zwei Prozent der Geflüchteten betreffe.
Sind Transitzonen wie Haftlager?
Die SPD wirft der Union vor, Transitzonen seien wie Haftlager. Die SPD-Politikerin und Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, kritisiert: "Transitzonen, wie sie im Papier der Unionsparteien vorgeschlagen werden, können nur funktionieren, wenn man Tausende Menschen dort festhält, also inhaftiert", erklärt sie. "Praktisch ist das gar nicht anders denkbar als riesige Lager, in denen ganze Familien, Männer, Frauen und Kinder eingesperrt werden."
In der CDU-Führung hingegen betont man, dass die Unionspläne "keine Freiheitsberaubung" und auch "keinen Haftgrund" beinhalteten. In dem von der Union vorgelegten Papier wird darauf verwiesen, dass das Flughafenverfahren nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Hafteinrichtung sei.
Könnte die SPD Transitzonen zustimmen?
Nach derzeitigem Stand gibt es in der SPD große Bedenken. Partei-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel etwa hält die Idee für unausgegoren. Sein Kollege Ralf Stegner spricht von Scheinlösungen. In der Diskussion geht es viel um Begrifflichkeiten. Nach der SPD-Kritik an den Plänen zu Transitzonen dürften die Genossen keinem Konzept mehr zustimmen, das den Namen "Transitzone" trägt.
Die SPD schlägt Einreisezentren vor. Wie sollen die aussehen?
Als Gegenentwurf zu den Transitzonen schlägt SPD-Chef Sigmar Gabriel die Einrichtung von Einreisezentren in jedem Bundesland vor. Diese könnten vom Bund und den Ländern in Erstaufnahmeeinrichtungen und Wartezonen betrieben werden. Flüchtlinge würden damit weiter auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik kommen. Ihre Asylanträge würden ausschließlich in den Zentren registriert werden. Anschließend müssten die Flüchtlinge auf ihre Weiterverteilung warten. Über offenbar aussichtslose Anträge könne direkt in den Einrichtungen entschieden werden. Wer sich dem Verfahren verweigere, müsse mit Leistungskürzungen rechnen und Nachteile im Asylverfahren in Kauf nehmen. Damit verfolge die SPD die gleiche Idee wie Union mit den Transitzonen, sagt Gabriel.
"Mit Einreisezentren schaffen wir mehr Ordnung, wo heute Unklarheit besteht", sagt Justizminister Heiko Maas von der SPD. Damit werde ein klares Signal gesendet: "Alle Flüchtlinge müssen sich in den Einreisezentren registrieren lassen. Wer sich nicht an diese Regel hält, dem drohen Nachteile im Verfahren und Leistungskürzungen." Mit diesem Konzept könnten die Verfahren beschleunigt werden.
Inwiefern unterscheiden die Einreisezentren sich von Transitzonen?
Das schätzen Experten unterschiedlich ein. Für Migrationsforscher Oltmer etwa liegt das Konzept der Einreisezentren gar nicht so weit weg von dem jetzigen Registrierungsverfahren. "Das Problem sei hier, "dass die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration überlastet sind und mit der Bearbeitung der Asylanträge nicht nachkommen", betont er gegenüber tagesschau.de.
Nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, liegen auch die Vorschläge von Union und SPD gar nicht so weit auseinander. Ob sich die Regierung am Ende auf Transitzonen oder auf Einreisezentren verständige, sei unwichtig, sagt er. Es gehe schließlich darum, dass die Flüchtlinge sich zunächst im vom Bund organisierten und finanzierten Zentren aufhalten und dort ordnungsgemäß registriert und versorgt würden, gegebenenfalls könne dort auch schon über ihren Verbleib entschieden werden. Ob man das nun Transitzone oder Einreisezentrum nenne, sei ziemlich gleichgültig.