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Wiedereinzug in den Bundestag Geldsegen für AfD-nahe Stiftung

Stand: 13.10.2021 06:00 Uhr

Die parteinahe Stiftung der AfD hatte aus ihren Finanzen bislang ein Geheimnis gemacht. Jetzt stehen ihr jährlich wohl zweistellige Millionenbeträge vom Staat zu. WDR und NDR liegen interne Dokumente aus dem Führungszirkel vor.

Es ist ein umfangreicher Datenbestand aus dem Inneren einer Blackbox, der erstmals etwas Licht in einen Verein wirft, der für die weitere Entwicklung der Rechtspopulisten entscheidend werden könnte. Es geht um die parteinahe Stiftung der AfD: die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), die seit 2018 von der AfD als parteinah anerkannt ist. 

Als Verein ist die Stiftung bisher zu keinerlei Veröffentlichung ihrer Finanzen und ihrer Arbeit verpflichtet. Und die DES macht auch um ihre Kuratoriumsmitglieder immer wieder ein großes Geheimnis. Die Einblicke kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem die DES kurz davor steht, auch von dem üppigen Kuchen zu profitieren, von dem sich bisher die parteinahen Stiftungen von CDU, CSU, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei ernährt haben.

Noch keine gesetzliche Grundlage

Doch wie die AfD-nahe Stiftung genau an diese Millionen kommen wird, ist bislang noch unklar. Die DES-Vorsitzende Erika Steinbach teilte auf Anfrage mit, dass sie bereits den Haushaltsausschuss und die Vertreter der anderen parteinahen Stiftungen wegen einer Verteilung der Mittel angeschrieben habe. Eine Antwort stehe noch aus.

Erika Steinbach spricht auf dem AfD-Bundesparteitag

Die Stiftungsvorsitzende Steinbach hat wegen der Gelder bereits beim Haushaltsausschuss angefragt.

Ein Stiftungsfinanzierungsgesetz gibt es bislang nämlich nicht, die Grünen fordern ein solches schon länger. Nach dem bisherigen Prozedere, das sich an den Wahlergebnissen orientierte, hätten der parteinahen Stiftung der AfD in der vergangenen Legislatur bis zu 70 Millionen Euro jährlich zugestanden. Dass die AfD-nahe Stiftung überhaupt einen Anspruch auf ihren Anteil erheben würde, war jedoch nicht immer klar. Denn Teile der AfD haben immer wieder gegen das Wesen staatlich finanzierter, parteinaher Stiftungen gewettert. Sie prangerten undurchsichtige staatliche Förderung an und warben stattdessen für eine private Finanzierung, die sich eher an US-Thinktanks orientieren sollte.

AfD-Klage gegen Förder-Ablehnung

Frisch als parteinahe Stiftung benannt, stellte jedoch auch die DES 2018/19 unter Leitung der Ex-CDU-Bundestagsabgeordneten Steinbach einen Förderantrag - zunächst erfolglos. Die DES klagte vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, dass sie als Neuling im Bundestag und als größte Oppositionspartei zunächst leer ausging, verlor aber erneut. Das Geld vom Staat steht den parteinahen Stiftungen üblicherweise erst ab der zweiten Legislaturperiode zu. Mit dem Wiedereinzug ins Parlament ist es für die AfD jetzt soweit. 

Vielleicht will man nun auch deshalb an die staatlichen Millionen, weil die ehrgeizigen Pläne der DES sonst wohl auch keine Chance hätten, umgesetzt zu werden. Das konnten WDR und NDR in den internen Dokumenten lesen. In den Dokumenten finden sich zwar viele Bemühungen um private Zuwendungen, um Spenden von wohlhabenden Privatleuten und Fundraising in der Wirtschaft: Doch zumindest bis Ende 2019 hatte die DES dabei offenbar nur wenig Erfolg.

Spender halten sich bisher zurück

Das geht zum Beispiel aus einer Präsentation des Schatzmeisters hervor, die dieser im Herbst 2019 bei einer Vereinstagung in Frankfurt am Main vorlegte: Für das Jahr 2018 sind dort Spendeneingänge von etwa 122.000 Euro verzeichnet, mehr konnte er den angereisten Vorständen damals nicht präsentieren. Angesichts der Pläne für eine Bildungsakademie, die in großem Stil Seminare veranstalten, Stipendien vergeben und Publikationen herausgeben sollte, wäre dies ein äußerst knappes Budget.

Den Unterlagen zufolge hat die DES bisher mindestens einmal eine Schenkung erhalten: die Hälfte eines in die Jahre gekommenen Garagenhofs in Wittenberg, den ein Unterstützer dem Stiftungsverein 2018 übertragen hat und der der DES Mieteinnahmen von etwa 11.000 Euro im Jahr bescheren sollte. Erika Steinbach bestätigte die Schenkung. Millionensummen oder Spenden in dieser Größenordnung fanden sich zumindest bis Anfang 2020 nicht in den Unterlagen. 

