Verbrennerstreit beim EU-Gipfel Minimales Ergebnis, maximaler Schaden
Die Bundesregierung hat einen Streit um das Verbrenner-Aus angezettelt - und damit auf europäischer Bühne viel Schaden angerichtet. Deutschland steht da als ein Land, auf das kein Verlass ist.
Es ist fast schon gleichgültig, was am Ende beim Streit um den Verbrennermotor rauskommt. Ob das mehr ist als ein für alle irgendwie gesichtswahrender Formelkompromis. Sicher ist, dass Deutschland auf der europäischen Bühne ziemlich viel Schaden angerichtet hat.
Längst gefasste Beschlüsse einfach wieder neu aufrollen, aus innenpolitischen Gründen, das wird Nachahmer finden. Deutschland steht da als ein Land, auf das kein Verlass ist. Mit einer Regierung, die sich von vielen Partnern anhören musste, dass der Klimawandel scharfe Gegenmaßnahmen erfordert, die nur dann durchzuhalten sind, wenn kein Land ausschert. Und wenn alle sich auf die Rechtstreue des größten Landes in Europa verlassen können.
Eine gute Vorlage für Orban
Beim Gipfel in Brüssel fiel auf, dass ein Regierungschef dieses Mal gar nichts gesagt hat. Einer, der sonst keine Gelegenheit auslässt, querzuschießen: Der ungarische Regierungschef Victor Orban musste einfach nur zuhören. Und er konnte die Botschaft mitnehmen: Beschlüsse von gestern können heute in Frage gestellt werden, wenn es zu Hause das Regieren leichter macht. Deutschland hat es ja auch getan. Von allen Verbrenner-Verwerfungen ist der Nachahmereffekt der gefährlichste.
Es ist nicht übertrieben, da von einem Dammbruch zu sprechen. Denn all die Argumente, die Verkehrsminister Volker Wissing jetzt für den Verbrennermotor nennt - zum Beispiel, dass die Forschung weiter möglich sein muss, dass der Antrieb mit synthetischen Kraftstoffen heute vielleicht noch zu teuer ist, in einigen Jahren aber vielleicht schon eine echte Alternative zum Elektromotor bieten könnte - all diese Argumente sind seit langem bekannt.
Trotzdem hat sich die Bundesregierung - und damit auch die FDP - im vergangenen Herbst zusammen mit den Partnern entschieden, nur noch auf emissionsfreie Motoren zu setzen. Und Verbrenner-Autos sind nun mal nicht emissionsfrei. Auch nicht, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden.
FDP hinkt der Autoindustrie hinterher
Wie rückwärtsgewandt die FDP in dieser Frage taktiert hat, lässt sich am besten am Verhalten der Autoindustrie ablesen. Fast alle großen Autohersteller haben nämlich längst die Weichen für die Elektromobilität gestellt. Volkswagen und Audi, Volvo und Mercedes werden die Produktion von Benzinern und Dieseln einstellen. Und das schon deutlich vor 2035, also sogar früher als sie eigentlich müssten.
In Deutschland glaubt man fast nur noch bei Porsche, dass der Verbrenner auch mit den extrem teuren synthetischen Kraftstoffen noch eine Zukunft hat. Das könnte an der Kundschaft liegen. Aber kann das im Ernst der Maßstab für das Handeln der Bundesregierung sein? Natürlich nicht!
Das wissen auch die Liberalen, das weiß auch Porschefahrer Christian Lindner. Ihm geht es um etwas anderes. Er will seine Liberalen nach vielen Wahlniederlagen in den Bundesländern wieder verlässlich über fünf Prozent bringen. Und dafür scheint ihm die Nostalgie der Deutschen zum Otto-Motor, ihre nationale Treue zu Benzin und Diesel genau der richtige Angang zu sein. So verzweifelt ist die FDP, dass sie die Autohersteller maximal verunsichert und ausgerechnet diejenigen unter den Konzernchefs bestraft, die sich auf die Vereinbarung der Europäer inklusive Deutschland verlassen hatten.
Scholz muss eine Ansage machen
Weil es hier um nichts anderes als Egoismus beim kleinsten Koalitionspartner geht, ist der Bundeskanzler gefragt. Olaf Scholz wird sich entscheiden müssen. Gegen den eigenen Verkehrsminister oder gegen die Brüsseler EU-Kommission. Die hatte bisher große Hoffnungen auf die Bundesregierung gesetzt, Deutschland sollte Zugpferd im Kampf gegen die Klimakrise sein.
Wenn jetzt plötzlich kleinkarierte Berliner Koalitionsarithmetik wichtiger ist, sollte der Bundeskanzler das sagen. Auch andere Regierungen in der EU mussten schon mit Koalitionsknatsch zurechtkommen, auch andere Regierungschefs stellen nationale Interessen schon mal über das europäische Gemeinwohl. Aber dann bitte professionell. Ein klares, verlässliches Nein zum Verbrenner-Aus von Anfang an hätte allen das peinliche Dramolett der vergangenen Wochen erspart.
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