Krise beim rbb Brief von Woidke sorgt für Irritationen
Mit einer schriftlichen "Bitte" hat Brandenburgs Regierungschef Woidke versucht, Einfluss auf den rbb-Verwaltungsrat zu nehmen. Medienpolitiker werfen ihm vor, die Unabhängigkeit der Gremien infrage zu stellen. Die rbb-Personalratsvorsitzende hält das Schreiben für "dreist".
Der Brief ist inklusive Anrede acht Zeilen lang, unterzeichnet von Brandenburgs Ministerpräsident "Dr. Dietmar Woidke": Er wäre den Verwaltungsräten des Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) dankbar, wenn diese die Hinweise der Rechnungshöfe zur Deckelung des Gehalts künftiger rbb-Intendantinnen und -Intendanten bei der "anstehenden Neubesetzung" der Stelle "prüfen und berücksichtigen" würden.
Angeblich, so der SPD-Politiker weiter, beabsichtigten Berlin und Brandenburg, die Gehälter von Intendantinnen oder Intendanten beim rbb zukünftig zu deckeln. Die Rechnungshöfe hatten hierfür um die 177.000 Euro vorgeschlagen. Schließlich sei es ein Job ohne wirtschaftliche Risiken. Dafür jedoch müsste der Staatsvertrag geändert werden.
Der Brief, der rbb24 Recherche und dem NDR vorliegt, ist handschriftlich auf den 8. Juni datiert und ging am Nachmittag beim rbb ein. Zu dieser Zeit tagte der Rundfunkrat und hörte sich die Bewerbungsreden der Kandidatinnen und des Kandidaten an.
Bitte als "Dekret"?
Rundfunkratsmitglied Christian Goiny, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kritisierte Woidke für das Schreiben scharf. Für Goiny ist dies ein Eingriff in die Unabhängigkeit des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Der Verwaltungsrat ist das Gremium, das den Vertrag mit der Intendantin oder dem Intendanten abschließt und die Bedingungen aushandelt. Der Brief Woidkes sei "geeignet, das Vertrauen in die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beschädigen", so Goiny auf Anfrage.
Auch wenn das Schreiben als "Bitte" formuliert sei, gehe aus ihm doch hervor, dass der Ministerpräsident erwarte, dass dieser Bitte entsprochen werde, so Goiny weiter: "Überspitzt kann man sagen, Ministerpräsident Woidke weist den Verwaltungsrat per Dekret an, wie er sich bei der aktuellen IntendantInnenwahl verhalten soll. Dieses Vorgehen ist nicht durch den Rundfunkstaatsvertrag gedeckt."
Sabine Jauer, Mitglied der Findungskommission und Vorsitzende des rbb-Personalrats, hält das Schreiben für "dreist" und einen eindeutigen "Verstoß gegen die Unabhängigkeit des rbb und das Gebot der Staatsferne." Mit dem Verweis auf die Empfehlungen der Rechnungshöfe umgehe Woidke zudem "die politische Debatte in den Parlamenten von Brandenburg und Berlin", die letztlich über Änderung im Staatsvertrag entscheiden müssen.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und zugleich medienpolitische Sprecherin der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus, Melanie Kühnemann-Grunow, forderte, die "Unabhängigkeit der Organe des rbb" unbedingt zu respektieren. Das laufende Auswahlverfahren für die Besetzung der Intendanz habe "absoluten Vorrang". Es gelte, "politisch keinen Einfluss zu nehmen".
Woidke lässt Kritik zurückweisen
Woidkes Sprecher Florian Engels wies nach Veröffentlichung des Artikels die Kritik an dem Brief zurück. Woidke habe sich mehrfach für eine Begrenzung des Intendantengehalts eingesetzt. Dies solle auch in der Neuregelung des Staatsvertrags berücksichtigt werden. Das Schreiben stelle nach seiner Ansicht "entgegen anderslautender Behauptungen … keine Einmischung in die Rundfunkfreiheit" dar. "Ein Auseinanderfallen des jetzt zu vereinbarenden Gehalts mit der beabsichtigten Neuregelung im Staatsvertrag dürfte in der Öffentlichkeit auf wenig Verständnis stoßen."
Die Berliner Senatskanzlei äußerte sich nicht direkt zu dem Schreiben. Allerdings verwies die Pressestelle darauf, dass man für starke Gremien und eine zügige Novellierung des Staatsvertrags eintrete. Dabei sollen die Hinweise der Rechnungshöfe zu den Gehaltsfragen beachtet und die parlamentarischen Gremien einbezogen werden, dies in enger Abstimmung mit dem Bundesland Brandenburg.
Wer bestimmt, wie hoch das Gehalt sein darf?
