Fall Attila Hildmann Ermittlungen gegen Whistleblower
Gegen einen Whistleblower aus dem Umfeld des Antisemiten Attila Hildmann wird nach Informationen von STRG_F wegen Verletzungen des Datenschutzes ermittelt.
Weil er private und geschäftliche Daten des rechtsextremen Hetzers Attila Hildmann an die Hacker-Gruppierung "Anonymous" weitergeleitet hat, wird nun gegen einen ehemaligen Weggefährten Hildmanns ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft dem IT-Entwickler Kai Enderes einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vor. Das Verfahren laufe "wegen des Verdachts der Weitergabe von persönlichen Daten an eine im Internet agierende Gruppe", bestätigte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf Anfrage des Rechercheformats STRG_F.
Enderes war von Sommer 2020 bis Mitte 2021 enger Vertrauter Hildmanns und unterstützte den als veganen Koch bekannt gewordenen Hildmann vor allem in technischen Angelegenheiten. Hildmann galt zu jener Zeit als einer der lautesten Propagandisten antisemitischer Verschwörungstheorien. Im vergangenen Jahr brach Enderes mit Hildmann und übermittelte einen über zwei Terabyte großen Datensatz an "Anonymous". STRG_F konnte neben anderen Medien die Daten auswerten. Im Interview räumte Enderes ein, "Anonymous" Hildmanns persönliche Daten zur Verfügung gestellt zu haben. Er wollte nach eigenen Angaben Hildmann stoppen und über ihn aufklären.
Beschuldigter nicht auffindbar
Nach Recherchen von STRG_F ist Enderes für die Ermittler derzeit nicht auffindbar, weswegen nach ihm gefahndet wird. Auf Anfrage teilte Enderes mit, er empfinde den Vorwurf des Verstoßes gegen Datenschutzgesetze als "lächerlich". Er halte sich in der Türkei auf und nicht vor den Behörden versteckt.
Eingeleitet wurde das Ermittlungsverfahren gegen Enderes aufgrund einer Strafanzeige. Nachdem Enderes die Daten an "Anonymous" übergeben hatte, teilte Hildmanns Verteidiger im Oktober 2021 STRG_F mit, dass "die Veröffentlichung privater, geschäftlicher und anderer Korrespondenz, Fotos - bis hinein in die absolute Intimsphäre meines Mandanten - im Wege von Straftaten erfolgte".
Nur ein Teil der Daten an Ermittler übergeben
Die Internet-Aktivisten von "Anonymous" hatten die Daten, die sie von Enderes erhalten hatten, auch der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zur Verfügung gestellt, weil sie in der Kommunikation Straftaten von Hildmann oder seinen Anhängern vermuteten. Die dortige Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität führt seitdem Vorermittlungen.
Nach Informationen von STRG_F gab "Anonymous" allerdings offenbar nur einen Teil der Daten an die Ermittler weiter. Die Prüfung der Daten habe ergeben, "dass uns nur einer kleiner und offensichtlich veränderter Datensatz durch den Hinweisgeber zur Verfügung gestellt worden ist", sagte ein Sprecher der Behörde im April auf Anfrage. Verdachtsmomente auf Straftaten hatten sich in den Daten zunächst nicht ergeben. Die Frankfurter Ermittler schickten den Datensatz auch der Berliner Staatsanwaltschaft für ihr Verfahren gegen Hildmann.
Auch gegen Hildmann wird weiter ermittelt
Diese Ermittlungen gegen Hildmann laufen weiter. "Es wird wegen einer Vielzahl von Delikten, insbesondere Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger oder terroristischer Organisationen und Beleidigung, ermittelt", sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage. Gegenstand der Ermittlungen sei auch die Frage, ob Hildmann tatsächlich die türkische Staatsangehörigkeit hat.
Hildmann soll sich seit seiner Flucht aus Deutschland Ende 2020 in der Türkei aufhalten. Seit Februar 2021 wird Hildmann per Haftbefehl gesucht. Sollte Hildmann neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, wäre eine Auslieferung auf Antrag deutscher Behörden quasi ausgeschlossen. Nach Angaben der Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Berlin sind die Ermittler auch an die türkischen Behörden herangetreten.
Gegen eine ehemalige Mitarbeiterin der Berliner Justiz, die mutmaßlich Behördeninterna an Hildmann weitergegeben haben soll, wird ebenfalls weiter ermittelt. Der inzwischen fristlos gekündigten Angestellten der IT-Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin wird die Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchte Strafvereitelung vorgeworfen. Insbesondere liefen hier laut einer Sprecherin der Strafverfolgungsbehörde noch Datenauswertungen.