SPD-Kandidatin in MVP Hochstaplerin oder Putins Gesandte?
Dubiose Vorgänge in Mecklenburg-Vorpommern: Eine ehemalige SPD-Landtagskandidatin hat laut NDR-Recherchen drei verschiedene Namen benutzt. Die CDU vermutet Lobbyismus für Russland hinter der Geschichte, die russische Botschaft dementiert.
Gayane Kirakosjan, Gayane Werk, Diana Werk - gerne auch jeweils mit einem Doktortitel davor: Unter diesen wechselnden Namen traf sich die Frau armenischer Herkunft mit einem Millionär auf Mallorca, sammelte Selfies mit Bundespolitikern, war erst in der CDU und dann in der SPD aktiv, kandidierte für Parteiposten und schließlich für den Landtag in Schwerin.
Gleichzeitig postete sie in ihrem privaten Facebook-Account Geburtstagsgrüße an den russischen Außenminister Sergej Lawrow und verbreitete Statements von Wladimir Putin. Nach den NDR-Recherchen dazu verzichtete sie auf ihre Position als Nachrückerin für das Landesparlament.
Lobbyistin für Putin?
Völlig zu Recht, meint die Innenexpertin der Grünen im Landtag, Constanze Oehlrich: "Frau Kirakosjan, so nenne ich sie jetzt mal, hat sich ja offenbar positiv geäußert zu russischen Machthabern, zu Präsident Putin, und es ist nun mal so, dass die russische Föderation einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt." Der Oberbefehlshaber der russischen Truppen sei nun aber mal Putin. Und wer sich positiv dazu äußere, "äußert sich positiv zu Verbrechern", so Oehlrich.
Für Sebastian Ehlers, den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, ist die Affäre mit dem Rücktritt von Kirakosjan nicht erledigt: "Entweder wir haben es hier mit einer Hochstaplerin zu tun oder mit einer, die von Wladimir Putin ins Land geschickt wurde, um hier Lobbyismus im russischen Sinne und andere Dinge zu tätigen."
Ein Millionär und der Botschaftsposten
Tatsächlich legen NDR-Recherchen die Vermutung einer Lobbyisten-Tätigkeit nahe. Der Immobilienmillionär und Reality-TV- Darsteller Karl-Heinz Richard von Sayn-Wittgenstein berichtete gegenüber dem NDR, dass er Gayane Kirakosjan in seiner Villa auf Mallorca vor gut acht Jahren kennengelernt habe. Sie habe sich ihm als Fan und unter dem Namen Dr. Diana Werk vorgestellt. 2019 traf er sie dann in Berlin erneut, Kirakosjan habe ihm damals einen "Botschaftsposten für Armenien, Russland und ein drittes osteuropäisches Land" angeboten. Er habe damals gedacht, die "Frau hat einen an der Murmel", so Sayn-Wittgenstein. Er habe abgelehnt. In seinem Telefonbuch steht sie bis heute als "Dr. Diana Werk, Russische Botschaft".
Der NDR stellte bei der Russischen Botschaft in Berlin eine Anfrage, ob ihnen eine Frau Werk oder Kirakosjan bekannt ist und ob sie womöglich für die Botschaft arbeitet. Von dort hieß es nur, dass eine solche Person nicht für die Botschaft arbeite, ob es irgendwelche Kenntnisse zu ihr gebe, wurde nicht beantwortet.
Drang zu Geld, Macht und Einfluss
Gayane Kirakosjan trat 2014 als Gayane Werk in die CDU ein, 2015 wurde sie in Schwerin in den Vorstand der "Frauenunion" des Kreisverbandes gewählt, allerdings wieder unter dem Namen Diana Werk. Einen Personalausweis müsse man bei einem Parteieintritt nicht vorlegen, heißt es dazu aus der Union.
Immer wieder habe sie Kontakt zu prominenten Politikern gesucht, auch zu Angela Merkel, bestätigte CDU-Politiker Ehlers dem NDR. Eine landespolitische Karriere machte sie bei den Christdemokraten aber nicht. Anfang 2017 trat Kirakosjan aus der CDU aus - und im selben Jahr in die SPD ein.
Karriere in der neuen Partei
Erstaunlicherweise schien es in der CDU niemanden misstrauisch zu machen, als sie später für die Sozialdemokraten unter dem Namen Gayane Kirakosjan kandidierte - nur das Tempo ihres Aufstiegs dort löste Verwunderung aus. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion stellte dazu fest, dass Kirakosjan "auf einem sehr guten Listenplatz zur Landtagswahl gelandet ist, der aussichtsreich war. Sie ist vor gestandenen Landtagsabgeordneten und erfahrenen Kommunalpolitikern gelandet, insofern wird da Unterstützung von Frau Schwesig gewesen sein." Ohne diese Unterstützung, so Ehlers, sei der gute SPD-Listenplatz nicht möglich gewesen.
Ein schriftliches Statement der SPD-Landesvorsitzenden Schwesig zum Fall Kirakosjan gibt es nicht. Sie "befindet sich immer noch in der Genesungsphase nach ein einem großen operativen Eingriff", so Steffen Wehner, der Landesgeschäftsführer der Sozialdemokraten. Kirakosjans Aussagen in den Sozialen Medien seien "befremdlich", so Wehner. Sie ist aber weiter Mitglied der SPD.
Eine Quelle in der SPD hatte dem NDR gesagt, dass Schwesig "ihre Hand über Kirakosjan gehalten" und sie persönlich in die Partei geholt habe. SPD-Landesgeschäftsführer Wehner erklärte dazu: "Nach eigener Aussage sprach Frau Kirakosjan Frau Schwesig am Rande einer öffentlichen Veranstaltung an und erzählte, dass sie überlege, in die SPD einzutreten. Frau Schwesig habe sie, so Frau Kirakosjan, in diesem Rahmen ermutigt, sich zu engagieren." Eigene Erkenntnisse dazu lägen nicht vor.
SPD geht auf Abstand
Bei der SPD weiß niemand wirklich etwas über die mysteriöse Frau. Auch nicht, ob Kirakosjan eigentlich wirklich einen Doktortitel besitzt. Von SPD-Landesgeschäftsführer Wehner heißt es dazu, dass auf den Wahlunterlagen, die sie eingereicht habe, kein Titel angegeben sei. SPD-Politiker wie Landesinnenminister Christian Pegel oder der Wismarer Bundestagsabgeordnete Frank Junge geben auf NDR-Anfrage an, Kirakosjan nur entfernt von Parteiveranstaltungen zu kennen. Pegel antwortet uns schriftlich: "Vertiefte Kontakte, die mir eine Einschätzung ihrer Person erlaubten, erinnere ich nicht."
CDU-Fraktionsgeschäftsführer Ehlers fordert Transparenz von den Sozialdemokraten und beruft sich dabei auf eigene anonyme Quellen: "Wenn bekannt war in der SPD, dass sie als Lobbyistin Russlands und auch Weißrusslands tätig war - so höre ich es aus der SPD - dann muss das ja mal hinterfragt worden sein." Ehlers erwartet eine Erklärung von den Sozialdemokraten, warum Kirakosjan so weit vorne auf der Liste gelandet ist.
Auf einen Fragenkatalog des NDR antwortete Gayane Kirakosjan nicht.