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Firma in Düsseldorf Geschäfte im Auftrag des Iran?

Stand: 04.02.2024 18:03 Uhr

Eine Düsseldorfer Firma gehört offenbar zu einer Holding des Iran, die von den USA sanktioniert ist. Interne Dokumente, die WDR und SZ vorliegen, werfen die Frage auf, ob von den Geschäften auch die Revolutionsgarden profitieren.

Von Von Florian Flade und Arne Hell, WDR

Direkt an der Ausfahrt der Autobahn A52, in einem Industriegebiet im Westen von Düsseldorf, befindet sich das International Business Center. Hier, in einem mehrstöckigen Bürogebäude an der Monschauer Straße 12, residiert die GIC International GmbH. Das Unternehmen hat eine eher spärliche Webseite. Zu sehen sind Fotos von Kraftwerken und Industrieanlagen. "Öl, Gas, Petrochemie, Zement, Metall ..." - man habe 30 Jahre Erfahrung im internationalen Handel, verfüge über Geschäftspartner in Europa, dem Nahen Osten und Asien. Die Firma hat nach offiziellen Angaben zwischen 2017 und 2021 rund 600 Millionen Euro Umsatz gemacht.

Tatsächlich wurde die Düsseldorfer Firma laut Handelsregister allerdings 2012 direkt mit Geld aus Teheran gegründet. Hinter dem Unternehmen steht demnach die Ghadir Investment Company, ein Konzern, der im Iran an mehr als 100 Unternehmen aus Branchen wie der Öl-, Chemie- oder Bauindustrie beteiligt ist und seit Jahren von den USA mit Sanktionen belegt ist. Die Ghadir Investment soll nach Ansicht der US-Behörden Teil eines Firmengeflechts sein, dem auch staatliche iranische Sicherheitsorgane wie die Revolutionsgarden angehören.

Der Politikwissenschaftler und Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad kennt zahlreiche Netzwerke wie diese: "Es gibt eine große Dominanz des Staates innerhalb der Wirtschaft. Es ist eigentlich ein und dieselbe Macht im Iran, die die politische und wirtschaftliche Macht für sich monopolisiert."

Geschäfte trotz Sanktionen?

Recherchen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" legen nahe, dass auch die Düsseldorfer GIC International Teil eines Firmengeflechts sein könnte, das offenbar von staatlichen Stellen des Iran aufgebaut wurde. Unterlagen, die der Oppositionsbewegung "Volksmudschaheddin Organisation des Iran" zugespielt wurden und WDR und SZ vorliegen, deuten zudem darauf hin, dass das Regime die Düsseldorfer Firma und weitere Unternehmen in Deutschland dafür benutzt haben könnte, um trotz der Sanktionen weiter internationale Handelsgeschäfte und Immobilienkäufe abwickeln zu können.

Bei den Dokumenten soll es sich um interne Firmenunterlagen und Kommunikation zwischen dem Geschäftsführer der Düsseldorfer Firma GIC und der Führung der Ghadir Holding im Iran handeln. WDR und SZ haben die persischen Originale übersetzt und Personen, Orte und Zeitangaben geprüft, um die Echtheit der Dokumente plausibel zu machen.

Den Papieren zufolge soll die Firma in Düsseldorf ein "Exportnetzwerk für Urea" aus dem Iran aufgebaut haben, also für Industrieharnstoff, der für die Abgasreinigung von Diesel-Autos benötigt wird. Dies soll in Teheran als Erfolg verbucht worden sein. "Die Gelder wurden über die Kanäle vertrauenswürdiger Banken zurückgeleitet", heißt es in einem Dokument über die Düsseldorfer GIC.

GIC International bestritt auf Anfrage im Sommer 2023, solche Geschäfte getätigt zu haben: "Die Vermutung ist falsch und unbegründet." Eine aktuelle Anfrage ließ das Unternehmen unbeantwortet.

Im Fokus der US-Behörden

Doch offenbar wurde die Arbeit der Düsseldorfer Firma nach einem Führungswechsel im Ghadir-Konzern im Jahr 2021 auch kritisch unter die Lupe genommen. So soll es im Oktober 2022 ein Treffen mit Vertretern aus Teheran und Düsseldorf gegeben haben. Dem möglichen Protokoll zufolge soll der Chef der Düsseldorfer GIC dabei zugegeben haben: "Unglücklicherweise haben die Aufsichtsbehörden in Deutschland die Verbindung von GIC zur Ghadir Investment Company im Iran entdeckt." Darum habe man extra eine weitere Firma gegründet, um über sie weiter Zahlungsverkehre in den Iran abwickeln zu können.

