Nach einem israelischem Angriff steigt im Südlibanon eine Rauchsäule auf.
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Krieg in Nahost ++ Beschuss an israelisch-libanesischer Grenze ++

Stand: 30.12.2023 22:42 Uhr

Die israelische Armee hat ihr Bombardement von Zielen im Gazastreifen fortgesetzt. Das US-Außenministerium genehmigt unter Umgehung des Kongresses den Verkauf weiterer Waffen an Israel. Die Entwicklungen im Liveblog vom Samstag zum Nachlesen.

30.12.2023 • 22:42 Uhr

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Israel muss nach Darstellung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Zukunft die Grenzregion zwischen dem Gazastreifen und Ägypten kontrollieren. "Der Philadelphi-Korridor - oder besser gesagt, das südliche Ende des Gazastreifens - muss in unserer Hand sein", sagt Netanyahu bei einer Fernsehansprache. Der Bereich müsse geschlossen werden. "Es ist klar, dass jede andere Regelung nicht die Entmilitarisierung gewährleisten würde, die wir anstreben."

Der Krieg im Nahen Osten wird nach Darstellung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu noch Monate dauern. Israel kämpfe an "allen Fronten", sagt er laut der Nachrichtenagentur Reuters in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache.

Bei mutmaßlich israelischen Luftangriffen im Osten Syriens sind nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 19 pro-iranische Kämpfer getötet worden. Unter den Getöteten seien vier Syrer und sechs Iraker, teilte die in Großbritannien ansässige Organisation mit. Demnach wurden bei anderen Angriffen in der Nähe von Aleppo im Norden Syriens drei weitere Menschen getötet. Bei den mindestens neun Luftangriffen auf militärische Stellungen in und um die Stadt Bukamal in der nordöstlichen Grenzprovinz Deir Essor seien rund 20 Menschen verletzt worden, hieß es weiter. 

Es handele sich "wahrscheinlich" um israelische Angriffe, sagte Rami Abdel Rahman, der Direktor der Beobachtungsstelle, der Nachrichtenagentur AFP. Er hatte zunächst von "mutmaßlichen US-Angriffen" gesprochen. Ein Vertreter des US-Militärs sagte AFP, sein Land habe in der vergangenen Nacht "keinen Defensivangriff ausgeführt". 

Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights, SOHR) sitzt in Großbritannien und will Menschenrechtsverletzungen in Syrien dokumentieren. Sie bezeichnet sich als unabhängig. Die Informationen der Beobachtungsstelle lassen sich nicht unabhängig überprüfen.  

Nach Darstellung einer palästinensischen Terrorgruppe ist eine Geisel im Gazastreifen bei einem Luftangriff getötet worden. Zuvor habe Israels Armee versucht, den israelischen Soldaten zu befreien, hieß es vom bewaffneten Arm der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Der Versuch sei gescheitert.

Die von den USA und der EU als Terrororganisation eingestufte Gruppe behielt seine Leiche demnach. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee wollte auf Anfrage keinen Kommentar geben.

Israels Oppositionspolitiker Benny Gantz hat Bundeskanzler Olaf Scholz um Unterstützung bei der Fernhaltung der libanesischen Hisbollah von der israelischen Grenze gebeten. "Der Staat Israel kann sich mit einer solchen Bedrohung nicht abfinden und Deutschland muss gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft eine wichtige Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass diese Bedrohung beseitigt wird", schrieb Gantz auf X.

Gantz, dessen Partei nach jüngsten Umfragen bei einer Wahl gegenwärtig mit Abstand stärkste Fraktion in Israel werden würde, hat nach eigenen Angaben bereits am Freitag mit Scholz gesprochen. Die proiranische Schiitenmiliz von der Grenze fernzuhalten sei auch im Interesse der gesamten Region, betonte Gantz, der aktuell auch Minister in Israels Kriegskabinett ist.

Das syrische Verteidigungsministerium meldet eine israelischen Luftangriff südlich von Aleppo. Die israelische "Aggression" sei vom Mittelmeer ausgegangen und habe sich gegen mehrere Ziele im Raum Aleppo gerichtet. Es sei Sachschaden entstanden.

