Jahresrückblick 1971 Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik
Die Probleme in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik beschäftigen die Parteien auf ihren Parteitagen. Auf ihnen wird auch die Strategie bis zur Wahl festgelegt, damit hat der Wahlkampf fast schon begonnen.
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Die wirtschaftliche Lage führt zu Problemen am Arbeitsmarkt. Kurzarbeit, Abbau von Überstunden und Wochenendarbeit, Produktionseinschränkungen und Preisanstieg beunruhigen die Arbeitnehmer. Harte Lohnverhandlungen in der Metallindustrie führen nach bundesweiten Streiks doch noch zu einer Einigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Die gegenseitigen Sorgen und Befürchtungen bleiben bestehen, aber noch sieht die Bundesregierung nicht das Signal zum Ankurbeln der Konjunktur.
Der außerordentliche SPD-Parteitag beschäftigt sich mit der Steuerpolitik als Mittel zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Diskutiert wird die Frage, wie weit man die Belastbarkeit der Wirtschaft testen könne und solle. Die Delegierten stehen der Wirtschaftspolitik der Regierung kritisch gegenüber, Brandt stellt sich aber hinter Wirtschaftsminister Schiller.
Auch die FDP versucht auf ihrem Parteitag, ihre Identitätskrise zu bewältigen. Die Popularität des FDP-Vorsitzenden und Außenministers Walter Scheel hat sich nicht in einem Stimmenzuwachs für die Partei gezeigt. Die sozialen Aufsteiger, Wunsch-Zielgruppe der FDP, haben die liberale Idee noch nicht verinnerlicht. Sicherheitshalber formuliert Scheel eine Abgrenzung von der CDU/CSU.
Auf dem Parteitag der CDU hingegen klären sich die Fronten in der Opposition. Dr. Rainer Barzel nimmt neben dem Fraktionsvorsitz auch die Ämter "Parteivorsitz" und "Kanzlerkandidat" für sich in Anspruch. Die Delegierten stimmen dem zu. Barzels Mitbewerber, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Dr. Helmut Kohl kann die Mehrheit der Parteimitglieder nicht für sich begeistern. Das vorherrschende Ziel Barzels ist nach eigenen Worten die Reorganisation der Partei nach innen und der Aus- und Aufbau der Strategie für das nächste Jahr.