"Neuköllner Begegnungsstätte" (NBS) in Berlin
Exklusiv

Katar Millionen für deutsche Moscheevereine?

Stand: 22.09.2022 06:12 Uhr

Dokumente aus Datenleaks von katarischen Wohltätigkeitsorganisationen deuten darauf hin, dass aus Katar Millionen Euro an teils problematische Moscheevereine in Deutschland geflossen sind.

Von Sascha Adamek und Pune Djalilevand, rbb

Bislang unbekannte Dokumente zweier Wohltätigkeitsorganisationen aus Katar weisen Bezüge zu Deutschland auf. Ein Investigativ-Team der ARD-Politikmagazine Kontraste und report München sowie der Wochenzeitung "Die Zeit" konnten sie erstmals auswerten. In den Dokumenten finden sich Zahlungspläne, Bitt- und Dankschreiben zwischen den Vereinen und den Wohltätigkeitsorganisationen mit Sitz in Doha.

Die Wohltätigkeitsorganisationen, eine davon mit dem Namen Qatar Charity, werden von Mitgliedern der katarischen Herrscherfamilie kontrolliert und spenden weltweit Gelder für karitative und religiöse Zwecke. In den Dokumenten finden sich auch Hinweise auf Moscheevereine in Hamburg, Bielefeld, Bonn, Essen, Frankfurt (Main), Offenbach, Heidelberg, Ulm und München. Bei allen Vereinen bleibt allerdings unklar, ob am Ende tatsächlich Geld aus Katar geflossen ist.

Mehrere Millionen für Berliner Vereine?

Laut den Dokumenten könnte ein Verein aus Berlin möglicherweise der größte Nutznießer in Deutschland gewesen sein: das "Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung", abgekürzt IZDB. Das IZDB könnte demnach mit umgerechnet rund sechs Millionen Euro bedacht worden sein.

Unter den Dokumenten findet sich ein Brief von Qatar Charity, adressiert an das IZDB. Er enthält als Anhang einen Überweisungsplan für das Jahr 2012. Laut diesem Plan sollte das IZDB 2012 mehr als eine Million Euro erhalten, in den Jahren 2013 bis 2016 sogar fünf Millionen Euro. Ob das Geld tatsächlich floss, beweisen die Dokumente allerdings nicht. Eine Anfrage hierzu ließ das IZDB unbeantwortet. Auch Qatar Charity reagierte nicht.

Beste Verbindungen in die Berliner Landespolitik

Ein zweiter Fall betrifft einen anderen Berliner Moscheeverein: die "Neuköllner Begegnungsstätte" (NBS), auch bekannt als "Dar-as-Salam-Moschee". Imam Mohamed Taha Sabri gehört zu den bedeutendsten muslimischen Persönlichkeiten der Hauptstadt mit besten Beziehungen in die Berliner Landespolitik.

Aus den Händen des damaligen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) erhielt er 2015 den Landesverdienstorden Berlins. Ein Foto zeigt die heutige Senatorin Bettina Jarasch von den Grünen 2019 bei einer Umarmung mit Sabri.

Aber hat die Neuköllner Begegnungsstätte von Geldern aus dem Ausland profitiert?  Ein öffentlich einsehbares Video in arabischer Sprache, produziert von der Qatar Charity - selbst deutschen Sicherheitsexperten war es bislang unbekannt - zeigt Sheikh Ahmed Hammadi, einen Vertreter der Qatar Charity zu Besuch bei Imam Sabri in der Neuköllner Begegnungsstätte. abri bedankt sich darin herzlich bei den Spendern: "Diese Moschee wurde im Jahr 2007 Gott sei Dank mit der Hilfe und der Übernahme des Großteils der Kosten durch Menschen aus Katar gekauft. Möge Gott ihnen für Ihre Taten danken."  

Für ein Interview dazu stand Sabri Kontraste, Report München und der "Zeit" nicht zur Verfügung. Eine Pressesprecherin teilte telefonisch mit, man habe früheren Aussagen zur Finanzierung nichts hinzuzufügen. Auch Qatar-Charity ließ unsere Anfrage unbeantwortet.

Muslimbrüderschaft besitzt womöglich Immobilie im Wedding

Die wohl größte global aktive islamistische Organisation ist die Muslimbrüderschaft. Ihr wichtigster Gelehrter, Yusuf al-Qaradawi, residiert in Doha. Da die Muslimbruderschaft aber eine international agierende Geheimgesellschaft ist, findet sich in Deutschland kaum jemand, der sich zu ihr bekennt.

