Panama Papers Deutsche Haftbefehle gegen Hintermänner
Die Panama Papers haben tausende Ermittlungsverfahren gegen Steuerhinterzieher und Kriminelle ausgelöst. Nur die Hintermänner der Briefkasten-Konstruktionen blieben lange unbehelligt. Jetzt wurden sie zur Fahndung ausgeschrieben.
Viereinhalb Jahre nach der Veröffentlichung der Panama Papers hat das Kölner Amtsgericht Haftbefehle gegen Jürgen Mossack und Ramon Fonseca erlassen, die Gründer der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca. Das ergab eine Recherche von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Den beiden Anwälten wird demnach Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln wollte sich zu den beiden Personen nicht äußern, bestätigte aber auf Anfrage die "Existenz von zwei internationalen Haftbefehlen" im Zusammenhang mit Panama-Papers-Ermittlungen.
Der aus Deutschland stammende Jürgen Mossack und sein Geschäftspartner Ramon Fonseca sind damit international zur Fahndung ausgeschrieben worden. Beide befinden sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Panama, wo sie gemeinsam eine in den 1980er-Jahren gegründete Anwaltskanzlei betrieben haben, die über Jahrzehnte dabei geholfen haben soll, Geld von Kriminellen, korrupten Politikern, Sport-Funktionären und Steuerhinterziehern zu verstecken.
Internationale Recherche
Aufgedeckt hatte das Geschäft mit dem schmutzigen Geld im April 2016 eine internationale Recherche-Kooperation, an der NDR, WDR und SZ beteiligt waren. Ein Whistleblower hatte zuvor mehr als elf Millionen interne Kanzlei-Dokumente an die SZ übergeben, die die Daten mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) teilte. Insgesamt 400 Journalisten aus aller Welt analysierten die Daten schließlich.
Die Veröffentlichung sorgte weltweit für Aufregung bis in höchste politische Kreise: Der damalige isländische Premier Sigmundur Gunnlaugsson musste zurücktreten, weil die Panama Papers belegten, dass er an einer Briefkastenfirma beteiligt gewesen war.
Der pakistanische Premier Nawaz Sharif musste sein Amt ebenfalls aufgeben. Nach der Veröffentlichung konnten Steuer- und Ermittlungsbehörden aus der ganzen Welt insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro an Strafen und Nachzahlungen eintreiben. Auch in Deutschland wurden tausende Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, Banken mussten Millionen-Bußgelder zahlen.
In Panama droht keine Auslieferung
Nur um die Köpfe hinter den Briefkasten-Konstruktionen blieb es lange ruhig. Nun haben die deutschen Behörden offenbar genug Belege gesammelt, um auch gegen die Kanzlei-Gründer Haftbefehle auszustellen. Solange sie in Panama bleiben, dürfte ihnen allerdings von der deutschen Staatsanwaltschaft keine Gefahr drohen: Beide haben einen panamaischen Pass und das Land liefert seine Staatsbürger grundsätzlich nicht aus.
Doch zumindest für den deutschen Jürgen Mossack sehen die Ermittler hierzulande eine realistische Chance, den Haftbefehl vollstrecken zu können. Von Personen, die mit den Vorgängen befasst sind, ist zu hören, dass man darauf baue, Mossack könnte sich womöglich früher oder später hierzulande einem Verfahren stellen. Denn ein Teil der Familie des 72-Jährigen lebt noch in Deutschland. Außerdem würde er damit einem Verfahren in den USA zuvorkommen - dort ermittelt offenbar das FBI gegen Mossack Fonseca. Sollte ihm in Deutschland der Prozess gemacht werden, würden ihn die USA wohl nicht mehr wegen derselben Vorwürfe verurteilen. In den USA könnten die Strafen wesentlich höher ausfallen. In Deutschland könnte Mossack einem längeren Gefängnisaufenthalt aufgrund seines hohen Alters entgehen.
Die Kanzlei Mossack Fonseca existiert heute nicht mehr. Mossack und Fonseca haben eine Anfrage nicht beantwortet.
BKA erwarb Datensatz
Das Bundeskriminalamt hatte vor einigen Jahren nach eigenen Angaben einen Datensatz gekauft, der wohl identisch ist mit den Unterlagen, die den Journalisten zugespielt worden waren. Woher die Ermittler die Informationen haben, ist nicht bekannt. NDR, WDR und SZ haben keine Daten verkauft oder an die Polizei übergeben. Im Zuge der aus dem Datensatz erwachsenen Ermittlungen waren bereits 2018 zwei Mitarbeiter von Mossack Fonseca - ebenfalls deutsche Staatsbürger - festgenommen worden, einer in Frankreich und einer in Norddeutschland. Beide sollen dem Vernehmen nach ihre ehemaligen Chefs belastet haben.
Auch gegen einen in Deutschland lebenden nahen Verwandter von Mossack ermittelt die Polizei. Der Mann soll eine Briefkastenfirma über die Kanzlei in Panama angemeldet und nicht in seiner Steuererklärung aufgeführt haben. Im Zuge der Ermittlungen wurde nach Informationen von NDR, WDR und SZ im Oktober ein Wohnhaus in Hessen durchsucht.