Hartz IV
Kommentar

Bürgergeld Solidarität ist keine Einbahnstraße

Stand: 20.07.2022 16:43 Uhr

Die Reform von Hartz IV ist nur ein Reförmchen, meint Hans-Joachim Vieweger. Denn der Gedanke, mehr Menschen in Lohn und Brot zu bekommen, kommt zu kurz. Fehlanreize - wie das Ökonomen nennen - werden nicht korrigiert.

Ein Kommentar von Hans-Joachim Vieweger, ARD-Hauptstadtstudio

"Die Qualität eines Sozialstaats bemisst sich nicht allein an der Höhe der sozialen Unterstützung, sondern an der Fähigkeit, Menschen aus der Not herauszuführen." Sehr richtig, möchte man Hubertus Heil zurufen. Doch die Eckpunkte, die der Bundesarbeitsminister für sein Bürgergeld-Gesetz vorgelegt hat, werden diesem Gedanken leider nicht gerecht. Hier geht es vor allem um mehr Leistungen, weniger Auflagen und weniger Kontrollen.

Der Gedanke, mehr Menschen in Lohn und Brot zu bekommen, kommt hingegen zu kurz. Die entsprechenden Maßnahmen bleiben vage. Zwar soll die bestehende Weiterbildungsprämie entfristet und ein zusätzliches monatliches Weiterbildungsgeld eingeführt werden.

Das grundsätzliche Problem aber, dass, wer sich aus Hartz IV herausarbeiten will, erst mal nur wenig vom selbst Verdienten hat, bleibt für die meisten Leistungsempfänger bestehen. Fehlanreize, wie das Ökonomen nennen, werden nicht korrigiert.

Höchstens ein Reförmchen

Eine Reform ist das bisher nicht, höchstens ein Reförmchen. Es klingt eher so, als ob Heil mit dem Titel Bürgergeld vor allem den ungeliebten Namen Hartz IV loswerden will, der in der SPD fast schon mit einem Trauma verbunden ist. Dabei haben die mit diesem Namen verbundenen Arbeitsmarktreformen einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands geleistet.

Vor allem: Der Gedanke "Fordern und Fördern" war richtig. Und es wäre fatal, wenn beim künftigen Bürgergeld nur noch der Gedanke des Förderns übrigbleibt - und vom Fordern kaum noch die Rede ist. Den Plänen von Heil zufolge muss, wer staatliche Leistungen bezieht, selbst bei Pflichtverletzungen sechs Monate lang keine Sanktionen befürchten.

Es muss nachgebessert werden

Ist das angemessen? Solidarität ist doch keine Einbahnstraße. Es ist richtig, dass Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, von der Gemeinschaft solidarisch unterstützt werden. Doch wer staatliche Leistungen bekommt - und damit vom Geld der Steuerzahler lebt, hat auch seinen Teil zur Aufnahme regulärer Beschäftigung beizutragen. Eigenbemühungen oder Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge der Jobcenter sollten nicht als Zumutung empfunden werden, sondern als die Regel.

Zumal es gesellschaftlich und für den Einzelnen nichts Wichtigeres gibt, als dass Menschen mit regulärer Arbeit für ihr eigenes Auskommen sorgen. Dieser Teil kommt in Heils Plänen massiv zu kurz - hier muss noch dringend nachgebessert werden.

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Hans-Joachim Vieweger, Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, 20.07.2022 18:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. Juli 2022 um 17:00 Uhr.