Wohnungsbauprojekt in Leipzig Verzocktes Bauland
Steigende Zinsen, erhöhte Baukosten - Neubauprojekte sind schwer zu realisieren. Dabei wird bezahlbarer Wohnraum dringend benötigt. Grundstück-Spekulationen verschärfen die Lage, wie ein Beispiel in Leipzig zeigt.
Die deutlichen Steigerungen bei Zinsen und Baukosten sorgen dafür, dass sich Neubauprojekte im freifinanzierten Bereich derzeit nicht wirklich rentieren. So hatte etwa der Branchenriese "Vonovia" erst kürzlich erklärt, Neubauvorhaben einzustellen. Nun ist bei einem der größten Wohnungsbauprojekte in Ostdeutschland der Investor abgesprungen - nachdem der Wert des Geländes innerhalb weniger Jahre durch Verkäufe extrem gestiegen war.
Ein eigenes Stadtviertel soll auf dem "Eutritzscher Freiladebahnhof" entstehen. Auf dem zentralen Gelände in der am schnellsten wachsenden Großstadt Deutschlands sollen 2400 Wohnungen, Kitas und eine Schule gebaut werden. 2020 sollte es eigentlich bereits losgehen, doch der Beginn verschiebt sich seit Jahren.
Gelände mehrfach weiterverkauft
2005 war das 25-Hektar-Areal von der Deutschen Bahn für 2,1 Millionen Euro an einen Vermögensverwalter gegangen. Die CG-Gruppe des Unternehmers Christoph Gröner kaufte das Gelände 2015 für 33 Millionen Euro mit dem Plan, dort ein Stadtviertel zu entwickeln. Allerdings verkaufte das Unternehmen das Grundstück vier Jahre später für 195 Millionen Euro an das österreichische Unternehmen Imfarr Beteiligungs GmbH.
2021 stieg die Gateway Real Estate in das Projekt ein und wollte Verbindlichkeiten im Wert von 210 Millionen Euro übernehmen. Der Wert des Areals stieg also innerhalb von 16 Jahren von 2,1 auf 210 Millionen Euro. Wenn kleine Zugewinne an Flächen wieder herausgerechnet werden, ergibt sich eine Versechszigfachung des Wertes pro Quadratmeter - ohne dass ein einziges Haus gebaut wurde.
Noch im vergangenen Jahr kritisierte die Gateway Real Estate vorangegangene Spekulationen auf dem Gelände und betonte, selbst bauen zu wollen. Das Unternehmen ist Teil des Firmenreichs von Immobilienunternehmer Norbert Ketterer. Er brachte ein vielversprechendes Konzept in das Projekt ein. In Holz-Hybridbauweise wollte er Mehrfamilienhäuser im großen Stil bauen. Bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt ließ er dafür extra eine Fabrik bauen.
Die Wohnungsbaukrise lasse sich nur mit dem Einsatz alternativer Materialien lösen, erklärte Ketterer im April in einem Interview mit dem "Handelsblatt“. Tatsächlich setzt die Branche Hoffnungen in diesen Weg. Bundesbauministerin Klara Geywitz selbst kam zur Besichtigung. Die SPD-Politikerin musste Anfang des Jahres erklären, dass das selbst gesteckte Ziel der Bundesregierung erst 2024 erreicht werden könnte: "Ich gehe nicht davon aus, dass die Zahl von 400.000 Wohnungen in den Jahren 2022 und 2023 erreichbar ist."
"Spekulativ deutlich überhöhter Bodenpreis“
In Leipzig sollte das neue Stadtviertel auf dem ehemaligen Freiladebahnhof in Holzbauweise günstig erbaut werden können. Doch die Gateway Real Estate ist bereits vor Monaten aus dem Projekt ausgestiegen, wie Recherchen von MDR Investigativ nun ergaben.
Dirk Löhr von der Hochschule Trier beobachtet, dass die Neubauaktivitäten derzeit nicht attraktiv sind. "Im Falle des Freiladebahnhofs kommt noch der offenbar spekulativ deutlich überhöhte Bodenpreis hinzu, der sich von der Ertragsfähigkeit des Grundstücks wohl abgekoppelt hat", erklärt er. Der Wirtschaftswissenschaftler kritisiert seit Jahren, dass von Seiten der Politik mehr unternommen werden müsste, um Spekulationen mit Boden zu unterbinden.
In ganz Deutschland waren in den vergangenen Jahren die Bodenpreise, insbesondere in den Metropolen, durch die Decke gegangen. Häufig war es für Unternehmen das lukrativere Geschäftsmodell, Areale wieder zu verkaufen, anstatt selber zu bauen. "In der jüngeren Vergangenheit waren diejenigen die Profiteure, die mit Gewinnen verkaufen konnten", sagt Löhr. "Die großen Verlierer sind diejenigen, die nun auf den Grundstücken sitzen und diese bei den gegebenen Preisen weder bebauen, noch gewinnbringend veräußern können."
Neuer Investor in Leipzig: ein Hedgefonds
In Leipzig soll nun nach monatelanger Suche nach einer neuen Finanzierung der Hedgefonds Oaktree Capital Management einspringen, wie aus einem Dokument hervorgeht, das MDR Investigativ vorliegt. Die Investmentgesellschaft hat einen Fokus auf riskante Investitionen. Der Gründer Howard Marks wird mit den Worten zitiert: "Großartige Investitionen ereignen sich meistens dann, wenn man als Anleger bereits ist, etwas zu kaufen, was niemand sonst zu kaufen bereit ist." Eigentümer soll der Hedgefonds aber offenbar nicht werden.
Laut MDR-Informationen übernahm die Imfarr Beteiligungs GmbH die operative Leitung wieder. Mehrere Leipziger Stadträte bestätigten, über den Einstieg von Oaktree Capital Management informiert worden zu sein. Weder Imfarr, Gateway, noch die Oaktree Capital Management wollten sich auf MDR-Nachfrage zu den Vorgängen äußern. Die Stadt Leipzig gibt an, keine aussagefähige Kenntnis über die Projektfinanzierung zu besitzen, bestätigt aber, dass die Gateway im März von ihrem Einstieg als Gesellschafter zurückgetreten ist.
"Nicht finanzierbar"
Der Investorenwechsel könnte das Projekt gefährden, meint die Leipziger Stadträtin Franziska Riekewald (Die Linke). "Mit jedem Jahr wird es schwieriger, Wohnungen zu bauen, die auch wirklich von den Menschen, also den Leipzigern finanzierbar sind." Sie rechnet auf dem Gelände mit Preisen von bis zu 16 Euro pro Quadratmeter - kalt. "Das ist für einen Normalverdiener, geschweige denn für jemanden mit wenig Einkommen nicht finanzierbar."
Dass es jetzt so teuer werden könnte, liegt aus Sicht von Riekewald nicht nur an hohen Zinsen und Baupreisen. Schon der Verkauf der CG Gruppe an das österreichische Unternehmen Imfarr sei viel zu hoch gewesen: "Ich glaube, man hat sich da wirklich verspekuliert."