Krieg gegen die Ukraine Ermittlungen gegen deutschen Kämpfer
Der Deutsche Alexander F. soll in der Ukraine auf russischer Seite gekämpft haben. Nun ermittelt die deutsche Justiz gegen ihn. Es ist der erste Fall dieser Art seit Ausbruch des russischen Angriffskrieges.
Er habe plötzlich das Gefühl gehabt, nun kämpfen zu müssen. So hatte es Alexander F. im Interview mit dem ZDF erzählt. Im Jahr 2015 zog der Deutsche, der in der Ukraine geboren wurde, damals in Frankfurt am Main lebte, schließlich in den Krieg. Das war nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und dem Aufflammen der Kämpfe in der Ostukraine im Jahr 2014.
Alexander F. soll sich damals den dortigen pro-russischen Kampfverbänden angeschlossen und mehrfach an Gefechten teilgenommen haben. Welchen Streitkräften er genau angehörte, beantwortete er auf Anfrage nicht. Auch im vergangenen Jahr, als Russland den umfassenden Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, soll F. auf russischer Seite gekämpft haben. Unter anderem soll er sich am Kampf um Mariupol beteiligt haben. Es gibt Bilder von ihm, die ihn in Kampfmontur zeigen. Bis zum Oktober 2022, dann geriet der Deutsche in ukrainische Kriegsgefangenschaft, wovon im Internet auch Videos kursierten.
Bei Gefangenenaustausch freigekommen
Mehrere Wochen wurde Alexander F. festgehalten, er sprach in dieser Zeit mit deutschen Medien und bekam Besuch von deutschen Diplomaten. Mittlerweile ist der 41-jährige Deutsche jedoch im Zuge eines Gefangenenaustauschs zwischen der Ukraine und Russland freigekommen. Im Januar dieses Jahres soll er gemeinsam mit russischen Soldaten und Kämpfern nach Moskau gebracht worden sein und trat im dortigen Fernsehen auf. Dort war er mit anderen Kämpfern in Uniform vor einem russischen Militärflugzeug zu sehen.
Nach Recherchen von WDR und NDR beschäftigen sich mittlerweile die deutschen Strafverfolgungsbehörden mit seinem Fall. Schon im vergangenen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ein Ermittlungsverfahren gegen Alexander F. eingeleitet. Im Februar wurden die Akten schließlich dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe vorgelegt, der den Fall inzwischen übernommen hat, sich dazu aber nicht äußern möchte.
Angst vor Strafverfolgung
Alexander F., mit dem NDR und WDR per Chat sprachen, wollte Ermittlungen gegen ihn nicht kommentieren. In einem früheren Chat mit einer anderen Person hatte er ausrichten lassen, in den Donbass zurückkehren zu wollen. Ein AfD-naher Verein und ein AfD-Bundestagsabgeordneter hatten sich zuvor bei der russischen Menschenrechtskommissarin dafür eingesetzt, dass Alexander F. auf dessen Wunsch per Gefangenenaustausch nach Moskau gebracht wird, auch weil dieser in Deutschland Angst vor Strafverfolgung habe.
Der Generalbundesanwalt ermittelt nun gegen F. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Strafgesetzbuch). Dieser Paragraph, von Ermittlern auch "Terrorcamp-Paragraph" genannt, wurde hierzulande nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA geschaffen, um terroristische Vorbereitungshandlungen strafrechtlich verfolgen zu können - etwa die Ausbildung an Waffen und Sprengstoffen in terroristischen Ausbildungslagern oder die Vorbereitung zum Bau einer Bombe. Bislang wurden insbesondere islamistische Terroristen, die Anschläge in Deutschland planten, gemäß § 89a Strafgesetzbuch verurteilt.
Individueller Nachweis für Kriegsverbrechen
Für die Strafverfolger stellen Kämpfer, die sich in den vergangenen Jahren pro-russischen Milizen in der Ostukraine angeschlossen haben, eine gewisse juristische Herausforderung dar. Denn die Kampfverbände und Separatistengruppen, die im Donbass im Sinne Russlands agieren, sind in Deutschland nicht als terroristische Vereinigungen eingestuft.
Das bedeutet, der Generalbundesanwalt muss für jeden Einzelfall bislang eine Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium einholen. Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen könnten seitens der deutschen Justiz immer verfolgt werden, müssten jedoch individuell nachgewiesen werden.
Wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Kampf um Mariupol, das im Mai 2022 von Streitkräften Russlands eingenommen wurde, könnte die deutsche Justiz dies im Fall von Alexander F. prüfen.
Der Fall von Alexander F. ist offenbar der erste Fall seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs im Februar 2022, in dem der Generalbundesanwalt gegen einen Kämpfer ermittelt.
Zwei Kämpfer verurteilt
Allerdings gab es einige ähnlich gelagerte Fälle, die sich während der Kampfhandlungen in der Ostukraine nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 ereignet hatten. In den vergangenen Jahren kam es dabei bereits zwei Mal zu Verurteilungen von Kämpfern, die auf russischer Seite in der Ukraine gekämpft haben.
So verurteilte das Landgericht München I im Februar 2019 den Deutsch-Russen Sergej K. zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis, weil er sich im August 2014 zunächst in St. Petersburg einer russischen Miliz angeschlossen und später in der Ostukraine an Kämpfen teilgenommen habe.
Im Juli 2019 wurde ein in Kirgistan geborener Deutscher vom Landgericht Dortmund zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte im Prozess gestanden, sich 2014 bis 2016 einer Miliz der sogenannten "Volksrepublik Donezk" angeschlossen zu haben, jedoch konnte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten keine konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen nachweisen.