Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt Bundesweit Durchsuchungen zu Panama Papers
Steuerfahnder haben bundesweit Objekte durchsucht. Ein Grund für die Razzia: Deals einer Briefkastenfirma mit einem Erfurter Grundstück. Das betroffene Unternehmen wird auch in den Panama Papers erwähnt.
Die Briefkastenanlage an der Adresse im Erfurter Norden sieht nicht gerade vertrauenserweckend aus. An einem alten schäbigen Zaun reihen sich die Briefschlitze auf. Auf einem steht ein merkwürdiger Firmenname mit einer exotischen Adresse. Barden Asset Management Limited, mit Sitz im Akara Building in der Castro Street 24 in Wickhams Cay auf Tortola, eine Insel, die zu den British Virgin Islands gehört.
Wenn man den Namen dieser Firma in die Internetsuche eingibt, stößt man mit wenigen Klicks auf einen der weltweit größten Steuerskandale, dem Datenleak der Panama Papers. Denn in den Datenbanken der sogenannten Offshoreleaks findet sich der Name der Firma.
Grundstück des VEB Kohlehandel
Die Barden Asset Management hat aber nicht nur einen Briefkasten an dieser Adresse in Erfurt, sie ist in Thüringen seit 2006 auch aktiv. MDR Thüringen liegt ein internes Geschäftsaktenkonvolut vor, aus dem hervorgeht, dass die Firma in ein fragwürdiges Grundstücksgeschäft verwickelt sein könnte, das offenbar auch ein Grund für die seit Dienstagmorgen laufenden bundesweiten Steuerrazzien ist.
Die Spuren dieses Geschäftes führen zurück in die Zeiten der Deutschen Einheit und der Zerschlagung von DDR-Betrieben. Denn die Fläche von mehr als 112.000 Quadratmetern war einer der größten Lagerplätze des VEB Kohlenhandels im damaligen Bezirk Erfurt. Nach der Wende wurden Teile diese DDR-Kombinates an den Energiereisen Rheinbraun AG, der später RWE wurde, veräußert - darunter auch das Grundstück in Erfurt.
Rheinbraun AG verkauft Grundstück an Briefkastenfirma
Über Jahre wurde aus der Fläche mehr und mehr eine Brache. Es wurde teilweise versucht, Altlasten aus dem Grund zu entsorgen. Auf dem Gelände befinden sich nur noch einige wenige Gebäude. Ansonsten ist das Grundstück vollkommen ungenutzt. Im Juli 2006 kommt Bewegung in den Fall. Die Rheinbraun-Tochter Rheinbraun-Brennstoff GmbH mit Sitz in Köln verkaufte das gesamte Gelände und zwar an die Barden Asset Management mit Sitz auf den British Virgin Islands.
Diese war zuvor mit Hilfe der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca im Juni 2003 in das Handelsregister der British Virgin Islands eingetragen worden, das geht aus den internen Akten hervor, die MDR Thüringen vorliegen. Der Kaufpreis damals, den die Barden für das Grundstück zahlte: 20.000 Euro.
Ex-Rheinbraun-Manager offenbar verwickelt
Zwölf Jahre später wechselt das Grundstück erneut den Besitzer. Mitte Mai 2018 wird es wieder verkauft, an eine Firma in Nordrhein-Westfalen. Der Kaufpreis für die weiterhin ungenutzte Brache: diesmal 1,2 Millionen Euro. Dieser Deal hat inzwischen Steuerfahnder und Staatsanwälte aufmerksam werden lassen.
Auch Anfragen des MDR bei verschiedenen Behörden zu den Geschäften um die Firma aus den Panama Papers hatten die Ermittlungen in Gang gebracht. Denn an den beiden Deals war immer ein und dieselbe Person beteiligt. Der ehemalige Rheinbraun-Manager Wolfgang von W.*, der laut internen Unterlagen für die Verwaltung der Rheinbraun-Immobilien in den Ostdeutschen Ländern zuständig war - ein 55-jähriger Adelsspross und besonders auf dem High-Society Parket in Berlin zu Hause.
Von W. stand laut dem Kaufvertrag von 2006 auf der Verkäuferseite, gemeinsam mit einem ebenfalls für die Rheinbraun-Immobilien zuständigen Manager aus Chemnitz. Die Barden Asset Management hatte für das Geschäft damals einen Anwalt aus Sachsen bevollmächtigt. Doch der hatte merkwürdigerweise seine Expertise laut Eigendarstellung eher im Sozial- und Arbeitsrecht, als im Bereich Immobilienrecht.
Wertsteigerung macht Ermittler misstrauisch
Bei dem 2018 geschlossen Grundstücksdeal taucht Wolfgang von W. wieder auf. Hier firmiert er inzwischen als Geschäftsführer des Unternehmens in Nordrhein-Westfalen, welches das Grundstück für 1,2 Millionen Euro gekauft hat. Diese plötzliche Wertsteigerung von 20.000 Euro auf 1,2 Millionen Euro für eine Brache in Erfurt hat die Ermittler misstrauisch werden lassen.
Seit dem Morgen nun durchsuchen Steuerfahnder bundesweit, darunter in Erfurt, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg Wohn- und Geschäftsräume. Sie gehen unter anderem dem Verdacht nach, dass Wolfgang von W. auch hinter der Barden Asset Management stehen könnte und über diese Briefkastenfirma aus den Panama Papers den Grundstücksdeal zu seinen Gunsten verschleiert haben könnte - also die 112.000 Quadratmeter in seinen Besitz gelangen sollten.
Scheinrechnung für mutmaßliche Steuerhinterziehung
Doch die Ermittler gehen auch dem Verdacht nach, dass ein Firmengeflecht um Unternehmer von W. der Barden Asset Management Scheinrechnungen gestellt haben könnte - also Gelder gezahlt wurden, für die es keine Leistungen gab. Diese Ausgaben könnten, so der Verdacht, zur Verkürzung und Minderung von Steuern genutzt worden sein, was vor dem Gesetzt eine Steuerhinterziehung bedeuten würde, wenn sich der Verdacht bestätigen sollte.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt bestätigte dem MDR die Ermittlungen und die aktuell laufenden Durchsuchungen in vier Bundesländern. Es gehe um den Vorwurf der Hinterziehung von Körperschaft-, Gewerbe- um Umsatzsteuer zwischen 2010 und 2018. Weitere Einzelheiten wollte der Sprecher mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen. Nach MDR-Informationen wird in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg und Thüringen durchsucht.
Bei diesen Geschäften könnte eine Steuerkanzlei aus Berlin behilflich gewesen sein, bei der die Fahnder am Dienstag auch angeklopft haben. Sie taucht unter anderem in dem Schriftverkehr zwischen dem Finanzamt Erfurt und der Barden Asset Management 2015 auf. Neben der Kanzlei wurde auch bei einem Immobilienberater mit Sitz in Brandenburg, einer Hausverwaltungsfirma in Erfurt und weiteren Firmen im Raum Berlin durchsucht. Wolfgang von W. reagierte auf eine Anfrage bisher noch nicht.
*Name geändert