rbb-Skandal Direktorin lebenslang abgesichert
Weil gegen sie ermittelt wird, ist die Juristische Direktorin des rbb derzeit freigestellt. Würde ihr Vertrag beendet, stünden ihr offenbar üppige Versorgungsansprüche zu. Die neue Intendantin findet dies "erstaunlich".
Kurz vor Weihnachten 2020 unterschreibt die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger den Dienstvertrag der Juristischen Direktorin des rbb, der es in sich hat: Die Direktorin erhält demnach eine Grundvergütung von 195.000 Euro brutto jährlich, sowie eine "variable Vergütung" von bis zu 8,33 Prozent, außerdem eine monatliche Aufwandsentschädigung von 250 Euro plus eine Kfz-Pauschale von 500 Euro.
Üppige Versorgungsregelung
Das Besondere in diesem Vertrag, den das ARD-Politikmagazin Kontraste des rbb einsehen konnte, ist die Versorgungs- und Hinterbliebenenregelung. Laut diesem Vertrag steht der Direktorin nach Beendigung des Vertrages ein lebenslanges Ruhegeld zu. Dieses errechnet sich aus einer vereinbarten Vergütung von 212.719 Euro (Grundvergütung plus variabler Anteil) jährlich.
Würde der Vertrag der Direktorin heute beendet, stehen ihr offenbar ab dem nächsten Monat 50 Prozent ihres Basisgehaltes zu, das wären rund 106.000 Euro jährlich - so sieht es der Vertrag vor. Mit jedem weiteren Dienstjahr erhöht sich das Ruhegeld um einen Prozentpunkt, bis zur Höchstgrenze von 60 Prozent. Das Ruhegeld soll auch bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden. Der Vertrag der Juristischen Direktorin ist auf fünf Jahre befristet und endet Ende 2025.
Nachdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Verantwortliche des rbb auch auf die Juristin ausgeweitet wurden, wurde sie von ihren Dienstpflichten entbunden. Es geht um den Verdacht der Untreue und Beihilfe zur Untreue wegen anderer Verträge im rbb, die sie mit abgeschlossen haben soll. Damit sollte jeder Anschein vermieden werden, dass durch die Ermittlungen gegen sie die Arbeit des Justiziariats beeinträchtigt werden könnte, wurde die aktuelle Intendantin Katrin Vernau in einer Pressemitteilung des Senders zitiert.
Ehepartner, Kinder und Hinterbliebene mitversorgt
Für die Hinterbliebenen gibt es in dem Arbeitsvertrag eine eigene Klausel: Im Todesfall sichert dieser ein Witwengeld von 60 Prozent des Ruhegeldes zu, das an ihrem Todestag fällig werden würde. Nach derzeitigem Stand wären das hochgerechnet mindestens rund 60.000 Euro jährlich. Waisen erhielten 20 Prozent davon und Halbwaisen 12 Prozent des Ruhegeldes. Die Witwen- und Waisengelder würden monatlich gezahlt.
Darüber hinaus werden auch andere Hinterbliebene mit einem sogenannten "Sterbegeld" versorgt. Dazu zählen laut Vertrag nicht nur der Ehepartner oder die Ehepartnerin, sondern auch leibliche und angenommene Kinder, Verwandte der aufsteigenden Linie, Geschwister und Geschwisterkinder sowie Stiefkinder, wenn diese Personen zum Zeitpunkt des Todes zur häuslichen Gemeinschaft der rbb-Juristin gehört haben. Dieses "Sterbegeld" beträgt zwei Zwölftel der letzten Gesamtvergütung oder die Höhe des zweifachen Monatsbeitrages des Ruhegeldes. Das könnte eine mittlere fünfstellige Summe für jeden sein.
