Aiman al-Safadi (Archiv 11.06.2024)
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Krieg in Nahost ++ Vertreibung in Gaza für Ägypten und Jordanien "rote Linie" ++

Stand: 10.07.2024 23:50 Uhr

Ägypten und Jordanien warnen Israel vor einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen. Israel hat nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers 60 Prozent der Hamas-Terroristen getroffen. Der Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen.

10.07.2024 • 23:50 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit schließen wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse!

Die Vereinten Nationen haben angesichts einer israelischen Evakuierungsanordnung für die Stadt Gaza den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung angemahnt. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte, die Palästinenser müssten versorgt werden, egal, ob sie aus Gaza fliehen oder bleiben wollten. Die Warnung des UN-Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) bedeute, dass alle am Konflikt in Gaza beteiligten Parteien das Völkerrecht zu jeder Zeit respektieren müssten. "Das Ausmaß der Kämpfe und der Zerstörung, das wir in den vergangenen Tagen während der laufenden Waffenstillstandsgespräche erleben, ist wirklich schockierend", sagte Dujarric.

Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in den palästinensischen Gebieten, Muhannad Hadi, informierte Generalsekretär António Guterres am Mittwoch über seinen Besuch im Gazastreifen am Vortag und die dortige Lage. "Er sah aus erster Hand die Folgen des Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als er den Gazastreifen über den Kerem-Schalom-Übergang betrat und verließ", sagte Dujarric. Männer mit Stöcken hätten auf Lastwagen gewartet, die über den Grenzübergang Kerem Schalom in den Gazastreifen einfahren wollten. "Alle Lastwagen, an denen er vorbeikam, waren schwer beschädigt, mit zerbrochenen Windschutzscheiben, Spiegeln und Motorhauben."

Hadi sah laut Dujarric auch Säcke mit angereichertem Mehl des Welternährungsprogramms und des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, die am Straßenrand lagen. Frauen in einer Unterkunft der UN hätten ihm von erschütternden Zuständen in den Camps für vertriebene Palästinenser berichteten. Sie könnten ihre Angehörigen nicht versorgen, erhielten keine medizinische Versorgung und manche hätten sich wegen Läusebefalls die Haare abgeschnitten.

Nach einer Evakuierungsanordnung des israelischen Militärs haben sich am Mittwoch unter den Menschen in der Stadt Gaza Verwirrung und Angst verbreitet. Zunächst schien es aber keinen Massenexodus nach Süden ins Zentrum des Gazastreifens zu geben. Laut der Nachrichtenagentur AP befürchteten einige Bewohner, dass sie auf der Flucht beschossen oder festgenommen werden könnten.

Die britische Hilfsorganisation "Medical Help for Palestinians" warnte angesichts der Anordnung des Militärs, die verbliebenen Krankenhäuser in Gaza könnten nicht mehr zugänglich sein. Das israelische Militär habe mit seinem Befehl an alle Palästinenser, Gaza zu verlassen, Panik geschürt. Auch in den medizinischen Einrichtungen fühlten sich die Menschen nicht mehr sicher. Wegen Angriffen in der Umgebung am Sonntag seien bereits Personal und Patienten des Al-Ahli-Krankenhauses aus der Einrichtung geflohen.

Die Außenminister Ägyptens und Jordaniens warnen Israel vor einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen und dem besetzten Westjordanland. Sowohl die Vertreibung innerhalb der beiden Palästinensergebiete als auch anderswohin sei für beide Länder eine "rote Linie", sagte der jordanische Außenminister Aiman al-Safadi bei einem Treffen mit seinem ägyptischen Amtskollegen Badr Abdel-Atti in Kairo.

Abdel-Atti wirft Israel vor, eine systematische Politik der erzwungenen Umsiedlung von Palästinensern zu betreiben. Sowohl Kairo als auch Amman lehnten das entschieden ab, sagte der Minister und fügte hinzu, Israels Vorgehen untergrabe das Prinzip, das einst als Grundlage für den Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten gedient habe. 

Israels Armee hat eigenen Angaben zufolge militärische Infrastruktur der syrischen Armee angegriffen. Diese habe über die Pufferzone zwischen beiden Ländern hinausgeragt und habe somit ein Entflechtungsabkommen zwischen beiden Staaten verletzt, begründete das israelische Militär den Beschuss durch Panzer und Artillerie.

Was genau die Armee angriff, teilte sie nicht mit. Israelischen Medien zufolge sollen vier Beobachtungsposten der syrischen Armee gemeint sein.

10.07.2024 • 17:11 Uhr

Netanyahu: Halten an Gaza-Deal fest

Ungeachtet der Differenzen bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu beteuert, am Ziel eines Abkommens im Gaza-Krieg festzuhalten.

Israel sei zu einem Deal bereit, solange die roten Linien seines Landes gewahrt würden, sagte Netanyahu nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit dem Nahost-Koordinator des Weißen Hauses, Brett McGurk.

Rund 40 Einrichtungen hatten sich bereit erklärt, Kinder aus Gaza in Deutschland zu behandeln und die Kosten dafür zu übernehmen. Doch das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium haben Sicherheitsbedenken, berichtet Cosima Gill.

Zwei Drittel der Schulen des Palästinenserhilfswerks UNRWA im Gazastreifen sind nach Angaben der Organisation bei Angriffen getroffen worden. "Einige wurden ausgebombt, viele schwer beschädigt", schrieb UNRWA-Chef Philippe Lazzarini auf der Plattform X.

