Einwanderungsgesetz "Spurwechsel" für Geduldete?
Eigentlich lehnt Minister Seehofer einen "Spurwechsel" für gut integrierte Flüchtlinge ab. Nun deutet er Kompromissbreitschaft an. Die GroKo berät am Abend über ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte.
Vor den Beratungen der Koalitionsspitzen über das geplante Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte sperrt sich die Union weiterhin dagegen, gut integrierten Flüchtlingen bei einem abgelehnten Asylantrag einen ""Spurwechsel"" zu ermöglichen. Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte, in den von ihm und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erarbeiteten Eckpunkten sei der "Spurwechsel" nicht vorgesehen. Verhandlungsspielraum gebe es aber bei geduldeten Asylbewerbern.
Über diese Gruppe werde am Abend entschieden, kündigte Seehofer an. "Aber das ist kein "Spurwechsel"", sagte er.
SPD für "Spurwechsel" von gut integrierten Flüchtlingen
Die Spitzen der Großen Koalition wollen zu einem Gespräch im Kanzleramt zusammenkommen, bei dem es vor allem um den Umgang mit der Diesel-Problematik, aber auch um das geplante Einwanderungsgesetz für ausländische Fachkräfte gehen soll.
Die SPD fordert, gut integrierten Flüchtlingen mit einem Arbeitsplatz auch bei einem negativen Asylbescheid die Möglichkeit zu geben, in Deutschland zu bleiben. Den Betroffenen würde somit ein "Spurwechsel" vom Asyl- ins Einwanderungsrecht ermöglicht. Die Union lehnt dies ab, da sie Fehlanreize befürchtet.
Verbleib unter bestimmten Bedingungen
Ein Kompromiss könnte nun so aussehen, dass abgelehnte, aber in Deutschland geduldete Asylbewerber unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit zum Verbleib bekommen. Sie können oft sowieso nicht in ihre Heimatländer zurückkehren.
Einig sei man sich, "dass wir nicht die Falschen abschieben dürfen", sagte Heil der Nachrichtenagentur dpa. Seehofer sagte: "Wenn nicht ausgewiesen werden kann aufgrund zwingender Gründe, und zwar von Gründen, die nicht in der Person des Asylbewerbers liegen, dann sagen doch die Menschen, bevor sie hier rumsitzen, lasst sie arbeiten." Das sei seit langer, langer Zeit auch seine Position. Aber das sei kein Spurwechsel. "Wer abgelehnt ist und ausreisepflichtig ist, sollte auch ausreisen."
Geduldete Asylbewerber dürfen unter bestimmten Bedingungen allerdings auch heute schon arbeiten.
Lischka für "pragmatische Lösung"
Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sprach sich in der "Bild"-Zeitung für eine "nüchterne und pragmatische Lösung" für geduldete Asylbewerber aus, "die bereits ein festes Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis haben, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und sich nichts zuschulden kommen lassen". Die Unternehmer in seinem Wahlkreis würden ihm "einen Vogel zeigen, wenn wir diese Arbeitskräfte wieder nach Hause schicken".
Neu angestoßen hatte die Debatte um einen ""Spurwechsel"" Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Anfang August regte er an, bestimmten, gut integrierten und auf dem Arbeitsmarkt benötigten Asylbewerbern den Wechsel in ein reguläres Zuwanderungsverfahren zu ermöglichen.
Handwerkspräsident Wollseifer fordert rasch Regelungen von der Regierung.
Wirtschaft drängt auf Einwanderungsgesetz
Angesichts von Fachkräftemangel in vielen Branchen drängt die deutsche Wirtschaft die Große Koalition auf ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte. Ein "Spurwechsel" wird kritisch gesehen. "Wir Arbeitgeber erwarten keine Randdiskussionen über sogenannte 'Spurwechsel' oder Stichtagswirren", mahnte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen Kampeter. "Die Aufnahme von Menschen in Not aus humanitären Gründen darf nicht mit der benötigten Fachkräftezuwanderung nach Bedarf vermischt werden."
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hält die Regelungen, die es derzeit dazu im Ausländerrecht gibt, für unzureichend. Er rief die Bundesregierung in dem Zeitungsinterview auf, zügig Eckpunkte für ein Fachkräftezuwanderungsgesetz vorzulegen und in die konkrete Gesetzgebungsarbeit einzusteigen.
Konjunkturpognose deutlich gesenkt
Eine solche Lösung unterstützte auch der Migrationsexperte des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, Herbert Brücker. "Sinnvoll wäre eine Stichtagsregelung mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus für alle, die bis, sagen wir, Ende Dezember 2017 nach Deutschland eingereist sind, seit mindestens zwei Jahren arbeiten und so ihren Lebensunterhalt komplett selbst finanzieren", sagte Brücker den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Damit würden keine Anreize für zusätzliche Migration nach Deutschland gesetzt."
Ende vergangener Woche hatten die führenden Wirtschaftsforscher ihre Konjunkturpognose in ihrem Herbstgutachten deutlich gesenkt - von 2,2 auf 1,7 Prozent. Als einen Grund dafür nannten sie, dass "Unternehmen offenbar zunehmend Probleme haben, genügend Arbeitskräfte für ihre Produktion zu finden".