Neues Bundesdatenschutzgesetz Noch mehr Macht für die Schufa?
Sie ist bereits die größte Wirtschaftsauskunftei Deutschlands: die Schufa. Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz könnten sie nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung ungeahnt noch mächtiger machen.
Anfang Februar haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke den Regierungsentwurf für das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorgelegt. Darin wird auch das sogenannte Scoring neu geregelt. Mit einem Scoring-System bewerten Auskunfteien wie die Schufa die Bonität, also die Zahlungsfähigkeit von Kunden.
Ist ein Score gut, können Menschen auf einen Kredit hoffen. Ist er schlecht, gibt es den Kredit meist nicht oder nur zu schlechteren Konditionen. Für die Berechnung solcher Bonitätsnoten sollen künftig bestimmte, seit langem umstrittene Datenkategorien ausgeschlossen werden: Informationen aus Sozialen Medien, Zahlungsein- und ausgänge auf Bankkonten und auch Anschriftendaten.
Es ist ein Schritt, den Verbraucherschützer sehr begrüßen. Denn die Kreditwürdigkeit eines Menschen von seiner Adresse abhängig zu machen, sei diskriminierend und unfair. So würden zum Beispiel Bewohner in einem Villenviertel besser bewertet als andere, die in einem Viertel mit vielen Hochhäusern wohnen.
Vorteil Schufa
Doch das Verbot von Anschriftendaten könnte Folgen haben, die die Bundesregierung womöglich nicht bedacht hat: Für die Schufa-Konkurrenten Crif, Boniversum und Infoscore Consumer Data spielen die Adressdaten der Verbraucherinnen und Verbraucher eine zentrale Rolle. Das lässt sich auch aus ihren Unternehmenswebseiten erschließen. Dort beschreiben sie, wie sie ihre Scores berechnen.
Die Schufa dagegen schreibt auf ihrer Webseite, Adressdaten "lediglich in wenigen Ausnahmefällen" zu nutzen. Denn sie hat eine Fülle von aussagekräftigen Informationen über Verbraucherinnen und Verbraucher, die sie von Banken und Sparkassen bekommt. Diese Daten hat die Schufa exklusiv, weil die Kreditinstitute Miteigentümer der Schufa sind. Durch das geplante Verbot, Anschriftendaten in die Scoring-Berechnung einfließen zu lassen, könnte die Schufa also ihre Marktmacht weiter ausbauen, eine Vorstellung, die jetzt auch Verbraucherschutz und Politik aufschreckt.
Datenschützer sehen Dilemma
Das neue Gesetz führe zu einem Dilemma, meint Carmen Wegge von der SPD, Datenschutzexpertin und Mitglied im zuständigen Innenausschuss des Bundestages. Sie sagt: "Ich möchte nicht, dass die Schufa ein Monopol hat in Deutschland." Zugleich sei sie aber auch dagegen, dass andere Auskunfteien "mit einem diskriminierenden Score das Leben von Menschen in diesem Land wirtschaftlich negativ beeinflussen".
Auch Christine Steffen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen äußert sich skeptisch: "Es wäre auf jeden Fall eine bedenkliche Entwicklung." Immerhin habe die Schufa in der Vergangenheit immer wieder Dinge ausprobiert, "die datenschutzrechtlich nicht ganz sauber waren oder wo man Bauchschmerzen hatte".
Auch aus Sicht des Marktes könnte eine noch mächtigere Schufa nachteilig sein, meint Indra Spiecker, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Frankfurt. "Wenn ich einen großen Anbieter habe, dann habe ich immer das Problem, dass er in der Regel die Marktbedingungen diktieren kann." Das führe oft zu ungünstigen Wettbewerbsbedingungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Wichtig sei nun, das System der Verbraucherbewertungen transparenter zu machen und die Qualität der Scores besser zu sichern. "Wir können nicht stehenbleiben bei dem, was wir jetzt haben."
Verabschiedung des Gesetzes im Sommer
Tatsächlich stelle man sich im Bundestag nun auch die Frage, welche Maßnahmen es über den Gesetzentwurf hinaus noch geben könnte, um die Datenqualität sicherer zu machen, sagt die SPD-Abgeordnete Wegge. So könne man unabhängige Zertifizierungen für Verbraucherbewertungen einführen.
Bislang konnten Schufa und Co. eigene Gutachter beauftragen, die die Wissenschaftlichkeit ihrer Scores bestätigten. Die Gutachten mussten nur der örtlich zuständigen Landesdatenschutzbehörde vorgelegt werden. Verbraucher erhielten mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse keinen Einblick.
Das neue Bundesdatenschutzgesetz soll im Sommer verabschiedet werden. Bis dahin dürfte es Politik und Verbraucherschutz weiter beschäftigen. Die Schufa erklärt, sie gehe davon aus, dass es auch in Zukunft einen "Wettbewerb um die beste Lösung zum besten Preis" geben werde. Ihre drei größten Mitbewerber äußerten sich auf Anfrage dazu nicht konkret. Die Auskunftei Crif schreibt lediglich, man wolle das Gesetzgebungsverfahren abwarten.