Ministerin und Spitzenkandidatin Faeser tut das Richtige
Mit der Kandidatur in Hessen steht Faeser unter besonderer Beobachtung. Der Bundesinnenministerin darf nun kein Fehler unterlaufen. Übel nehmen kann man ihr den Schritt aber nicht.
Nancy Faeser steht jetzt unter besonderer Beobachtung. Ausgerechnet die Bundesinnenministerin gilt als Verdachtsfall - verdächtig ihren Job nur halbherzig ausüben zu können und zu wollen. Zurecht? Ja. Und trotzdem tut sie das Richtige. Sie will Ministerpräsidentin werden, und wenn das nicht klappt, Bundesinnenministerin bleiben. Deshalb gibt sie das Amt nicht für den Wahlkampf auf. Warum auch? Weil beides nicht vereinbar ist? Doch das ist es. Das war es für andere ja auch.
Armin Laschet wollte Kanzler werden und machte Wahlkampf als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Olaf Scholz ist seinerzeit als Finanzminister nicht zurückgetreten, um Full-Time-Wahlkämpfer fürs Kanzleramt zu sein. Franziska Giffey machte ihre Kandidatur als Regierende Bürgermeisterin für Berlin bekannt als sie Familienministerin war, der Aufschrei blieb aus.
Faeser weiß, was auf sie zukommt
Das Familienministerium ist vielleicht nicht so fordernd wie das Innenministerium, aber wichtig ist es dennoch. Soll Faeser jetzt allen Ernstes das Ministerium aufgeben, damit da jemand anderes ganz von vorne anfängt? Damit wäre nichts gewonnen. Nein: Faeser ist erfahren genug, um zu wissen, was da auf sie zukommt.
Sie war 18 Jahre Abgeordnete im hessischen Landtag, hat zwei Jahre die SPD-Fraktion in Wiesbaden geführt und ist noch heute Vorsitzende der Hessen-SPD, also von daher natürliche Spitzenkandidatin. Dass sie dahin nur zurückgehen will, wenn sie Ministerpräsidentin wird, darf man ihr nicht verübeln. Hier alles hinwerfen, um am Ende wieder auf der Oppositionsbank zu sitzen? Wenn das grundsätzlich als Voraussetzung gilt, wer will dann noch Kandidat oder Kandidatin werden? Erfahrene Spitzenleute sicher nicht.
Faeser weiß, dass sie ihr Ministerium jetzt besonders gut führen muss, sie darf nichts aus dem Blick verlieren und muss ihre Arbeit konsequent fortsetzen. Die SPD in Hessen wird Faeser ein großes Team zur Seite stellen, das für sie die Klinken putzt.
Sie werden Flyer verteilen und mit einer bekannten Bundespolitikerin werben. "Seht her: Diese Frau hat es zu was gebracht. Die erste Frau, die das Bundesinnenministerium führt, die Terrorismus bekämpft, Einwanderung steuert, gegen Rechtsextremismus vorgeht." Das kann funktionieren - Bundespolitik spielt schließlich bei beinahe jeder Landtagswahl eine wichtige Rolle.
Röttgen scheiterte am Wahlergebnis, nicht der Kandidatur
"Aber Norbert Röttgen", warnen viele. Er ist damals gescheitert, aber nicht, weil er als Bundesumweltminister in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident werden wollte, sondern weil die Menschen an Rhein und Ruhr mit ihm nicht viel anfangen konnten. Der Intellektuelle in Merkels Kabinett hatte keine Bodenhaftung - am Ende war sein desaströses Wahlergebnis sein Aus.
Auch Faeser wird letztlich am Wahlergebnis gemessen. Sie muss als Herausforderin nicht als Erste durchs Ziel gehen, aber einen Röttgen-Score sollte sie besser nicht hinlegen. Entscheiden werden das die Wähler und Wählerinnen in Hessen. Und die werden sie bis zum 8. Oktober sehr genau beobachten.
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