Am 8. Juni hatten sich die Bewerberinnen und der Bewerber um den höchsten Job im Sender im Rundfunkrat vorgestellt. Vorausgegangen war eine Diskussion, wer überhaupt zur Wahl für die rbb-Intendanz am 16. Juni zugelassen wird. In der ursprünglichen Ausschreibung hatte es zunächst keine Angaben zu einer möglichen Deckelung des Gehalts gegeben. Doch während der Bewerbungsgespräche soll dies zum Thema geworden sein - der Bewerber Jan Weyrauch war zunächst aus dem Rennen. Dieses Verfahren stieß jedoch auf Kritik und der "aussortierte" Kandidat wurde kurzfristig wieder eingeladen.
Damit standen Ulrike Demmer, Journalistin und ehemalige stellvertretende Regierungssprecherin, Heide Baumann, zuletzt Mitglied der Geschäftsführung von Vodafone sowie Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales bei ARD-aktuell und Redaktionsleiterin von tagesschau.de bereit. Und eben Jan Weyrauch, Programmdirektor von Radio Bremen.
Woidke hatte indes schon im Januar mitgeteilt, was er sich für die Besetzung des Spitzenjobs wünsche: einen Menschen mit Ost-Hintergrund. Zugleich gilt für die Wahl aber das Prinzip der Bestenauslese, an das sich die Räte bei ihrer Entscheidung halten müssen - solange im Gesetz nichts anderes steht.
Dabei kochten die Diskussionen um die Höhe der Gehälter für die Intendanten von ARD und ZDF, die schon länger anhalten, nach der Affäre um die Ex-rbb-Intendantin Patricia Schlesinger wieder hoch und halten seitdem an.
Rechnungshöfe fordern Reform der Spitzengehälter
Bei seiner schriftlichen "Bitte" stützt sich Woidke nun auf die Rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg, die den rbb seit einigen Monaten prüfen. Sie hatten schon im Mai eine Absenkung der Gehälter für die Spitzenposten im Sender vorgeschlagen. Dies bedarf jedoch einer gesetzlichen Regelung, die es bislang nicht gibt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Woidke den Eindruck erweckt, es mit der Unabhängigkeit des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks nicht allzu ernst zu nehmen. Per Brief an die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger hatte er sich Anfang Februar 2022 selbst ins rbb-Studio Cottbus eingeladen. Sein Wahlkreis liegt in der Lausitz, für die das rbb-Studio Cottbus zuständig ist.
Woidke soll sich dort unzufrieden darüber geäußert haben, dass die Lausitz zuvor im Programm des Senders zu negativ dargestellt worden sei. In der Redaktionskonferenz am nächsten Tag war vom "Versuch politischer Einflussnahme" die Rede, Teilnehmer berichteten von Fassungslosigkeit und Irritation über Woidkes Vorgehen.
Bei "Business Insider" ließ Woidke daraufhin den Versuch der Einflussnahme dementieren, ergänzt durch die Botschaft: "Dass die Staatskanzlei Aufholbedarf sieht, was die Berichterstattung des RBB aus und über Brandenburg betrifft, ist allgemein bekannt."
Weniger Politprominenz in Kontrollgremien?
Benjamin Ehlers, Vorsitzender des rbb-Verwaltungsrats, kommt auch aus der Lausitz, genauer aus Cottbus. "Er ist gut vernetzt in der Brandenburger SPD, gehörte zur Landesschiedskommission." Auf Anfrage verwies Ehlers am Montag darauf, dass einzig der Verwaltungsrat für den Vertragsabschluss mit der zukünftigen Intendantin oder dem Intendanten zuständig sei und "dass weder die Landesparlamente noch die Landesregierungen befugt sind, in diesen Verantwortungsbereich einzugreifen." Gegenüber Woidke soll Ehlers nach Informationen von rbb24 Recherche und NDR noch deutlicher geworden sein: Er habe ihm den "Hinweis" gegeben, wer laut Rundfunkstaatsvertrag für was zuständig sei. Und er soll Woidke gebeten haben, genau dies zu respektieren.
Geht es nach den Rechnungshöfen, steht auch die Frage im Raum, in welchem Umfang prominente Parteipolitiker zukünftig im Rundfunk- und im Verwaltungsrat vertreten sein sollen. Ob Woidkes Hinweis im aktuellen Schreiben an den rbb-Verwaltungsrat auch darauf abzielt, diesen Vorschlag aufzugreifen im neuen rbb-Staatsvertrag zu verankern, und ob sich im neuen rbb-Staatsvertrag dann tatsächlich ein Deckel für das Gehalt der rbb-Spitze findet, wird sich zeigen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Benjamin Ehlers hätte dem Parteitagspräsidium der SPD in Brandenburg angehört. Dies trifft nicht zu. Martin Ehlers gehörte dem Präsidium an. Wir bitten die Verwechslung zu entschuldigen.
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