Jahresrückblick 1984 Deutsch-deutsches Verhältnis
Das deutsch-deutsche Verhältnis ist geprägt von Annäherung und Ausreisewillen. Hunderte DDR-Bürger flüchten in westdeutsche Botschaften. In Berlin sorgt ein Feuerwerk für kurze Einigkeit.
Das Verhältnis der beiden deutschen Staaten gestaltet sich befriedigend. Die Annährung wird durch die Entschärfung der Grenze durch die DDR und gegenseitige Politiker-Besuche erzielt.
Mehrere 100 DDR-Bürger suchen Schutz in den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik im Ostblock. Sie hoffen, dadurch eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. Allein in der ständigen Vertretung in Ost-Berlin halten sich zeitweise bis zu 55 Menschen auf. Erst nach Zugeständnissen der DDR verlassen sie die Botschaft und dürfen später ausreisen.
Im Juli feiert die DDR ihren 35-jährigen Jahrestag. Die Zahl von Ausreisewilligen ist höher als zuvor. Man glaubt eine ähnliche Bewegung wie in Polen zu bemerken.
Anfang des Jahres öffnet die DDR für ein paar Monate die Tür zum Westen. 40.000 Menschen dürfen ausreisen. Im März verlassen im Schnitt 328 Menschen pro Tag die DDR. Die Gründe für die Offenheit der DDR-Führung liegen offenbar in der Wiederherstellung der innenpolitischen Ruhe.
Im Januar übernimmt Berlin die Leitung des öffentlichen Nahverkehrs von der Reichsbahn der DDR. Dieser Regelung gehen zähe Verhandlungen voraus. Ein Besuch des DDR-Verkehrsministers Otto Arndt in der Bundesrepublik bringt weitere Neuerungen. Man vereinbart die Renovierung der Transitstrecke Hof-Berlin sowie regelmäßige Messeflüge zwischen Frankfurt und Leipzig. Wegen alliierter Vorbehalte muss aber ein Umweg über die CSSR gemacht werden. Die DDR-Fluggesellschaft "Interflug" beabsichtigt, Messeflüge nach Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart aufzunehmen.
Die Beziehungen beider Staaten verschlechtern sich wieder, als Erich Honnecker den für September geplanten Besuch in der Bundesrepublik absagt. Die Begründung lautet, dass der Besuch in der Bundesrepublik abwertend diskutiert worden sei. Stattdessen reist Honnecker nach Finnland, um sich dort bei der Jagd von der russischen Regierung wieder auf den richtigen Kurs einschwören zu lassen.
Aus der Ostblock-Riege schert nur der rumänische Staats- und Parteichef Nicolae Ceausescu aus. Nach den Absagen von Honnecker und dem Bulgaren Todor Shivkov kommt Ceausescu zu einem Staatsbesuch in die Bundesrepublik. Die geplante gemeinsame Erklärung scheitert jedoch an der rumänischen Weigerung, die deutsche Minderheit in Rumänien zu erwähnen.
Unterdessen erreicht die Zahl der Botschaftsflüchtlinge einen neuen Höhepunkt. In den Vertretungen in Warschau, Budapest, Bukarest und Prag halten sich mehr als 200 DDR-Bürger auf. Die Botschaft in Prag wird zeitweise wegen Überfüllung geschlossen. Nach und nach kehren etwa 100 DDR-Bürger nach der Zusicherung der Straffreiheit in die DDR zurück.
In Moskau treffen Bundeskanzler Helmut Kohl und der SED-Vorsitzende Erich Honnecker zum ersten Mal persönlich aufeinander. Beide sind zur Trauerfeier für den verstorbenen russischen Staatschef Juri Andropow in die Sowjetunion gereist.
Im Juli verfolgen Menschen auf beiden Seiten der Mauer ein von André Heller zu den Klängen der "Carmina Burana" inszeniertes Feuerwerk über dem Berliner Reichstag.