Allein in den vergangenen vier Tagen seien vier Schulen getroffen worden. Nach eigenen Angaben betrieb das UN-Flüchtlingshilfswerk vor dem Krieg 284 Schulen in dem abgeriegelten Küstenstreifen.

10.07.2024 • 12:28 Uhr

Der ferne Traum einer Feuerpause

Viele Menschen in Gaza treiben alltägliche Fragen um - etwa woher sie Lebensmittel und sauberes Wasser bekommen. Die Hoffnung auf eine Feuerpause haben viele längst begraben, berichtet ARD-Korrespondent Björn Dake aus Tel Aviv.

Die israelische Armee hat alle Einwohner von Gaza aufgerufen, die Stadt zu verlassen. "Die Stadt Gaza bleibt ein gefährliches Kampfgebiet", hieß es auf Flugblättern, die über der Stadt abgeworfen wurden. Alle Einwohner sollten sich über "Sicherheitskorridore" Richtung Süden in Schutzunterkünfte begeben.

Björn Dake, ARD Berlin, zzt. Tel Aviv, tagesschau, 10.07.2024 12:23 Uhr

Die Bundesregierung hat den Israel zugeschriebenen Angriff auf eine Schule im südlichen Gazastreifen scharf verurteilt. Dass Menschen getötet würden, die in Schulen Schutz suchten, sei "nicht hinnehmbar", erklärte das Auswärtige Amt im Onlinedienst X.

"Zivilisten, gerade auch Kinder, dürfen nicht zwischen die Fronten geraten. Die wiederholten Angriffe der israelischen Armee auf Schulen müssen aufhören." Der Vorfall müsse "rasch" untersucht werden.

Bei dem Angriff auf eine Schule im südlichen Gazastreifen waren nach Angaben aus Klinikkreisen am Dienstag mindestens 29 Menschen getötet worden.

Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant haben die Streitkräfte bei ihrem Einsatz im Gazastreifen inzwischen 60 Prozent der Hamas-Terroristen verwundet oder getötet. Das sagte Gallant vor den Abgeordneten der Knesset. Er setzte hinzu, das Militär habe inzwischen die Mehrheit der 24 Hamas-Bataillone aufgerieben.

Karte: Gazastreifen, dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben eine Stellung der Hisbollah-Miliz im Süden des Libanons angegriffen. Ziel sei ein Luftabwehrsystem der Miliz in der Gegend von Janta gewesen, hieß es.

Die meisten israelischen Militärangriffe in den vergangenen Wochen galten Zielen im Süden und Südosten des Libanons. Die Hisbollah ist überaus einflussreich im Libanon und mit der Hamas im Gazastreifen verbündet. Immer wieder liefert sie sich Scharmützel mit dem israelischen Militär.

Die jemenitischen Huthi haben laut der britischen Marine-Handelsbehörde United Kingdom Maritime Trade Operations (UKMTO) im Golf von Aden ein Schiff angegriffen. Zunächst war von einem "Vorfall" und Explosionen 40 Seemeilen südlich der jemenitischen Stadt Mokka die Rede. Unter welcher Flagge und welchem Namen das Schiff unterwegs war, gab sie nicht bekannt - das Schiff und die Besatzung sind jedoch laut UKMTO in Sicherheit.

Die Ausweitung der israelischen Militäroffensive im nördlichen Gazastreifen führt zu chaotischen Szenen. Das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) berichtete, Tausende Palästinenser flüchteten aus der Stadt Gaza in verschiedene Richtungen. Sie wüssten nicht, welcher Weg noch sicher sei.

"Viele wurden unter Beschuss und Bombardierung vertrieben, und nur sehr wenige konnten ihr Hab und Gut mitnehmen", sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric. Flüchtende müssten sich in oder durch Viertel begeben, in denen Kämpfe tobten - oder in Gebiete, für die später wiederum Evakuierungsanordnungen erlassen worden seien, sagte Dujarric.

Israels Militär untersucht Medien zufolge Berichte, wonach Dutzende Zivilisten bei einem Luftangriff in Chan Yunis im Süden getötet wurden. Nach Angaben des israelischen Militärs sei das Ziel ein Hamas-Terrorist gewesen, der an dem Massaker vom 7. Oktober in Israel beteiligt gewesen sein soll, schrieb die "Times of Israel". Nach Darstellung der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen griff die israelische Armee eine Schule in Chan Yunis an. Mindestens 25 Menschen - nach anderen Angaben 29 - seien dabei getötet worden.

Die iranische Regierung facht nach Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste die Proteste gegen den Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas an, um vor der US-Präsidentschaftswahl im November Unfrieden zu stiften. Die US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines teilte mit, Gruppen mit Verbindungen nach Teheran hätten in den USA beliebte Social-Media-Plattformen genutzt, um zu Protesten anzuregen.

Avril Haines

US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines wirft dem Iran auch finanzielle Unterstützung der Proteste vor.

Im Gazastreifen breitet sich nach Einschätzung von UN-Experten eine Hungersnot aus. US-Präsident Biden hat eine frühere Geisel der militant-islamistischen Hamas im Weißen Haus empfangen. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Juli 2024 um 03:00 Uhr.