Offenbar Angebote für die Wirtschaft

Aus dem bereits angelaufenen Seminarprogramm, aber auch aus einigen personellen Engagements zeigt sich, wie sich die DES bemüht hat, sich auch in die Wirtschaftswelt hinein zu vernetzen, hin zu potenziellen Unterstützern. Für eine sicherheitspolitische Tagung Anfang 2020 in der Schorfheide sollen laut internem DES-Protokoll angeblich zwei leitende Mitarbeiter des Rüstungskonzerns Rheinmetall als Referenten zugesagt haben.

Ein Rheinmetall-Sprecher schloss aus, dass das Unternehmen Referenten zum DES-Seminar entsandt habe. Der Konzern unterstütze weder die DES noch die AfD. Man habe aber keine Informationen über private Aktivitäten von Beschäftigten. Steinbach sagte auf Anfrage, alle Referenten der Tagung seien als Privatleute im Einsatz gewesen.

Unklare Rolle eines Lobbyisten

In den Unterlagen taucht zudem immer wieder der Name eines bekannten Berliner Lobbyisten auf: Matthias Lefarth, der zur Zeit der AfD-Gründung 2013 kurzzeitig Berliner Landessprecher war, jedoch schon nach kurzer Zeit aus der Partei wieder ausgetreten ist. Inzwischen engagiert er sich nach eigenen Angaben in FDP-Gremien. Mehrere Jahre lang leitete er die Berliner Niederlassung des einflussreichen Lobbyverbandes "Stiftung Familienunternehmen".

Schon länger gab es Hinweise auf eine Nähe des bestens vernetzten Lefarth zur DES. Ein öffentlich abrufbares Bild bei Facebook zeigte ihn im Januar 2020 an der Seite Erika Steinbachs bei einem DES-Besuch des damaligen österreichischen FPÖ-Innenministers Kickl. Kickl schrieb, dass Steinbach und Lefarth von der DES ihm Berlin gezeigt hätten. In den vorliegenden Unterlagen taucht Lefarth in Mailverteilern des Führungszirkels um Erika Steinbach auf, an anderer Stelle sind sein Name und seine Adressdaten auch unter der Rubrik "Assistenzgruppe" des Vorstandes gelistet.

Lefarth teilte auf Anfrage mit, er habe nie ein Amt in der DES gehabt und strebe auch keines an, auch habe er für diese nie Mittel eingeworben. Er sei nicht Mitglied der AfD und frei von rechter Gesinnung. Erika Steinbach schreibt auf Anfrage: "Herr Lefarth half bei Bedarf und auf unsere Bitte hin ehrenamtlich bei Berliner DES-Veranstaltungen."

Von der DES zur "Werteunion"

Vorsitzender des inzwischen nach Informationen von WDR und NDR etwa 30-köpfigen DES-Kuratoriums war lange der Unternehmer Max Otte. Inzwischen ist er Chef der nicht von der CDU anerkannten Splittergruppe "Werteunion". Im Streit verließ er die DES und den Kuratoriumsvorsitz Anfang vergangenen Jahres. Einer Mail zufolge soll er der DES jedoch vorher mindestens einmal 10.000 Euro gespendet haben. Erika Steinbach bestätigte den Spendeneingang.

Otte schrieb 2018 eine  Mail an einen damaligen DES-Vorstand und lehnte darin ab, einen Festvortrag bei einer AfD-Fraktionsfeier im Nordrhein-Westfälischen Landtag für die DES zu übernehmen. Unter anderem mit folgender Begründung: Er habe "alle AfD-Auftritte, die nach außen gingen, bislang abgelehnt und mich nach innen orientiert. Dies hat nichts mit fehlendem Mut zu tun - ich will nur den Medien nicht noch mehr Grund geben, mich auszublenden. Ich fühle mich wie ein Scharfschütze, der gegen den Aufmarsch eines feindlichen Heeres noch fünf Kugeln im Magazin hat und sehr gut zielen muss."

Auf Anfrage sagte Otte, er sei nie operativ in der Stiftung tätig und in Entscheidungen eingebunden gewesen. Es sei nicht möglich gewesen, wissenschaftlich und konzeptionell zu arbeiten, wie er das angestrebt habe. All dies sei jedoch "Schnee von gestern".

Künftig stehen der DES wohl für die Verankerung ihrer Gedanken in die Gesellschaft viele Millionen Euro zu.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Juli 2021 um 18:40 Uhr.