Nebeneinkünfte erlaubt
Sollte die Direktorin das Ruhegeld beziehen, bevor sie in Rente geht, werden ihr auch "Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Tätigkeit" ermöglicht. So könnte die Juristin beispielsweise als Rechtanwältin nebenbei arbeiten und Einkünfte bis zu einer Höhe von 50 Prozent des Nettobetrages aus der zuletzt vereinbarten Gesamtvergütung erzielen - "ohne dass eine Anrechnungspflicht besteht." Sollte sie in Rente gehen, "steigt der anrechenfreie Betrag auf 90 Prozent."
Am 8.10.2020 wählte der Rundfunkrat des rbb sie zur Juristischen Direktorin. "Er folgte damit einem entsprechenden Vorschlag von Intendantin Patricia Schlesinger", heißt es in einer Pressemeldung. Rundfunkratsmitglied Erik Stohn (SPD) hat den Dienstvertrag bis heute nicht gesehen. Dass die Juristische Direktorin des rbb mehr als der Ministerpräsident des Landes Brandenburg verdient, findet Stohn unsäglich.
Das Gehalt des Ministerpräsidenten beträgt derzeit rund 15.500 Euro im Monat. Zum Vergleich: Ohne "variable Vergütung" hatte die Juristin bis zu ihrer Freistellung vor wenigen Tagen rund 18.200 Euro monatliches Gehalt. "Es muss Aufgabe eines neuen Verwaltungsrates sein, sich künftig an die Gehälter des öffentlichen Dienstes zu halten", erklärt Stohn gegenüber Kontraste.
Verwaltungsrat kennt Verträge nicht im Detail
Doch selbst der jetzige Verwaltungsrat kenne die Dienstverträge der Direktoren nicht genau, schreibt die amtierende Vorsitzende, Dorette König, auf Anfrage. Man habe nur Eckdaten genannt bekommen. Über Inhalte zu reden, dazu wäre sie nicht befugt.
Nach Kontraste-Informationen haben auch andere Direktoren des rbb ähnliche Verträge. Der Arbeitsvertrag des ehemaligen Verwaltungsdirektors, den Kontraste auch einsehen konnte, ist in Teilen nahezu wortgleich. Ihm sei der Vertrag vorgelegt worden, teilt dieser auf Anfrage mit. Über die Vergütung sei er vorab mündlich informiert worden. Frau Schlesinger wollte sich auf Kontraste-Anfrage nicht zu den Arbeitsverträgen äußern.
Die Juristische Direktorin teilt auf Kontraste-Anfrage mit, sie habe die Bezüge in ihrem Vertrag mit Schlesinger persönlich verhandelt. Die übrigen Vertragsbedingungen seien ihr vorgegeben worden - von wem, teilt sie nicht mit.
Arbeitsrechtlerin hält Verträge für teils sittenwidrig
Aus den Verträgen aussteigen kann - laut Vertrag - der rbb nur aus Zitat: "verschuldeten wichtigen Grund" (Paragraf 626 BGB), also wenn Tatsachen vorliegen, weshalb eine Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden kann. Die neue Intendantin, Katrin Vernau, sagt auf Anfrage von Kontraste, dass sie die Verträge kenne und "erstaunlich" fände.
Nadia Pröpper-Schwirtzek, zertifizierte Compliance-Anwältin mit Spezialisierung auf Arbeitsrecht, hält die Vergütungs- und Versorgungsansprüche in den Verträgen für deutlich unangemessen, und deshalb in Teilen sittenwidrig. Und weiter: "Die Ruhestandsregelungen sind auch zu weit gefasst, weil hier Beitragsgelder nicht nur an die Direktoren, sondern auch an einen großen Kreis ihrer Familienangehörigen verteilt werden können."
Der Prodekan der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität, Prof. Martin Heger, sagt: "Es könnte sich aus dem Vertrag möglicherweise eine strafbare Untreue ableiten, und zwar für die Person, die diese Verträge aufgesetzt hat. Ein solcher Vertrag ist eindeutig zum Nachteil des rbb und hätte so nie abgeschlossen werden dürfen."