Teheran Festgehaltener Deutsch-Iraner bittet um Gnade
Nach dem Tod der Iranerin Jina Mahsa Amini ging auch Reza Shari in Deutschland auf die Straße. Bei einem Besuch im Iran wurde er festgenommen. Mittlerweile ist der Deutsch-Iraner auf Kaution frei - sein Prozess läuft aber noch.
Gestern hat die Iranerin Jina Mahsa Amini posthum den Sacharow-Preis des Europäische Parlaments verliehen bekommen. Nach ihrem Tod entstand die Bewegung "Frau. Leben. Freiheit." Die hat auch das Leben des Mannheimer Unternehmers Reza Shari grundlegend verändert. Denn der 48-jährige Deutsch-Iraner sitzt seit Juni im Iran fest.
Er hatte sich in Deutschland an Protesten gegen das Regime beteiligt. Jetzt läuft ein Prozess gegen ihn in Teheran. In einem Video-Interview des SWR-Studios Mannheim bittet er das Regime um Gnade. Der Iran hält mehrere deutsche Staatsbürger fest, Kritiker sprechen von Geiseln.
"Mir geht's den Umständen entsprechend gut", sagt er. "Ich bin natürlich nach der Geschichte im Gefängnis mental und psychisch noch nicht auf der Höhe, aber es geht." Dabei durchlebt er gerade einen Albtraum.
Ein Monat in Haft
Reza Shari sitzt in einem schlichten weißen Sweatshirt vor einer kahlen Wand irgendwo im Iran, wo genau will er nicht sagen. Sein sonst perfekt getrimmter, schwarzer Bart wurde schon länger nicht mehr gestutzt. Er gibt sich gefasst, versucht nichts Falsches zu sagen.
Vor drei Monaten reist er, wie schon so oft zuvor, in den Iran. Kurz darauf nehmen ihn Sicherheitskräfte fest. Einen Monat verbringt er im berüchtigten Evin-Gefängnis. Menschenrechtsorganisationen berichten immer wieder über physische und psychische Folter dort. Wie der Mannheimer die Haft erlebt hat, könne er nicht sagen. "Und ehrlich gesagt, ich will das auch nicht. Ich kann nur sagen, es geht mir körperlich gut."
Reza Shari protestierte in Deutschland
Die iranischen Behörden werfen ihm vor, einer der Anführer der Proteste in Deutschland nach dem Tod Jina Mahsa Aminis zu sein. Staatliche Medien veröffentlichen ein Video: Es zeigt Reza Shari offenbar in seinem Mannheimer Schönheitssalon. Sein Gesicht ist unkenntlich gemacht. In der Hand hält er ein schwarzes Sweatshirt mit einer Faust in den Farben des Iran darauf, darunter der Schriftzug Mahsa Amini.
Das Video zeigt ihn kämpferisch, er spricht von einer Revolution der Frauen im Iran. Später ist er noch auf einer Demonstration in Deutschland gegen das Regime zu sehen. Die iranische Sprecherin erklärt, der Geheimdienst habe ihn und weitere Regimegegner gefasst, obwohl sie eigentlich außer Reichweite gewesen seien. Man darf das als Warnung an Aktivisten im Ausland verstehen.
Auf Kaution frei
Reza Shari erzählt, er sei beruflich in den Iran gekommen und um Familie zu besuchen. Ob er Angst hatte, wie viele Exil-Iraner, die das Land meiden? Eine der vielen Fragen ohne Antwort.
Im Moment ist er auf Kaution frei, darf aber nicht ausreisen. "Es gibt ein Verfahren, und das ist in der Schwebe, deshalb kann ich mich auch dazu nicht äußern", erklärt er. "Ich möchte das, aber es ist enorm heikel." Ein rechtskräftiges Urteil gebe es noch nicht.
Stille Diplomatie in Berlin
Es ist ein Hilferuf, den er aus dem Iran schickt. Dabei riskiert er viel, indem er an die Öffentlichkeit geht. Das Auswärtige Amt in Berlin setzt in der Regel auf stille Diplomatie und erklärt hier nur, man kenne die Berichte zum Fall des Mannheimers.
Auch er selbst hält sich bedeckt bei der Frage nach Kontakt zum deutschen Konsulat in Teheran: "Logischerweise will man gewisse Unterstützung haben. Aber es gibt eine politische Ebene, und da bin ich noch nicht involviert, was da geschieht, und ich möchte mich dazu auch nicht äußern."
In anderen Fällen von Deutsch-Iranern, die Teheran festhält, verhandelt Berlin bis jetzt vergeblich. In einem Fall droht sogar eine Hinrichtung.
Immer wieder verbreiten iranische Regime-Medien Reuevideos von festgenommenen Demonstrantinnen und Demonstranten. Auch in dem Video über Reza Shari ist eine solche Passage. Wieder ist sein Gesicht nicht zu erkennen. Eine weinerliche Stimme, angeblich Reza Sharis, sagt auf Persisch, sie habe Fehler gemacht, stehe aber jetzt voll und ganz zu Diensten.
Zwischen Sorgen und Sternschnuppen
Reza Shari lebt seit über 30 Jahren in Deutschland. Er hat sich in Mannheim mit einem angesehenen Schönheitssalon eine Existenz aufgebaut. Darum macht er sich jetzt Sorgen, mehr als um sich selbst, sagt er.
Reza Shari ist extrem angespannt. Wann und ob er zurückkomme, hänge davon ab, wie die Regierung beziehungsweise das Justizsystem ihn verurteile und dann mit ihm umgehe. "Aber ich hoffe auf Gnade. Ich hoffe, dass die Führung, dass Ayatollah Khamenei mich begnadigt. Darum bitte ich auch", sagt er. "Und jetzt schauen wir mal." Dabei zuckt er ratlos mit den Schultern.
Kunden und Freunde aus Mannheim schicken ihm Nachrichten, erzählt er, sein Gesicht ist plötzlich voller Dankbarkeit: "Solche Nachrichten, die mich erreichen, sind für mich wie Sternschnuppen. Die bewegen mich und geben mir sehr viel Kraft", erzählt er. "Und auf der anderen Seite sage ich, wie kann ich so viel Gutes, was man mir durch Nachrichten gibt, wieder zurückgeben. Ich hoffe, dass ich bald zurück bin."
Er kann nicht mehr weiter sprechen, wischt sich die Tränen aus den Augen. Der Druck ist zu groß.