Bananen werden von einem Arbeiter auf dem Gut «La Lucha» sortiert.

Bananen-Pestizid Mancozeb In der EU verboten und trotzdem versprüht

Stand: 07.03.2025 05:00 Uhr

Die Bananenindustrie hängt von einem hochgiftigen Pestizid ab. In der EU verboten, wird es vor allem in Lateinamerika eingesetzt. Die Bananen landen auch in Deutschland, gefährlich ist die Praxis aber für die Menschen vor Ort.

Von Fabian Grieger, RBB

Wer in deutschen Supermärkten eine konventionell angebaute Banane kauft, kann davon ausgehen, dass sie zuvor auf einer Plantage mit einem hochgiftigen Pestizid besprüht wurde: Mancozeb. Das Pestizid gilt als massiv fruchtbarkeitsschädigend und kann laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Schilddrüsenkrebs hervorrufen. Deshalb ist es in der EU seit 2022 verboten.

Doch in Lateinamerika, wo die meisten Bananen für den europäischen Markt produziert werden, wird Mancozeb weiter massiv eingesetzt. Der Grund: Es ist derzeit das effektivste Mittel gegen die Schwarze Blattfleckenkrankheit, einen Pilz, der die Bananenblätter angreift. Sterben zu viele Blätter ab, produziert eine Bananenstaude keine Früchte mehr. Mancozeb wird in der Regel mit anderen Pestiziden gemixt und per Flugzeug über den Plantagen ausgebracht. Doch Mancozeb macht nicht nur den Pilz kaputt.

Arbeiter klagen über Gesundheitsbeschwerden

"Die Arbeiter klagen über Übelkeit, Hautausschläge und Kopfschmerzen, nachdem gespritzt wurde", sagt Didier Leiton, Generalsekretär der Gewerkschaft der Bananenarbeiter in Costa Rica. Nicht nur die Arbeiter auf den Plantagen sind dem Gift ausgesetzt. Über die Luft gelangt es auch in die Nachbarschaft: "Wenn ich morgens mit dem Motorrad zur Arbeit fahre, läuft mir eine gelbliche Flüssigkeit über den Helm", berichtet Leiton über seine alltäglichen Erfahrungen mit Pestiziden.

Seit 2012 untersucht eine Forschungsgruppe der Nationaluniversität von Costa Rica die Auswirkungen von Mancozeb auf Frauen, die in der Nähe von Bananenplantagen wohnen. Das Ergebnis: Je näher sie an den Plantagen wohnten, desto höher war der Gehalt des Mancozeb-Abbauproduktes Ethylenthioharnstoff in ihrem Urin. Die Frauen waren bis zu fünfmal so stark belastet wie die Durchschnittsbevölkerung.

Die Studien weisen außerdem eine Schädigung der Schilddrüsenfunktion und bei Kindern verstärkt Lernschwächen nach. Auch eine teilweise über den Grenzwerten liegende Trinkwasserbelastung mit Mangan - einem Bestandteil von Mancozeb - belegen Analysen.

Für die Verbraucher in Deutschland wiederum besteht durch den Mancozeb-Einsatz keine Gesundheitsgefahr - auf der Bananenschale bleiben höchstens minimale Rückstände. Das Problem liegt in den Anbauländern.

Supermärkte kennen das Problem

Auf eine RBB-Anfrage zu den Auswirkungen von Mancozeb schreibt Edeka: "Wir sind uns der ökologischen und sozialen Risiken von Mancozeb sehr bewusst, weswegen es auf unseren Projektfarmen keinesfalls leichtfertig eingesetzt wird." Ein gänzlicher Verzicht auf Mancozeb sei aber wegen drohender Ernteausfälle nicht möglich. Rewe geht auf die Problematik vor Ort nicht ein, Lidl verweist lediglich auf allgemeine Bemühungen zum Arbeitsschutz bei Lieferanten. Aldi Süd und Nord verweisen darauf, dass ihre Bananen Nachhaltigkeitszertifikate haben.

Denn trotz der Gesundheitsrisiken kann ein Bananenproduzent, der Mancozeb einsetzt, ein Nachhaltigkeitssiegel erhalten. Zum Beispiel den Aufkleber mit dem grünen Frosch, den die Rainforest Alliance - der weltweit größte Nachhaltigkeitszertifizierer im Bananensektor - vergibt. Das Siegel soll für faire Arbeitsbedingungen und nachhaltige Landwirtschaft stehen. Trotzdem können Landwirte bei der Rainforest Alliance Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von Mancozeb beantragen. Eigentlich sollten diese bis 2024 auslaufen, aber nun entschied das Unternehmen, Mancozeb noch bis 2028 zu akzeptieren.

Zertifizierer sehen aktuell keine Alternative zum Gifteinsatz

Zur Begründung erklärt die Rainforest Alliance auf Anfrage von rbb24 Recherche, dass "ein kostendeckender Betrieb ohne Pestizide unter den aktuellen Bedingungen" im Bananenanbau nicht möglich sei. Der Zertifizierer gehe davon aus, dass ein Verzicht auf Mancozeb zu Ernteausfällen von mehr als der Hälfte und in manchen Fällen zum Verlust der gesamten Ernte führen könnte. Die Rainforest Alliance setze sich aber für die Einhaltung von Sicherheitsstandards bei der Anwendung ein.

Fairtrade Deutschland - das für sein Fairtrade-Siegel ebenfalls Ausnahmegenehmigungen bei Mancozeb vorsieht - argumentiert ähnlich: Bei einem sofortigen Anwendungsverbot ohne geeignete Alternativen, "hätten Bananenarbeitende (…) kein Einkommen mehr, ihre Existenzgrundlage wäre akut bedroht. Dies muss bei der Abwägung von Gesundheitsschutz mitbetrachtet werden."

