Nach Razzia bei KSK-Soldat Anklage: Geheimnisverrat durch MAD-Agent
Ein MAD-Agent soll Geheimnisse aus einer hochsensiblen Razzia weitergegeben haben. Nun hat die Staatsanwaltschaft Köln Anklage gegen ihn erhoben.
Die Staatsanwaltschaft Köln hat Anklage gegen einen Agenten des Bundesamts für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) erhoben. Das bestätigte ein Gerichtssprecher am Kölner Amtsgericht am Donnerstag auf Anfrage von WDR und NDR. Der Vorwurf ist delikat: Der Mann soll noch am Tag einer laufenden Razzia bei einem Bundeswehrsoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) vertrauliche Informationen über die Durchsuchungsmaßnahme an einen anderen KSK-Kameraden weitergegeben haben. Außerdem soll er ihm auch vertrauliche Fotos von der Durchsuchung gezeigt haben.
Reihe von Skandalen
Der Vorgang ist politisch brisant, weil er in einer Reihe von Strafverfahren steht, die sich gegen Soldaten der Eliteeinheit der Bundeswehr sowie Mitarbeiter des Bundesamts für den Militärischen Abschirmdienst richten. Das BAMAD ist der Geheimdienst der Bundeswehr, der für die Sicherheit des Militärs zuständig ist und Gefahren abwehren soll, die sich gegen die Bundeswehr richten.
Immer wieder vermisste Munition
Es ist nicht das erste Mal, dass MAD-Agenten und KSK-Soldaten eine zu große Nähe vorgeworfen werden. Auf der Kaserne des Kommando Spezialkräfte im baden-württembergischen Calw hatten Ermittler des Bundeskriminalamts bereits im Herbst 2017 nach mutmaßlich geheimen Waffendepots gesucht, die sie dort vermutet hatten.
Hintergrund waren Befürchtungen, wonach sich KSK-Soldaten auf ein sogenanntes "Tag X"-Szenario vorbereitet hatten. In Chatgruppen hatten diese unter anderem die Kaserne in Calw als ein sogenanntes "Safe House" bezeichnet. Ermittler der Polizei rückten daraufhin in der Kaserne an und suchten nach möglichen illegalen Munitionsdepots - wurden aber nicht fündig.
In diesem Zusammenhang hatte in der Vergangenheit in Köln bereits ein anderer MAD-Agent vor Gericht gestanden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm seinerzeit vorgeworfen, damals einen KSK-Soldaten vor anstehenden Durchsuchungen auf dem Kasernengelände in Calw gewarnt zu haben. Die Vorwürfe ließen sich allerdings nicht erhärten, der Mann ist freigesprochen worden.
Munitionsdpots im Garten
Jahre später, im Mai 2020, rückten Ermittler dann im sächsischen Wohnort eines KSK-Soldaten an - und fanden dort kistenweise unterschlagene Munition sowie zwei Kilogramm Plastiksprengstoff aus Bundeswehrbeständen, die im Garten vergraben waren. Der Mann ist inzwischen verurteilt und hat die Bundeswehr verlassen.
Eingebunden in die Erkenntnisse dieser Durchsuchungen war auch jener BAMAD-Mitarbeiter in Köln, gegen den nun wegen der mutmaßlichen "Verletzung von Dienstgeheimnissen" Anklage erhoben wurde. Der Agent, der bei dem Nachrichtendienst unter anderem mit der Beschaffung von Informationen und der Auswertung betraut war, soll laut Anklage Details aus den Durchsuchungen mit einem ihm bekannten Elitesoldaten geteilt haben. Auch soll er Fotos an sich genommen und weitergereicht haben.
Ob die Anklage zugelassen wird, muss nun das Amtsgericht in Köln entscheiden. Der Rechtsanwalt des Mannes war für eine Stellungnahme am Donnerstag nicht zu erreichen. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst wollte sich auf Anfrage "vor dem Hintergrund des derzeit laufenden Verfahrens" nicht zu dem Vorgang äußern. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt für den MAD-Mitarbeiter die Unschuldsvermutung.
Prozess von öffentlichem Interesse
Jenseits der strafrechtlichen Frage in diesem Einzelfall könnte ein möglicher Prozess in Köln auch einen anderen Komplex weiter aufhellen: Wie eng die Verbindungen zwischen MAD-Agenten und KSK-Soldaten waren und inwiefern dabei auch das Verschwinden großer Mengen Munition beim KSK bekannt war und eine Rolle spielte.
Denn ausgerechnet wenige Wochen vor jener Razzia im Mai 2020 im Garten eines KSK-Soldaten hatte der damalige KSK-Kommandeur in Calw eine umfangreiche Munition-Sammelaktion angeordnet. Dabei haben Soldaten die Möglichkeit erhalten, zuvor unterschlagene Munition straffrei zurückzugeben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Der Soldat aus Sachsen verzichtete darauf, sich daran zu beteiligen. Wohl nur deshalb wurde er schließlich erwischt.
Gegen den inzwischen versetzten KSK-Kommandeur läuft nun ebenfalls ein Verfahren. Im Februar hatte die Staatsanwaltschaft Tübingen Anklage gegen ihn erhoben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unterlassene Mitwirkung bei Strafverfahren vor. Auslöser für die Ermittlungen gegen den inzwischen versetzten Chef der Eliteeinheit der Bundeswehr waren unter anderem Berichte von WDR und NDR gewesen. Auch hier muss das Gericht noch entscheiden, ob es die Anklage zulässt.