Zuweilen finden sich allerdings bei manchen Vereinen Berührungspunkte mit der Ideenwelt der Muslimbruderschaft. So gehören das Gelände und die Immobilie des IZDB in Berlin-Wedding dem britischen Europe Trust. Am 19. Dezember 2012 bezahlte die Organisation vier Millionen Euro für das mehrstöckige Fabrikgebäude. Laut einem britischen Parlamentsbericht von 2020 ist der Eigentümer des Fabrikgebäudes der European Trust der Muslimbruderschaft zuzuordnen. Es ist eine Einschätzung, die deutsche Sicherheitsbehörden teilen.

Beobachtung durch Verfassungsschutz möglich

Das allein bedeutet nicht, dass auch das IZDB eine Organisation ist, die zum Netzwerk der Muslimbrüderschaft gehört, doch es gibt Berührungspunkte mit der Ideenwelt der Muslimbruderschaft: Noch im Dezember 2021 lud der Verein wichtige islamische Religionsvertreter zu einem Treffen ein, darunter auch: Ali Al Qaradaghi aus Katar. Er ist der Generalsekretär der "Union Muslimischer Gelehrter", einer globalen Organisation, die nach Meinung von Experten den Muslimbrüdern nahesteht.

Von 2014 bis 2016 erwähnte der Berliner Verfassungsschutz die Vereine NBS und IZDB in seinem Bericht. Er habe Hinweise, dass sie mit Anhängern der Muslimbruderschaft in Verbindung stünden. Nachdem die NBS erfolgreich gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht klagte, verschwanden ihre namentliche Erwähnung aus dem Bericht - auch die des IZDB. Das Gericht stellte in dem Beschluss zur "Neuköllner Begegnungsstätte" von 2018 allerdings ausdrücklich fest: "Die Beobachtung des Vereins durch den Verfassungsschutz ist dadurch nicht ausgeschlossen." Die Vereine selbst hingegen legen öffentlich großen Wert auf die Feststellung, dass sie das Grundgesetz achten und auf Dialog bedacht seien.

"Der Westen hasst Euch!"

Aber wie relevant sind - jenseits der beiden Beispiele - die möglichen Geldflüsse aus Katar für die Sicherheit und die Integrationsfähigkeit westlicher Gesellschaften? Professor Lorenzo Vidino ist Programmdirektor für Extremismus an der George Washington Universität in Washington DC und erforscht seit Langem die Muslimbruderschaft im Westen. Er kritisiert ihre soziale Agenda als für westliche Gesellschaften "äußerst problematisch". Es handele sich um eine identitäre Botschaft, die der rechtsextremer Gruppen stark ähnele: "Die Bruderschaft sendet den Muslimen die Botschaft: Ihr gehört nicht zum Westen. Der Westen hasst euch, wegen des Islam. Integriert euch nicht in die Gesellschaft!"

Katars Außenminister beschwichtigt

In einem exklusiven Interview mit Kontraste, report München und ZEIT beschwichtigte der katarische Außenminister, Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani: "Ich habe wirklich keine Ahnung von den Moscheen der Muslimbruderschaft in irgendeinem Land oder irgendeiner Stadt in Europa."

Die  Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen Katars unterstützten Projekte "nicht ausgehend von der Ideologie der Menschen in diesen Ländern oder diesen Einrichtungen." Er könne versichern, dass "unsere Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen in voller Übereinstimmung mit den Regierungen arbeiten" und  die Vorschriften in Deutschland respektieren. Damit spielt der Minister den Ball zurück an die deutschen Sicherheitsbehörden und die deutsche Politik.

Dieser Text wurde: aufgrund eines laufenden juristischen Verfahrens verändert.

Recherche-Team: Sammy Khamis, Joseph Röhmel (BR), Yassin Musharbash ("Die Zeit")

Mehr dazu um 21.45 Uhr in Kontraste im Ersten. Die Dokumentation "Geld.Macht.Katar." finden Sie ab 16 Uhr in der ARD Mediathek. Hören Sie außerdem den Podcast "Geld.Macht.Katar." in der ARD-Audiothek.

Sammy Khamis, BR, 22.09.2022 07:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. September 2022 um 06:22 Uhr.