Die israelische Armee lehnte einen Kommentar ab - wie üblich bei angeblichen Angriffen im Nachbarland.

Im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon hat es erneut Beschuss gegeben. Aus dem Südlibanon seien mehrere Raketenstarts registriert worden, teilte die israelische Armee mit. Ein verdächtiges Geschoss sei im israelische Luftraum abgefangen worden.

Die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz teilte mit, israelische Soldaten angegriffen zu haben. Man habe eine israelische Stellung mit einer Drohne attackiert.

Die israelische Armee soll daraufhin drei "Terrorgruppen" im Libanon aus der Luft angegriffen haben. Zudem sei "die operative Infrastruktur der Hisbollah" attackiert worden. Die libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete israelischen Artilleriebeschuss im Südlibanon. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht.

Bei einer mutmaßlichen Autoattacke in der Nähe eines Armeepostens ist im Westjordanland nach israelischen Angaben ein Mensch verletzt worden. Das Opfer soll nach Medienberichten bei Bewusstsein sein.

Der "Terrorist" in dem Auto sei nach dem Vorfall unweit von Hebron "neutralisiert" worden, so die Armee. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah ist der Palästinenser tot.

Die fragile Sicherheitslage im von Israel besetzten Westjordanland hat sich seit Ausbruch des Krieges deutlich verschlechtert. Bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten, aber auch Attacken von israelischen Siedlern wurden 306 Palästinenser getötet, wie das Gesundheitsministerium in Ramallah mitteilte.

Nach Angaben des Internationalen Presse-Instituts (IPI) sind seit Ausbruch des Krieges mindestens 65 Journalistinnen und Journalisten getötet worden. "Dies ist die größte Anzahl von Journalisten, die in einem modernen Krieg oder Konflikt in so kurzer Zeit getötet wurden", teilte das Institut in Wien mit. An Israel und die internationale Gemeinschaft wurde appelliert, dafür zu sorgen, dass Medienvertreter frei und sicher arbeiten können. Journalisten im Gazastreifen mangele es an Nahrungsmitteln, sauberem Wasser, Wasser und zeitweise Kommunikationsmöglichkeiten - genauso wie dem Rest der Zivilbevölkerung.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat zu mehr Einsatz gegen Antisemitismus aufgerufen. Viele Jüdinnen und Juden fühlten sich derzeit alleingelassen, sagte sie dem Berliner Tagesspiegel: "Sie spüren auch Gleichgültigkeit und fragen sich, warum so wenige gegen den Antisemitismus bei uns im Land protestieren." Es müssten sich mehr Menschen gegen Judenhass engagieren.

Zugleich müsse auch das Leid der Menschen im Gazastreifen gesehen werden, sagte Bas. Die Menschen dort würden von der palästinensischen Terrororganisation Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht und lebten im Elend.

Die in Berlin für die Silvesternacht angemeldete pro-palästinensische Kundgebung ist von der Versammlungsbehörde verboten worden. Das teilte die Polizei am Samstagmittag mit. Es bestehe die unmittelbare Gefahr, "dass es bei der Versammlung zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichungen, dem Vermitteln von Gewaltbereitschaft und dadurch zu Einschüchterungen sowie Gewalttätigkeiten kommt", hieß es zur Begründung.

Die Kundgebung war unter dem Motto "No Celebration during Genocide" ("Keine Feiern während eines Völkermordes") für die Zeit von Silvester 22.30 Uhr bis Neujahr 01.00 Uhr angemeldet worden. Die Veranstalter werfen Israel vor, mit seinem Krieg gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen einen "Völkermord" zu begehen, was Israel vehement zurückweist.

Israels Militär hat für Samstag eine vierstündige taktische Kampfpause in einem Lager in Rafah im Süden des Gazastreifens verkündet. Militärische Aktivitäten würden dort aus humanitären Gründen vorübergehend eingestellt, teilte ein Sprecher der Armee auf der Plattform X am Samstag auf Arabisch mit. Dies solle es der Bevölkerung ermöglichen, Vorräte zu besorgen.

