Verein mit AfD-Bezügen Gemeinsam für Russland
Politiker der AfD betreiben in einem Verein pro-russische Propaganda - woher die Gelder stammen, ist unklar. Mit dabei: ein Mann, der im Fokus der Sicherheitsbehörden stehen soll.
Deutsche Sicherheitsbehörden prüfen neue Verbindungen zwischen Moskau und der AfD. Nach Informationen von NDR und WDR interessieren sie sich sehr für den pro-russischen Schriftsteller Wladimir Sergijenko.
Der in Berlin lebende und aus der Ukraine stammende Autor und Journalist soll sehr enge Verbindungen nach Moskau pflegen. Im Juni hat er mit aktiven und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten einen Verein in Chemnitz gegründet, der auch pro-russische Propaganda betreibt. Auf Anfrage wollte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu dem Fall äußern.
AfD-Funktionäre als Mitgründer
Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehören laut Unterlagen des Vereinsregisters unter anderem der stellvertretende Bundesschatzmeister der AfD, Harald Weyel, der AfD-Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme und die Landesparlamentarier Olga Petersen aus Hamburg sowie Gunnar Lindemann aus Berlin.
Der Verein Vadar e.V. vertritt immer wieder russische Positionen. Er setzt sich unter anderem gegen die angebliche Diskriminierung russischsprechender Menschen in Deutschland ein, wie es offiziell im Vereinszweck heißt. Das Portal "T-Online" hatte zuerst über die Arbeit des Vereins berichtet.
Juristische Hilfe für pro-russische Influencerin
Vadar ist inzwischen vielfältig aktiv: So finanzierte der Verein nach eigenen Angaben die rechtliche Vertretung der pro-russischen Influencerin Alina Lipp, gegen die in Deutschland ermittelt wird, weil sie in sozialen Medien den russischen Angriffskrieg und damit Straftaten gebilligt haben soll. Lipp ließ eine Anfrage bislang unbeantwortet.
Vadar unterstützt weiterhin einen Mann aus Frankfurt am Main, der sich in ukrainischer Kriegsgefangenschaft befindet. Er hat freiwillig für Russland gekämpft und wirft nun der Ukraine Folter vor.
Der Verein und seine Akteure zeigen auch auf einem Telegramkanal mit etwa 6000 Abonnenten deutlich, wofür sie sich einsetzen und was sie unter Diskriminierung verstehen: etwa den Buchstaben "ZC als Symbol der Russen für den Angriffskrieg gegen die Ukraine in Deutschland nicht verwenden zu dürfen.
Vadar-Mitglieder selbst bezeichnen sich als Menschenrechtsaktivisten, verharmlosen in vielen Äußerungen jedoch den russischen Angriffskrieg. Auf Anfrage bestreiten die AfD-Funktionäre Petersen und Lindemann, russische Propaganda zu betreiben. Die anderen genannten Mitglieder ließen eine Anfrage unbeantwortet.
Finanzierung offenbar verschleiert
Wie der Verein sich finanziert und über welche Mittel er verfügt, ist bisher unbekannt, denn er verschleiert dies offenbar gezielt: WDR und NDR liegt das Gründungsprotokoll des Vereins vor. Diesem zufolge können Spender bis zu einem Betrag von 10.000 Euro anonym bleiben.
Der Schatzmeister des Vereins muss erst über den Spendernamen und die Herkunft des Geldes informiert werden, wenn diese Schwelle überschritten ist. Das heißt: Gelder jeglicher Herkunft könnten bis zu dieser Schwelle anonym in die Kasse des Vereins fließen - auch aus dem Ausland.
Kommen Gelder aus Moskau?
Mögliche Spuren führen dabei direkt nach Moskau. Für Spendenaufrufe nutzt der Verein nämlich das Konto eines "Instituts", das an derselben Adresse gemeldet ist, an der Vadar 2021 gegründet wurde. Dessen Mitgründer sind der damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme sowie wiederum Wladimir Sergijenko - der in Berlin lebende Schriftsteller und Vereinsmitgründer.
Zudem gehört zu den Köpfen des Chemnitzer Instituts ein Mann aus Moskau. Oleg Slobodchikov leitet als Rektor in der russischen Hauptstadt eine Universität, die der kürzlich verstorbene Ultranationalist Schirinowski gegründet hat und hinter der offenbar dessen Partei steht.
