Corona-Schnelltest-Kontrolle Lauterbach hat nichts gehört
Wer soll die Corona-Schnelltest-Abrechnungen künftig kontrollieren? Laut Minister Lauterbach hat das RKI nichts gegen die Übernahme der Aufgabe. NDR, WDR und SZ liegt jedoch ein Schreiben von RKI-Präsident Wieler vor, der sich genau dagegen wehrt.
Seit Wochen tobt hinter den Kulissen ein Streit zwischen dem Gesundheitsministerium und dem Robert Koch-Institut (RKI) über die künftige Kontrolle von Corona-Schnelltest-Abrechnungen. Weil die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die diese Aufgabe bisher übernommen hatten, das künftig nicht mehr machen wollen, hat Minister Karl Lauterbach entschieden, dass das RKI diese Tätigkeit übernehmen solle. Das RKI selbst kann sich als nachgeordnete Bundesbehörde nicht gegen diese Übertragung wehren, weil es weisungsgebunden ist. Als wissenschaftliche Institution, so heißt es, hat das RKI aber weder die Ressourcen noch die Kenntnisse, diese Abrechnungen von Schnelltestzentren zu überprüfen.
"Keine Beschwerden dieser Art auf dieser Ebene gehört"
Mit dieser Einschätzung wurde während der Bundespressekonferenz am Mittwoch auch der Gesundheitsminister konfrontiert und gefragt, wie er auf diese "Schnapsidee" gekommen sei, die Aufgabe der Schnelltest-Kontrolle auf das RKI abzuwälzen. Lauterbach antwortete: "Die Leitungsebene des RKI hat sich bei mir, was diese Aufgabe angeht, verständnisvoll gezeigt und ich habe daher bisher keine Beschwerden dieser Art auf dieser Ebene gehört."
Das entspricht aber offenbar nicht den Tatsachen. Denn nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" schickte RKI-Präsident Lothar Wieler am 20. Juli einen Bericht ans Gesundheitsministerium, in dem er einige Einwände gegen die geplante Übertragung dieser Aufgabe formuliert. So lautet eine der "Kernaussagen" in dem Bericht: "Auffälligkeiten in den KV-Abrechnungsdaten zu ermitteln, gehört unserer Einschätzung nach primär in den Bereich der Wirtschaftskriminalistik. Das RKI verfügt hier über keinerlei einschlägige Expertise."
Zwar könne das RKI etwa statistische Ausreißer in den Abrechnungen identifizieren, "allerdings sieht das RKI das Problem, dass ohne weitergehende Angaben wie Alter und Geschlecht der getesteten Personen nur wenige erfolgversprechende Analysen möglich sind". Insgesamt sei "die Aufdeckungswahrscheinlichkeit entsprechend gering einzuschätzen".
Keine zusätzlichen Mittel
Für den Fall, dass das RKI überhaupt die "gewünschte Plausibilitätsprüfung" übernehmen könne, seien mehrere Voraussetzungen zu erfüllen: Zum einen müsse das Gesundheitsministerium dem RKI "die notwendigen Ressourcen zur Bearbeitung des Auftrags zur Verfügung" stellen oder das Ministerium solle sagen, welche der bisherigen Aufgaben man "de-priorisieren" soll. Beides ist bisher offenbar nicht geschehen. Auf Anfrage teilte das Gesundheitsministerium mit, dass das RKI für die neuen Aufgaben keine zusätzlichen Mittel bekommen solle.
Wie Minister Lauterbach angesichts des sieben Seiten umfassenden Schreibens von RKI-Präsident Wieler zu der Einschätzung kommen konnte, das RKI habe auf die Übertragung der neuen Aufgaben "verständnisvoll" reagiert und von der Leitungsebene seien "keine Beschwerden dieser Art" zu hören, bleibt unklar. Über seinen Sprecher lässt Lauterbach ausrichten, dass er für ein Interview zu diesem Thema nicht zur Verfügung stehe. Das Schreiben des RKI-Präsidenten habe den Minister nicht erreicht. Es habe "lediglich die Fachabteilung erreicht". Inzwischen sei das Ministerium mit dem RKI allerdings "in einem konstruktiven Austausch über die Durchführung einer Plausibilitätsprüfung der Testzentren." Die "Details" würden "zur Zeit mit allen Beteiligten besprochen".