Israels Militär hatte zuvor die Einwohner der heftig umkämpften Stadt Chan Junis im Süden des Küstengebiets aufgefordert, sich in Rafah nahe der ägyptischen Grenze in Sicherheit zu bringen. Berichten zufolge sind dort Tausende Palästinenser in Zelten untergekommen.

In der Nacht sind nach Angaben von Bewohnern israelische Panzer weiter in Gebiete im zentralen und südlichen Gazastreifen vorgerückt. Es habe schweren Luft- und Artilleriebeschuss gegeben. Die Kämpfe am Freitagabend und Samstagmorgen hätten sich auf Al-Bureidsch, Nuseirat und Chan Junis konzentriert.

Die Angaben decken sich mit Äußerungen des israelischen Militärs, wonach die Armee dabei ist, sich auf den Süden und mittleren Gazastreifen zu konzentrieren.

Die Versorgungslage im Gazastreifen ist weiterhin sehr schwierig - es mangelt an Lebensmitteln, Medikamenten und nahezu allen Sachen des Alltags. Israel gestattete die Einfuhr von gefrorenem Fleisch aus Ägypten über den Grenzübergang Kerem Schalom in das Küstengebiet. In Rafah führte dies zu einem Ansturm auf die Geschäfte.

Palästinenser drängen sich in Rafah in einem Geschäft, um Fleisch aus Ägypten zu kaufen.

Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 30.12.2023 12:16 Uhr

Südafrika hat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag des Völkermords beschuldigt und eine Einstellung der Kämpfe verlangt. In der am Freitag eingereichten Klage ersucht Südafrika das Gericht um eine einstweilige Verfügung, mit der Israel aufgefordert wird, den Militäreinsatz in dem dicht besiedelten Küstengebiet unverzüglich auszusetzen. Israel wies die Anschuldigung eines Genozids am palästinensischen Volk als völlig haltlos zurück und bezeichnete Südafrikas Antrag laut Medienberichten als eine "verabscheuungswürdige" Ausnutzung des Weltgerichts.

Björn Dake, ARD Tel Aviv, mit Details zu Südafrikas Vorwurf gegen Israel und zu aktueller Lage in Gaza

tagesschau24, 30.12.2023 10:00 Uhr

In den vorübergehenden Unterkünften im Gazastreifen mit Zehntausenden Vertriebenen auf engstem Raum nehmen Krankheiten nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA weiter zu. Gesundheitsdienste seien schon lange überfordert, und immer wieder neue, von Israel angeordnete Vertreibungen machten ihre Aufgabe noch schwieriger.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, listete beim Kurznachrichtendienst X die Krankheitsfälle auf. Danach litten bereits 180.000 Menschen an Atemwegsentzündungen, mehr als 136.000 Kinder unter fünf Jahren an Durchfall. Es gebe mehr als 55.000 Fälle von Läusen und Krätze.

Durchfall ist für Kinder unter fünf Jahren lebensgefährlich, wenn sie nicht behandelt werden, weil der Körper Wasser und wichtige Mineralstoffe verliert. Das UN-Kinderhilfswerk hat nach Angaben von OCHA am Freitag 600.000 Impfdosen in den Gazastreifen geliefert. Damit sollen kleine Kinder trotz des Krieges im nächsten Jahr ihre Routineimpfungen erhalten. Dazu gehören zum Beispiel Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten.

Die israelische Armee hat ihr Bombardement von Zielen im Gazastreifen fortgesetzt. Wie die Armee am Morgen mitteilte, griffen Kampfflugzeuge im Verbund mit den Bodentruppen und flankiert von der Marine "in verschiedenen Gebieten" des abgeriegelten Küstenstreifens "terroristische Zellen und Infrastruktur an". Die Truppen lieferten sich "heftige" Gefechte mit Terroristen. So habe man im Laufe des vergangenen Tages in der Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens Dutzende von Terroristen getötet, hieß es. Erneut seien im Gazastreifen militärische Anlagen der islamistischen Hamas sowie Waffenlager von den Truppen gesprengt worden.

