Neuer Kommissionspräsident Für Merkel ist die EU wichtiger als Weber
Kanzlerin Merkel hat in in Brüssel für Manfred Weber als neuen Kommissionschef geworben. Dabei ist sie bis an den Rand der Selbstverleugnung gegangen. Denn eigentlich favorisiert sie jemand anderen.
Bis an den Rand der Selbstverleugnung ist Angela Merkel gestern Abend gegangen. Denn im tiefsten Inneren denkt die Bundeskanzlerin in puncto EU-Kommissionspräsident wie ihr scheinbarer Kontrahent Emanuel Macron: Die Chefs der EU haben laut EU-Verträgen das Vorschlagsrecht, das Parlament die Rolle des Ja- oder Neinsagers.
Und vor allem sollte an der Spitze der bisher von älteren Herren dominierten EU-Kommission endlich, endlich eine Frau stehen - auch darin ist sich Merkel durchaus mit Macron einig. Zum Beispiel Margrete Vestager, die liberale Dänin, die von Merkel und Macron geschätzt wird, weil sie als EU-Wettbewerbskommissarin das Thema Steuergerechtigkeit gegen die mächtigsten US-Konzerne in der EU durchgesetzt hat, ganz gleich ob sie Apple oder Amazon heißen. Und die Google wegen Machtmissbrauchs zu einer Milliardenstrafe verurteilte.
Vestager hat parteiübergreifend gute Karten
Wenn eine Frau der EU in den USA ein Gesicht der Prinzipienfestigkeit gegeben hat - dann war und ist es Vestager. Privat könnten sich Merkel und Macron sehr schnell einigen, dass Vestager die ideale Frau für die Spitze der nächsten EU-Kommission ist - zumal die liberale Dänin parteiübergreifend gute Karten im EU-Parlament hat.
Vor allem bei den Liberalen, die noch vor den Grünen die größte Gewinner-Fraktion im neuen Parlament stellen. Doch so sehr sich Merkel und Macron bei der Juncker-Nachfolge persönlich einig sind, so wenig sind sie es in ihren offiziellen Rollen.
Merkel geht nicht aufs Ganze
Natürlich muss Merkel für Manfred Weber Position beziehen, ihren Parteifreund von der konservativen EVP. Die Kanzlerin erledigt diese Aufgabe elegant. Merkel weist Macron zurecht, indem sie darauf hinweist, dass auch der ehemalige Spitzenkandidat Martin Schulz keine politische Erfahrung auf der nationalen oder internationalen Bühne diesseits des EU-Parlamentes hatte.
Macron solle also mit dem Kriterium der Unerfahrenheit diesseits von Brüssel pfleglich umgehen, belehrt die Kanzlerin den französischen Präsidenten. Aber Merkel lässt sich bei ihrer Weber-Verteidigung immer ein Hintertürchen offen. Sie geht nicht aufs Ganze.
Vielmehr betont sie, es gehe ihr ums Ganze - also um die EU. Die größer und wichtiger ist als Weber. Und deren Bühne Merkel eines Tages unbeschadet durch Weber verlassen möchte. Wie immer der neue Kommissionspräsident dann heißt - oder die neue Kommissionspräsidentin.
Merkel geht für Weber bis an den Rand der Selbstverleugnung. Aber eben nur bis an den Rand. Und keinen Millimeter weiter.
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