Jahresrückblick 1967 EWG mit Problemen
Die Fortführung der europäischen Einigung kämpft mit verschiedenen Problemen. Größte Hürde für die Wiederbelebung regelmäßiger Konsultationen ist die Entscheidung um den Beitritt Großbritanniens. Für Irritationen bei den europäischen Nachbarn sorgt die Politik Frankreichs.
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Im Mai kommt in Rom das lang geplante Treffen der europäischen Sechs zu Stande. Der französische Staatspräsident de Gaulle erhofft sich von dem Treffen, dass es eine Reihe regelmäßiger Konsultationen nach sich zieht, die die europäische Einigung voranbringen.
Der Plan stößt auf den massiven Widerstand der niederländischen Delegation. Solange Großbritannien der Beitritt verwehrt würde, könne man sich keine Wiederbelebung des Fouchet-Planes nicht vorstellen. Der Fouchet-Plan sieht regelmäßige Treffen der Regierungschefs und Außenminister der europäischen Mitgliedsländer vor.
Die französische Initiative scheitert in ihrem wesentlichen Punkt. Dennoch zeigt sich in Rom, wie sehr die Person de Gaulle und seine eigenwillige Politik die Politik Westeuropas beeinflusst. Zu einem Eklat kommt es, als de Gaulle in Kanada während eines Besuchs der französischsprachigen Region Quebec öffentlich den Anschein erweckt, die seperatistischen Pläne Quebecs zu unterstützen.
Bei einem Besuch in Polen sorgt er auch dort für Schlagzeilen. Zwar gelingt es ihm nicht, den kommunistischen Parteichef Polens, Wladislaw Gomulka, von den Vorzügen von Blockfreiheit und europäischer Unabhängigkeitspolitik von den Supermächten zu überzeugen. Beim polnischen Volk jedoch appelliert de Gaulle nachdrücklich an nationale Empfindungen und die nationale Tradition. In Schlesien spricht er sich deutlich für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch Frankreich aus.
Die Politik de Gaulles, besonders seine Ablehnung der amerikanischen Einflussnahme in Europa, wird von den meisten anderen europäischen Staaten kritisiert. Auch im eigenen Land müssen die Gaullisten bei den Wahlen erkennen, dass ihre Mehrheit in der Nationalversammlung knapp ist. Trotzdem gelingt es Georges Pompidou, die Nation durch geschicktes Taktieren und die Mobilisierung kleinerer Partner zu stabilisieren.
Frankreich sieht sich jedoch heftigen sozialen Konflikten ausgesetzt. Besonders die Bauern wehren sich gegen die Politik der Regierung. Als Reaktion auf das so genannte Vollmachtgesetz der Regierung Pompidou gärt der Protest auch bei den Industriegewerkschaften. Die Rationalisierungsmaßnahmen, die Folge der Vollendung des gemeinsamen europäischen Marktes sein würden, stoßen bei den Arbeitern auf Kritik.
Auf französischen Wunsch hin, muss der Vorsitzende der Europäischen Kommission, Professor Walter Hallstein, sein Amt niederlegen. Eine Situation, die in der Bundesrepublik Bedauern auslöst. Dem Nachfolger, der Belgier Jean Rey gelingt es immerhin, bei den Verhandlungen einige Fortschritte für die europäische wirtschaftliche Gemeinschaft zu erreichen.
Die europäische Einigung wird aber durch die britische Kandidatur belastet. Eine Rundreise Premierminister Wilsons durch die europäischen Hauptstädte soll die anderen europäischen Staaten vom ehrlichen Willen Großbritanniens überzeugen. Engagiertester Gegner der Aufnahme Großbritanniens ist Frankreich. Die Rolle des britischen Pfundes als Reservewährung und die Lage der britischen Finanzen lassen keine Diskussion um den Beitritt zu, heißt es aus Paris.
Die finanzielle Lage Großbritanniens verschlechtert sich weiter. Im November wird, entgegen aller Versprechen Premierminister Wilsons, das Pfund abgewertet. Schatzkanzler Callaghan tritt von seinem Amt zurück und übernimmt das Innenministerium.