Karte Gazastreifen mit den von der israelischen Armee kontrollierten Gebieten

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee

Während die Armee nach vorherigen eigenen Angaben dabei ist, im Norden die operative Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen, konzentriert sie sich nun auf den Süden und mittleren Gazastreifen. So wurden die Kämpfe vor allem in der südlichen Stadt Chan Junis ausgeweitet. Dort vermutet die Armee in den unterirdischen Tunnel Führungsleute der Hamas. Chan Junis gilt als die Hochburg der Hamas.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

In Israel setzt sich nach Einschätzung der Nahost-Expertin Lidia Averbukh allmählich die Erkenntnis durch, dass die von der Regierung ausgegebenen Kriegsziele "zu ambitioniert" seien. "Israel hat zwei definierte Ziele: die Hamas zu zerstören und die Geiseln zu befreien", sagte die Politikwissenschaftlerin von der Bertelsmann-Stiftung der Nachrichtenagentur AFP. "Wenn das die Bedingungen für ein Ende des Krieges sein sollten, dann könnte dieser Krieg noch eine ganze Weile dauern."

"Die Hamas zu zerstören und angesichts der komplizierten Kämpfe auch die Geiseln zu befreien, ist sehr schwierig", sagte die Politikwissenschaftlerin, die an der Universität der Bundeswehr in München unter anderem zum israelischen Rechtssystem forschte. In fast drei Monaten Krieg habe sich gezeigt, "dass es nicht ohne Weiteres geht, die Hamas zu zerstören". Zudem habe die israelische Führung dieses Ziel von Anfang an auch nicht klar definiert. "Aber selbst wenn es darum geht, die wichtigsten Köpfe der Hamas auszuschalten, könnte auch dieses Vorhaben noch mehrere Monate dauern." 

Für ein Umdenken im festgefahrenen Nahostkonflikt sieht Averbukh derzeit "keine Anhaltspunkte" - weder bei Israelis noch bei Palästinensern. Derzeit spreche eher vieles dafür, dass der Konflikt sich "verstetigt und vielleicht noch grausamer werden könnte". 

Das US-Außenministerium hat unter Umgehung des Kongresses den Verkauf weiterer Waffen an Israel im Millionenwert genehmigt. Ohne die sonst bei Rüstungsverkäufen ins Ausland übliche Überprüfung durch den Kongress sei damit grundsätzlich der Verkauf von Waffen im Wert von 147,5 Millionen Dollar (rund 133 Mio Euro) möglich, teilte die zuständige Behörde Defense Security Cooperation Agency in Washington mit. Es gehe um die nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten, hieß es.

US-Außenminister Antony Blinken begründete die Genehmigung demnach mit einer Notlage, die den sofortigen Verkauf der Rüstungsgüter an Israel erfordere. Er hatte bereits am 9. Dezember in ähnlicher Weise den Kongress umgangen, um einen Waffenverkauf an Israel zu ermöglichen.

Nach Raketenbeschuss aus Syrien hat die israelische Armee nach eigenen Angaben Angriffe auf das Land ausgeführt. Vor Kurzem seien nach dem Ertönen von Luftalarm "im Norden Israels" zwei Raketen auf offenem Gelände abgestürzt, erklärte die Armee in der Nacht auf Samstag. Das Militär gehe nun gegen den Ursprung des Beschusses vor. Israel sieht die annektierten Golanhöhen als Teil seines Nordbezirks an.

Nach Angaben des syrischen Verteidigungsministeriums und laut syrischen Staatsmedien hatte ein israelischer Angriff am Donnerstag die Hauptstadt Damaskus zum Ziel. Generell äußert sich Israel kaum zu einzelnen Angriffen in Syrien. Es betont aber immer wieder, es werde nicht zulassen, dass sein Erzfeind Iran seine Präsenz in Syrien ausweite.

Teheran ist mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad verbündet. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 hat Israel das Nachbarland hunderte Male aus der Luft beschossen. Die Angriffe richten sich insbesondere gegen die vom Iran unterstützte libanesische Hisbollah-Miliz, aber auch gegen Stellungen der syrischen Armee.

30.12.2023 • 01:52 Uhr

Liveblog vom Freitag zum Nachlesen

29.12.2023 • 22:58 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. Dezember 2023 um 10:00 Uhr.