Kommentar

Kommentar zu Moskaus Stellung Russland diktiert die Weltpolitik

Stand: 22.08.2008 21:09 Uhr

Das Verhalten Russlands im Kaukasus-Konflikt zeige, dass Moskau die Weltpolitik dirigiert und Amerika nichts als verbales Säbelrasseln bleibt, meint Ralph Sina. Die US-Regierung könne nur hoffen, dass die Oligarchen um Putin lieber Geld scheffeln als sich auf Dauer mit Amerika anzulegen.

Ein Kommentar von Ralph Sina, ARD Washington

Von Ralph Sina, WDR-Hörfunkstudio Washington

Die Weltmacht  Amerika, dem Öl-und Gasriesen Russland noch immer militärisch und wirtschaftlich haushoch überlegen, erlebt derzeit ein Albtraum-Szenario. Plötzlich diktiert nicht Washington, sondern Moskau das Geschehen auf der weltpolitischen Bühne. Südossetien möchte unabhängig  von Georgien werden? Bitte schön, sagen die Russen. Autonomie war für uns doch schon immer ein höchstwichtiges, weil basisdemokratisches Gut.

Die USA können vor diesem Zynismus nur kapitulieren. Außer verbalem Säbelrasseln, einem eingefrorenen Nato-Russland-Rat und der Aufkündigung einiger gemeinsamer Manöver haben die Vereinigten Staaten an Drohpotential gegen Moskau nichts zu bieten. Auch der hastig unterzeichnete US-Raketenpakt mit Warschau ist nicht viel mehr als eine Geste  amerikanischer Verzweiflung nach dem Motto: Wir geben Euch nicht auf, riskieren aber im Ernstfall keinen militärischen Konflikt mit Moskau.

Russland bestimmt doch über die NATO-Mitglieder

Demokraten und Republikanern ist es gleichermaßen ein Grauen, dass ab sofort Herr Putin und seine Marionetten  bestimmen könnten, wer in Zukunft Mitglied der NATO oder der Europäischen Union wird. Zum Beispiel im Fall der Ukraine:  Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis  Russland den Krimstaat am strategisch wichtigen Schwarzen Meer in ähnlicher Weise zu  kolonialisieren versucht wie Georgien.

Doch selbst Hardliner John McCain, der Russland am liebsten noch an diesem Wochenende aus dem wichtigen Kreis der mächtigen G8-Staaten ausschließen würde, muss erkennen: Amerika ist von Russland viel abhängiger als Moskau von Washington. Denn ohne Russlands Hilfe sind Amerikas Brandherde nicht zu löschen, zum Beispiel in Iran. Bereits jetzt rüstet Moskau die Mullahs in Teheran massiv mit Raketenabwehrsystemen auf - eine für Amerika und seinen engsten Verbündeten Israel brandgefährliche Situation.

Russland kann alle Konfliktherde schüren

Gleichzeitig kann die UN-Vetomacht Russland jederzeit alle Versuche aushebeln, den Iran-Konflikt diplomatisch zu lösen. Auch in Afghanistan kann Russland die Amerikaner noch stärker in die Defensive zwingen, als sie es ohnehin schon sind : Etwas Druck auf Kirgistan reicht aus und schon verlieren die USA eine ihrer wichtigsten Operationsbasen gegen die Taliban in Afghanistan. Iran, Afghanistan, Nordkorea – Russland  kann alle diese Krisen schüren und gefährliche Stellvertreterkriege führen.  

Der Schaden wäre für Washington deutlich größer als für Moskau. Syriens Präsident Baschar al-Assad hat die Gunst der Stunde  für alle Amerikagegner bereits begriffen und in dieser Woche schon einmal in Russland neue Waffensysteme geordert.

Der Kalte Krieg kehrt in Raten zurück. Den USA bleibt nur eine Hoffnung: Dass Russlands milliardenschwere Oligarchen um Ministerpräsident Putin kein Interesse  an einem Dauer-Konflikt mit den USA haben, weil sie lieber Dollar scheffeln, als ihren Reichtum in einem  neuen Kalten Krieg zu verlieren.

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