Blutplasma-Handel Blut aus Mexiko auch für Deutschland
Mehr als ein Jahr war es verboten - nun hat ein US-Gericht entschieden, dass Mexikaner ihr Blutplasma wieder in den USA verkaufen dürfen. Das Plasma wird auch in Deutschland zu Medikamenten verarbeitet.
Der Spendentourismus an der US-Mexikanischen Grenze darf seinen Betrieb wieder aufnehmen - zum ersten Mal ganz offiziell und legal. Das hat ein US-Gericht in Washington entschieden. Die schriftliche Begründung liegt dem NDR und der Rechercheorganisation ProPublica vor.
Mehr als 30 Jahre lang hatten Pharmafirmen in den USA Mexikaner über die Grenze gelockt, um sie gegen Geld zur Spende ihres Blutplasmas zu animieren. Vor einem Jahr hatte dies die amerikanische Grenzschutzbehörde verboten. Einem Antrag der Pharmafirmen CSL Behring und Grifols auf eine einstweilige Verfügung zur Wiedereröffnung der Grenze für Blutspender wurde nun stattgegeben, und der Blutplasma-Handel an der Grenze damit faktisch legalisiert - zumindest vorläufig.
Die USA sind der weltweit größte Produzent und Exporteur von Blutplasma, denn nur dort dürfen Spender bis zu 104 Mal im Jahr ihr Blutplasma verkaufen. Deutschland erlaubt maximal 60 Spenden im Jahr, importiert aber dennoch Plasma aus den Vereinigten Staaten. Große Pharmafirmen verarbeiten das Plasma hier weiter - für den inländischen Markt und den erneuten Export. Im Jahr 2020 etwa gelangten rund 5,5 Millionen Liter Blutplasma aus den USA nach Deutschland, auch aus der Grenzregion zu Mexiko. Aus Blutplasma lassen sich Arzneien gegen chronische Immunerkrankungen, zur Krebstherapie und für die Notfallmedizin herstellen.
Pharmafirmen an der Grenze angesiedelt
Seit mehr als 30 Jahren siedeln europäische und amerikanische Pharmafirmen an der Grenze, um Blutplasma von Mexikanern zu kaufen, stellte auch das US-Gericht jetzt fest. Ein Angebot, das im Jahr 2019 mindestens 10.000 Mexikaner pro Woche angenommen haben, wie Reporter von SWR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) nach einer Analyse firmeninterner Dokumente zeigten.
Die Pharmafirmen profitieren dabei zum einen vom Wohlstandsgefälle an der Grenze, außerdem ist die bezahlte Plasmaspende in Mexiko verboten. Der Grenzübertritt zu diesem Zweck war für mexikanische Spender bislang heikel. Die amerikanische Grenzschutzbehörde bezeichnete ihn bis zum Verbot im Jahr 2021 als "Graubereich" - Mexikaner liefen Gefahr, ihr US-Visum zu verlieren oder sogar verhaftet zu werden.
Gamaliel, ein ehemaliger Blutplasma-Spender aus der mexikanischen Ciudad Juárez sagte dem NDR und ProPublica: "Endlich können wir ohne Angst die Grenze überqueren. Das war immer ein großes Risiko". Dennoch würde er nur dann selbst wieder spenden, wenn er in eine finanzielle Notsituation kommen würde - zu groß sei sein Respekt vor möglichen Langzeitfolgen beim Dauerspenden.
Pharmafirma bedankt sich
In ihrer Begründung zitierte die Richterin Tanya Chutkan vom U.S. Bezirksgericht in Washington Studien, die diese negativen Folgen für Spender beleuchten. Sie wies damit ein vorgebrachtes Argument der Pharmafirmen zurück, die mexikanische Spender mit Kurieren verglichen, die Laborproben über die Grenze bringen: "Wie die Kuriere bringen ja auch die Spender eine Substanz über die Grenze, die ihren 'Ursprung in Mexiko' hat", formulierten es die Anwälte der Pharmafirmen CSL und Grifols in den Gerichtsunterlagen.
"Der Vergleich ist nicht überzeugend", erwiderte die Richterin in ihrer Entscheidung. "Eine Person ist mehr als ein Einkaufswagen biologischer Produkte, die man kaufen und später verkaufen kann." Dennoch gab sie den Firmen aufgrund anderer Argumente Recht - diese hätten den Schaden belegt, der ihnen durch das Verbot des Grenzübertritts für mexikanische Spender entstehe.
"Diese Entscheidung erkennt die kritische Bedeutung von Plasma bei der Produktion lebensrettender Medikamente für Hunderttausende Menschen an. Wir freuen uns sehr, mexikanische Spender wieder in unseren Zentren begrüßen zu dürfen", so ein Sprecher von CSL Behring in den USA. Ein Sprecher von Grifols sagte: "Diese Entscheidung ist eine gute Nachricht für die Patienten in den USA und weltweit, die auf diese Medikamente angewiesen sind".
Pharmafirmen müssen ihre Zentren wieder vorbereiten
Die Pharmafirmen müssen ihre Zentren entlang der Grenze nun wieder auf eine große Zahl Spender vorbereiten - zwischenzeitlich waren Öffnungszeiten reduziert und Mitarbeiter entlassen worden. Auf Facebook schrieb Grifols, dass die Firma an manchen Grenzorten ab sofort Busse einsetzen werde, um Mexikanische Spender direkt an der Grenze abholen zu können. Aus Brownsville, Texas, kursieren bereits Bilder, die mexikanische Spender im Dunkeln zeigen sollen.
Ob die Entscheidung des US-Gerichts nun Bestand hat, ist offen. Die amerikanische Grenzschutzbehörde könnte Widerspruch einlegen. Auf NDR-Anfrage wollte sie sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht dazu äußern.
Die Gerichtsunterlagen hatten gezeigt, wie groß das Ausmaß des bezahlten Spendentourismus an der amerikanisch-mexikanischen Grenze war: Das Plasma mexikanischer Blutspender machte vor dem Verbot bis zu zehn Prozent der insgesamt produzierten Mengen in den Vereinigten Staaten und sechs Prozent der weltweiten Plasmaspenden aus.