"Tornado"-Flugzeuge der Bundeswehr fliegen über Brandenburg
Exklusiv

CO2-Emissionen Bundeswehr verfehlt Klimaziele

Stand: 19.05.2022 06:17 Uhr

Die Bundeswehr verfehlt ihre Klimaziele, wie aktuelle Daten zeigen, die dem RBB exklusiv vorliegen. Dabei erfasst die Statistik nicht mal alle Bereiche. Das Militär ist ein blinder Fleck der Klimaforschung.

Wenn ein Tornado der Bundeswehr vom Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz abhebt, stößt er 14,6 Tonnen CO2 pro Flugstunde aus. Der etwas modernere Eurofighter, stationiert beispielsweise auf dem Fliegerhorst Laage in der Nähe von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, kommt immer noch auf einen CO2-Ausstoß von 11 Tonnen pro Flugstunde.

Die Einsätze solcher Kampfflugzeuge sind beispielsweise das, was die Bundeswehr unter "militärspezifischer Mobilität" versteht. Der Anstieg der CO2-Emissionen in diesem Bereich stieg nach Angaben der Bundesregierung von 2019 bis 2021 um 25 Prozent. Ursächlich dafür sei vor allem der Anstieg des Kraftstoffverbrauchs der Luftwaffe. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor.

Weniger Wartungsstau, mehr Flugzeuge

Zur Erklärung ergänzte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage von rbb24-Recherche, bei der Erfassung von Flugkraftstoffverbräuchen habe es in den vergangenen Jahren einen Systemwechsel gegeben, so dass jetzt auch Drittanbieter wie zum Beispiel die Betankung im Ausland erfasst würden. Zudem habe sich die "materielle Einsatzlage" verbessert. Es steht also nicht mehr so viel Gerät im Wartungsstau und wird deshalb wieder bewegt. Die Sprecherin nennt außerdem einen "Zulauf weiterer Flugzeuge" - auch so sei der erhöhte Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu erklären.

Insgesamt hat die Bundeswehr im Jahr 2021 1,71 Millionen Tonnen CO2-Equivalent ausgestoßen - gegenüber 1,45 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Das entspricht einer Steigerung von beinahe 18 Prozent. Zur Begründung nennt der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Hitschler (SPD) einen Mehrverbrauch von Brennstoffen im Infrastrukturbereich, vor allem also zur Heizung von Liegenschaften.

Die Wintertemperaturen 2021 hätten deutlich unter jenen des Jahres 2020 gelegen, ergänzte die Ministeriums-Sprecherin. Außerdem habe es auch hier eine durch die Bundesregierung vorgegebene Veränderung der Berechnungsgrundlage gegeben. Auf der anderen Seite habe wahrscheinlich die Pandemie und die dadurch gestiegene Home-Office-Quote auch zu Einsparungen geführt. Sonst wären die Emissionssteigerungen wohl noch höher ausgefallen.

Klimabilanz der Bundeswehr besonders verheerend

Im Vergleich zur Gesamt-Klimabilanz der Bundesrepublik schneidet die Bundeswehr jedenfalls besonders schlecht ab. Schon 2018 - noch vor Corona - sanken die CO2-Emissionen der Republik um 4,5 Prozent. In den Corona-Jahren 2019 und 2020 verzeichnete das Umweltbundesamt Rückgänge um 6,3 beziehungsweise 8,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bevor sie 2021 wieder um 4,5 Prozent anstiegen.

Die Energie- und Emissionsbilanz des bundesdeutschen Militärs ist den aktuell veröffentlichten Zahlen zum Trotz aber nach wie vor unvollständig dokumentiert: Die Auslandseinsätze deutscher Soldaten sind bisher nicht eingerechnet. Entsprechende Daten lägen allenfalls in den Einsatzländern oder bei den einsatztragenden internationalen Organisationen vor, heißt es.

Auch zivile Flüge von Bundeswehrangehörigen finden in der Aufstellung keine Berücksichtigung, ebensowenig wie die Klimabilanz der Rüstungsproduktion. Auch nach den für die Zukunft geplanten 100-Milliarden-Sonderinvestitionen ins Militär und deren Klimaauswirkungen fragte die Linkspartei.

"Potenzielle Auswirkungen von Erhöhungen des Verteidigungsetats auf die Treibhausgas-Emissionen sind rein hypothetisch und können daher nicht beziffert werden", heißt es dazu von Seiten des Verteidigungsministeriums.

Fragestellerin Dagdelen zieht aus all dem folgende Schlussfolgerung: "Der massive Anstieg der CO2-Emissionen zeigt: Die Bundeswehr ist ein Klimakiller." Eine weitere Aufrüstung werde den ökologischen Fußabdruck der Bundeswehr zulasten von Mensch und Umwelt dramatisch weiter vergrößern. Statt in Militär solle in Energiesicherheit und Klimaschutz investiert werden.

Ein blinder Fleck in der Klimaforschung

Zur Klimabelastung durch Kriege und Militäreinsätze gibt es in der Klimaforschung kaum Erkenntnisse. Etwas detaillierter - und deswegen mit den Daten der Bundeswehr kaum vergleichbar - sind Studien, die zur Klimabilanz des US-Militärs vorliegen. Schon 2019 hat Neta Crawford, eine Wissenschaftlerin der Universität Boston, festgestellt, dass das US-Verteidigungsministerium der größte Einzelverbraucher von Energie in den USA und der größte institutionelle Verbraucher von Erdöl weltweit ist.

2017 emittierte das US-Militär demnach rund 59 Millionen Tonnen CO2-Equivalent, mehr als zum Beispiel Schweden, Finnland oder Dänemark insgesamt ausstoßen. Vergleichbare Erkenntnisse und entsprechendes Zahlenmaterial liegen für ebenfalls hochgerüstete Staaten wie Russland oder China allerdings nicht vor. Aus den bisherigen UN-Protokollen zum Klimaschutz von Kyoto über Paris bis Glasgow blieb das Militär immer ausgespart.

Torsten Mandalka, Torsten Mandalka, RBB, 19.05.2022 07:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 19. Mai 2022 um 06:32 Uhr.