Die Zertifizierer stecken in einem Dilemma: Auf der einen Seite brauchen sie glaubwürdige Nachhaltigkeitsstandards, auf der anderen Seite aber auch Produzenten, die bereit sind, sie umzusetzen.

Pestizid-Experte kritisiert Verlängerung der Ausnahmegenehmigung

In Deutschland kennt sich kaum jemand so gut mit Schädlingsbekämpfung im Bananenanbau aus wie Lars Neumeister. Der Pestizidexperte berät Landwirte, Zertifizierer und Einkäufer. Er kritisiert die Entscheidung, die Ausnahmegenehmigungen noch einmal zu verlängern: "Ich hätte es gut gefunden, wenn die Rainforest Alliance gesagt hätte: 'Jetzt ist mit Mancozeb erst einmal Schluss.'"

Auch wenn er glaubt, dass die Produzenten in der Konsequenz eher auf das Siegel als auf Mancozeb verzichten würden - zumindest in besonders feuchten Regionen, in denen aufgrund des massiven Pilzbefalls kein großflächiger Bio-Anbau existiert. Dazu gehören neben Costa Rica auch der Norden Ecuadors. Aus diesen beiden Ländern stammt fast die Hälfte der deutschen Bananenimporte.

Costa Rica gilt als Land, in dem besonders viel Gift auf den Feldern landet. Wöchentlich werden im Durchschnitt knapp 70 Kilogramm Mancozeb pro Hektar auf den Bananenplantagen versprüht. Das ist notwendig, weil es im internationalen Exporthandel nur eine einzige Bananensorte gibt: die Cavendish. "Alle Bananenstauden sind Klone von sich selbst", erklärt Pestizidexperte Neumeister. Sie seien genetisch identisch, das mache es Schädlingen leicht.

Alles im Bananenexport ist auf die Cavendish ausgelegt: Die Packgröße der Kartons, der Nachreifeprozess - letztlich auch die Gewöhnung der Verbraucher an die Sorte. "Das ist eine Industrie, die im Prinzip wie eine Art Fließband funktioniert", sagt Neumeister. Kontrolliert wird sie von wenigen großen Bananenproduzenten, die an wenige große Supermarktketten liefern. "Da gibt es ein Festhalten an einer funktionierenden Industrie und solange es nicht weh tut, wird sich nicht viel ändern."

Oxfam baut Druck gegen Handelsketten auf

Dieser Druck müsste durch staatliche Vorgaben kommen, fordert Neumeister. Der Gewerkschafter Didier Leiton stimmt ihm zu: "Ein so gefährliches Pestizid sollte verboten werden", auch wenn er die Zwickmühle betont, in der er sich durch einen drohenden Arbeitsplatzverlust befindet.

In einem ersten Schritt hat Leiton gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Oxfam eine Beschwerde gegen Aldi Nord, Aldi Süd und Lidl mit Bezug zum deutschen Lieferkettengesetz eingereicht. Danach sollen die Unternehmen dafür zu sorgen, dass der Arbeitsschutz auf den Plantagen - ausreichende Schutzkleidung, Besprühungen nur bei Abwesenheit der Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter - eingehalten wird.

Im Prinzip sei aber auch schon der Einsatz von Mancozeb ein Verstoß gegen das Lieferkettengesetz, ergänzt Franziska Humbert, Juristin bei Oxfam. Eine weitere Beschwerde könnte deshalb dazu beitragen, dass "Einkäufer zusammen mit den Zulieferern dafür sorgen, dass der Einsatz solch gesundheitsschädlicher Pestizide unterbleibt."

Auch Zertifizierer unterstützen Verbotsforderungen

Die Zertifizierer Fairtrade und Rainforest Alliance gehen trotz ihrer aktuellen Genehmigungspraxis noch einen Schritt weiter. Sie unterstützen Forderungen nach einem Importverbot von Produkten, bei denen Mancozeb eingesetzt wurde. Zuvor - so Fairtrade - sei jedoch ein Exportverbot von Mancozeb, das bisher auch von europäischen Unternehmen in der EU hergestellt und dann nach Lateinamerika verkauft wird, durchzusetzen: "Gewinne werden hier abgeschöpft, während für die Folgen keine Verantwortung übernommen wird und die Anbauländer durch Importverbote zusätzlich bestraft werden."

Gleichzeitig müsste die EU mehr Geld für die Einführung von Alternativen zu Mancozeb zur Verfügung stellen. Durch die Klimakrise steigt ohnehin die Gefahr, dass das Cavendish-System irgendwann kollabiert. Trotzdem schrecke "die Bananenindustrie wegen des Aufwands und Kosten vor der Einführung weiterer Sorten zurück", so Fairtrade gegenüber dem RBB.

Dabei findet sich die Alternative zum Monokultur-Cavendish-System oft sogar in der Nachbarschaft der industriellen Großplantagen: In Lateinamerika bauen Kleinbäuerinnen und -bauern in Agroforstbetrieben eine Vielzahl an Bananensorten gemeinsam mit anderen Früchten an - ganz ohne Einsatz von Pestiziden.

Allerdings müsste sich dafür das Preisgefüge ändern. Seit Jahren stagniert der Bananenpreis trotz steigender Kosten. Im Supermarkt werden Bananen teilweise unter dem Produktionspreis verkauft. Würde sich der Exportmarkt an ökologisch verträglichen, vielfältigen Bananen ausrichten, würde die Banane kein ständig verfügbares Billigobst mehr sein, sondern deutlich teurer - aber ohne Mancozeb.