Einigung auf EU-Asylreform Das Schwierigste steht noch bevor
Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die EU-Länder im Asylstreit geeinigt. Doch weitere hitzige Debatten sind schon abzusehen - und bis zur Umsetzung ist es noch ein langer Weg.
Es wird jetzt darum gehen müssen, die Einigung umzusetzen, ohne dabei den Zugang zum Recht auf Asyl aufzugeben. Es könnte der Quadratur des Kreises gleichkommen. Möglicherweise haben aber auch jene recht, die davon sprechen, dass bei der Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems die Standards und Regeln reduziert werden müssen, damit nicht jeder, der kommt, auch bleibt.
So sollen nun Ankommende aus als sicher geltenden Staaten und solchen, die nur eine geringe Anerkennungsquote haben, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen unter haftähnlichen Bedingungen maximal zwölfwöchige Schnellverfahren durchlaufen und, im Fall einer Ablehnung ihres Antrags, unmittelbar in ihre Heimat oder einen anderen Drittstaat zurückgeführt werden.
Die Abschreckung ist einkalkuliert
Es ist natürlich kalkuliert, dass dies ein hohes Potential an Abschreckung haben könnte, denn je weniger Flüchtlinge kommen, umso weniger müssen verteilt werden. Durchgesetzt haben sich bei diesem Kompromiss in jedem Fall alle, die die Wiederherstellung der Dublin-Regeln, wonach die Ankunftsländer grundsätzlich für die Asylverfahren verantwortlich sind, als oberste Priorität erachten.
Es gibt zweifelsohne eine Mehrheit, die auf eine Festung Europa setzt, wie es Luxemburgs Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn formulierte. Sein Land steht dabei eher auf Seiten jener, die humanitären Aspekten Geltung verschaffen wollen. So hatte sich auch die Bundesregierung in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Expressverfahren ausgenommen werden.
Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste Bundesinnenministerin Nancy Faeser aber akzeptieren, dass dies künftig durchaus möglich sein könnte. Eine von Deutschland beantragte Protokollnotiz, sich mit einigen Staaten wie Portugal und Irland auch weiter für mehr Kinderrechte einzusetzen, ist eher von symbolischem Wert.
Länder an EU-Außengrenzen könnten profitieren
Bemerkenswert ist, dass am Ende bis auf die immer migrationskritischen Länder wie Polen und Ungarn sowie drei Länder, die sich enthielten, alle anderen zustimmten. Verständlich: Vor allem die Staaten an den EU-Außengrenzen wie Italien und jene, die wie Deutschland das Ziel vieler Asylbewerber sind, haben ein großes Interesse an dieser Einigung gehabt.
Zwar ist der Mechanismus, wonach Solidarität mit den Ländern an den Außengrenzen verpflichtend sein soll, noch vage formuliert. Zudem können sich Länder mit Ausgleichszahlungen freikaufen, wenn sie keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Doch könnten die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen in dem Fall, dass sie an ihre Belastungsgrenze kommen, eher heute als morgen von der Einigung profitieren.
Debatten im EU-Parlament sind abzusehen
Nach der gestrigen Einigung können nun die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen, und die Reform könnte dann vielleicht tatsächlich noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Davor aber werden weitere hitzige Debatten stehen, denn auch im EU-Parlament werden sich nun Kräfte formieren, um bei den Verhandlungen noch einige Änderungen - in die eine oder andere Richtung - durchzusetzen.
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