Schon im Juni 2013 war die iranische Ghadir Investment in den Fokus von US-Behörden geraten: Die Holding soll nach der Überzeugung der US-Regierung Gelder für den iranischen Sicherheitsapparat generiert haben. Die US-amerikanischen Behörden rechnen Ghadir Investment der Sozialversicherungsorganisation der iranischen Streitkräfte, SATA genannt, zu. Deren Aufgabe ist es, Gesundheits- und Rentenleistungen für Angehörige des iranischen Militärs, der Revolutionsgarden und der Polizei bereitzustellen. Im November 2018 wurden die US-Sanktionen erneuert und ausgeweitet. Dabei standen erneut die Ghadir Investment Company und ihre zahlreichen Verzweigungen im Fokus der amerikanischen Behörden.

Eine dieser Verzweigungen ist offenbar die Düsseldorfer GIC International. In deutschen Sicherheitskreisen heißt es, das Unternehmen sei seit einiger Zeit bekannt, auch im Hinblick auf mögliche Sanktionsverstöße. Bislang aber gebe es keine konkreten Belege für Straftaten.

GIC International hat auf Anfrage betont, man sei ein internationales Handelshaus. "Unsere Lieferanten für Rohstoffe sowie Düngemittel sind international aufgestellt. Wir handeln in voller Übereinstimmung mit den deutschen und EU-Vorschriften. GIC hat keine Verbindung zu jeglichen staatlichen Organisationen", heißt es in einer früheren schriftlichen Stellungnahme.

"Breites Netzwerk zur Umgehung von Sanktionen"

Westliche Sicherheitsbehörden haben seit Langem komplexe, länderübergreifende Netzwerke mit Bezug zu Iran im Blick. Tarnfirmen und Mittelsmänner würden genutzt, um militärisch nutzbares Material trotz der Sanktionen zu beschaffen oder die Militärprojekte des Landes zu finanzieren. Netzwerke reichten offenbar bis in die EU, obwohl hierhin Ausfuhren aus dem Iran grundsätzlich nicht verboten sind. Das liege vor allem an den Sanktionen der USA, sagt Iran-Experte Fathollah-Nejad: "Diese Sanktionen sind zwar durch die USA auferlegt, aber sie werden international durchgesetzt. Das ist eine große Herausforderung für die Iraner. Deswegen vertraut man auf Scheinfirm-Konstruktionen."

Ähnlich sieht das der Regimekritiker Javad Dabiran, Sprecher der Oppositionsbewegung der "Volksmudschaheddin Organisation des Iran". Dem Mullah-Regime sei es im Laufe der Jahre gelungen, "ein breites Netzwerk zur Umgehung von Sanktionen aufzubauen, indem es die katastrophale Beschwichtigungspolitik des Westens missbraucht". Dabiran fordert die Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als terroristische Organisation in der Europäischen Union und weitere Sanktionen gegen deren Wirtschaftszweige.

Weitere Tarnfirmen?

In einem mutmaßlich internen Schreiben aus Düsseldorf nach Teheran wird auch erwähnt, dass mit Hilfe der GIC International weitere neue Firmen im Ausland registriert worden seien, über die künftig sensibles Material beschafft und Zahlungen abgewickelt werden könnten, beispielsweise im Oman, Armenien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder China. Dabei sei darauf geachtet worden, dass eine direkte Verbindung zur Ghadir Investment Holding im Iran nicht erkennbar sei.

Ende 2022, so legen es die Unterlagen nahe, soll in Teheran augenscheinlich darüber diskutiert worden sein, die Düsseldorfer Firma GIC International aufzulösen und das Gebäude in der Monschauer Straße zu veräußern. Es soll vor einigen Jahren für sechs Millionen Euro erworben worden sein. Als Grund für die Überlegungen wird angeführt, dass aufgrund der US-Sanktionen viele Banktransaktionen nicht mehr möglich seien und das Misstrauen gegenüber den Firmen aus dem Netzwerk der Ghadir Investment groß sei.

Bei einer Sitzung in Teheran, an der laut des mutmaßlichen Protokolls neben Firmenvertretern aus Deutschland auch ein Oberst der iranischen Revolutionsgarden teilgenommen haben soll, soll dann jedoch entschieden worden sein, dass eine Auflösung des Düsseldorfer Unternehmens wohl zu viel Aufmerksamkeit bescheren würde. Stattdessen solle man sich auf weitere Firmen konzentrieren, die inzwischen neu gegründet worden seien. Diese „entwickeln sich in die richtige Richtung“, so wird der iranische Gardist in dem möglichen Protokoll zitiert, "sie arbeiten gut und gemäß deutscher Steuergesetze. Wir können Tarnfirmen neben diesen Unternehmen gründen". GIC erklärte auf eine frühere Anfrage, diese Informationen seien nicht korrekt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der WDR in der Sendung Westpol am 04. Februar 2024 um 19:30 Uhr.