Peter Radtke - Schauspieler mit Glasknochenkrankheit Spielend gemeistert behindert auf der Bühne
Er ist klein wie ein Kind. Sein Kopf sitzt direkt auf dem Rumpf, ein Hals ist nicht zu sehen. Seine Knochen sind wie aus Glas, der Rollstuhl sein ständiger Begleiter. tagesschau.de sprach mit Peter Radtke - Schauspieler, Autor und Mitglied im Nationalen Ethikrat, über behindert sein und behindert werden.
Von Sofie Donges für tagesschau.de
"Meine äußere Erscheinung ist gewöhnungsbedürftig", findet Peter Radtke. Wegen seiner Größe muss er in Gesprächen fast immer zu seinem Gegenüber aufschauen. Der muss zwangsläufig auf ihn herabschauen. "Ich habe viel Selbstwertgefühl mit auf den Weg bekommen, das macht mir nichts aus. Ich glaube eher, dass es von den Nichtbehinderten eine gewisse Überwindung verlangt, aber in der Regel ist das nach zwei bis drei Minuten weg."
Mitte der achtziger Jahre stand Radtke zum ersten Mal bei den Münchener Kammerspielen auf der Bühne. Theaterregisseur George Tabori hatte ihn entdeckt und ließ ihn in ein behindertes Kind spielen. Die Kritik in der Presse war harsch: "Das Theater darf viel, das darf es nicht" war zu lesen. Und "Es war ein interessantes Experiment, aber es sollte nicht wiederholt werden". Trotzdem spielte er weiter, behinderte und nichtbehinderte Charaktere, von Stalin bis zum Hauptmann in Georg Büchners Woyzeck. Mittlerweile konzentrieren sich die Kritiker auf die künstlerische Bewältigung einer Rolle. Eine Nadel könne man fallen hören, so packe seine dichte Bühnenpräsenz die Zuschauer, schreiben die "Vorarlberger Nachrichten" über einen Auftritt 2001.
Peter Radtke kam 1943 in Freiburg auf die Welt. Seit seiner Geburt leidet er an der Glasknochenkrankheit. Neben der Schauspielerei in Film und Theater arbeitet er noch als Autor, ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien e.V. und Mitglied im Nationalen Ethikrat. Für seine kulturelle Arbeit bekam er 1995 das Bundesverdienstkreuz.
Angst haben nur Regisseure und Intendanten
Radtke ist eine Ausnahme unter den Schauspielern mit Handicap. Er genießt viel mediale Aufmerksamkeit, nicht zuletzt wegen seines Engagements im Nationalen Ethikrat. Andere behinderte Schauspieler haben es schwerer: Die meisten sind entweder in typischen Behindertengruppen aktiv oder in integrativen Gruppen. An großen Häusern in traditionellen Produktionen findet man sie selten. "Behinderung in normalen Ensembles zu integrieren, davon sind wir einfach noch zu weit weg", kritisiert Radtke. "Verschlossen gegenüber Behinderungen sind die Verantwortlichen; die glauben, dass könnte ja Einschaltquote kosten oder einen Einbruch beim Abonnement bringen. Ich habe eher positive Erfahrung mit dem Publikum gemacht." Die Leute wollten Charaktere sehen, nicht austauschbare Schauspieler wie in typischen US-Serien, glaubt Peter Radtke: "Wenn ich mir Ottfried Fischer oder Dieter Pfaff anschaue – das sind keine besonders schönen Menschen, aber es sind Charaktere. Es gibt also durchaus diejenigen, die zu ihrer vielleicht auch außergewöhnlichen äußeren Erscheinung stehen."