Auf Anfrage wollte sich Slobodchikov nicht äußern. Er rangiert laut Chemnitzer Handelsregister als Mitgesellschafter des Instituts, das sich in Oehmes privaten Wohn- und Geschäftshaus befindet. AfD-Politiker Oehme und Sergijenko sind zudem Ehrenprofessoren der Moskauer Uni.Oehme bestreitet, dass der Verein Geld aus Russland bekomme. Der Verein stehe auch nicht in Kontakt mit russischen Behörden, wohl aber mit der Menschenrechtsbeauftragten der Duma sowie mit dortigen Anwälten
Vereinsvertreter reiste oft nach Russland
Nicht nur die Nähe des Vereins und des Instituts zu Russland sind fragwürdig. Oehme, der inzwischen als Mitarbeiter bei einem AfD-Bundestagsabgeordneten angestellt ist, war in den vergangenen Jahren immer wieder durch regelmäßige Russlandreisen und -kontakte aufgefallen.
2018 etwa war Oehme auf Kosten der russischen Staatsduma zu einem Referendum auf die von Russland völkerrechtswidrig besetzte Krim gereist und hatte den Ablauf der Parlamentswahlen gelobt. Seit Jahren setzt er sich gegen Russland-Sanktionen ein. Solche und andere durch eine russische Sicht gefärbte Narrative verbreitet er auf Facebook und über den Messengerdienst Telegram.
"Direktor für internationale Beziehungen" in Versicherungsagentur
Zwischen ihm und dem möglichen Mittelsmann Sergijenko gibt es noch eine weitere, seltsame Verbindung. Oehme ist Unternehmer. In seiner Versicherungsagentur - wiederum an derselben Adresse, an der auch Vadar und das sogenannte Institut gemeldet sind - soll Sergijenko inzwischen als "Direktor für internationale Beziehungen” arbeiten, so ist es zumindest auf der Firmenhomepage zu lesen. Sergijenko übe diese Funktion ehrenamtlich aus, so Oehme.
Dazu, welche Rolle er genau für den Verein Vadar einnimmt, antwortete Sergijenko im Interview mit NDR und WDR nur zögerlich. Er bringe dem Verein neue Fälle, sagte er. Er soll sich nach Informationen von WDR und NDR auch für einen Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine eingesetzt haben, den der Verein offenbar auch mithilfe von AfD-Bundestagsabgeordneten vorantreiben wollte. Zu diesem Vorhaben wollte sich Sergijenko jedoch nicht äußern.
PEN International empört
In Russland tritt Sergijenko regelmäßig in einer der bekanntesten Propaganda-Talkshows auf. Seine Äußerungen zum Ukrainekrieg haben bereits zu einem Eklat in der internationalen Schriftstellerszene geführt. Sergijenko war bis vor Kurzem Präsident eines russischen Ablegers der Schriftstellervereinigung PEN International. Die hat die Mitgliedschaft des russischen PEN mittlerweile ausgesetzt. Auslöser seien die Talkshow-Äußerungen von Sergijenko, wie PEN International auf Anfrage von NDR und WDR mitteilte.
PEN-Generalsekretärin Regula Venske sagte, Sergijenko habe "eindeutig Propaganda für Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine" betrieben. Sinngemäß habe er die Ukraine mit einem Splitter verglichen, der aus dem Körper Europas herausgezogen werden müsse. Weiterhin habe der Autor die Zerstörung der Stadt Lwiw gefordert und in diesem Sinne wirklich Propaganda im Sinne des Angriffskriegs betrieben", so die Generalsekretärin. "Das geht in keinem Fall in Zusammenklang mit der PEN Charta."
Mit dem Vorwurf konfrontiert gibt Sergijenko an, als Präsident des russischen PEN zurückgetreten zu sein und bestreitet im Interview, russische Narrative und Propaganda zu verbreiten. Er setze sich für Menschenrechte und den Frieden ein. Eine weitere schriftliche Anfrage ließ er unbeantwortet.
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Artikels hat es geheißen, laut Frau Venske habe der Autor Wladimir Sergijenko die Zerstörung der Hauptstadt Kiew gefordert. Richtig heißt es: Laut Frau Venske habe der Autor die Zerstörung der Stadt Lwiw gefordert.