Jens Stoltenberg
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Krieg gegen die Ukraine ++ "Stärkste Garantie ist NATO-Mitgliedschaft" ++

Stand: 30.09.2024 23:02 Uhr

NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat erneut gefordert, die Ukraine in das Militärbündnis aufzunehmen. Laut dem Kremlkritiker Kara-Mursa gibt es heute in Russland mehr politische Gefangene als in der UdSSR. Die Entwicklungen vom Montag zum Nachlesen.

30.09.2024 • 23:02 Uhr

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Zum zweiten Jahrestag der von Moskau verkündeten Annexion von vier Regionen in der Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Entschlossenheit seines Landes bei der Militäroffensive bekräftigt. "Die Wahrheit ist auf unserer Seite. Alle gesetzten Ziele werden erreicht werden", sagte Putin in einer am Montag veröffentlichten Videobotschaft.

In seiner Botschaft zur Feier des "Wiedervereinigungstages" wiederholte der russische Präsident seine Begründung für den Einmarsch in die Ukraine: Es gehe darum, die russischsprachige Minderheit gegen die ukrainische "Neonazi-Diktatur" zu schützen.

Die Ukraine hat ihren Unmut über die Schweizer Unterstützung für einen von China und Brasilien vorgelegten Friedensplan für ein Ende des russisch-ukrainischen Krieges geäußert.

"Alle Initiativen, die keinen eindeutigen Verweis auf die UN-Charta enthalten und nicht die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine garantieren, sind inakzeptabel", schrieb das Außenministerium in Kiew in einem Kommentar.

Derartige "Friedensinitiativen" seien nur dazu da, um eine Illusion von Dialog zu erzeugen. Kiew zeigte sich ebenso verärgert darüber, dass ohne die Ukraine über die Ukraine geredet werde. 

Die Situation an der Front ist aus Sicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj angespannt. Die Lage sei "sehr, sehr schwierig", sagte er in seiner abendlichen Videoansprache mit Bezug auf ein Treffen mit hochrangigen Kommandeuren.

Dies betreffe jeden einzelnen Frontabschnitt sowie die gegenwärtigen als auch zukünftigen Kapazitäten der ukrainischen Armee. Die Streitkräfte müssten nun alles tun, was in ihrer Macht stehe. "Alles, was diesen Herbst getan werden kann, alles, was wir erreichen können, muss erreicht werden."

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht im sogenannten "Job-Turbo" für ukrainische Geflüchtete einen Erfolg. Laut Scholz waren im Juli 266.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland berufstätig, 71.000 mehr als ein Jahr zuvor. Scholz betonte, dass Arbeit "das entscheidende Kriterium für Integration" sei. "Können und wollen wir noch besser werden? Ebenfalls ja", fügte er hinzu.

Arbeitsminister Hubertus Heil hatte das Unterstützungsprogramm im Herbst aufgelegt. Es richtet sich an Geflüchtete mit einer Bleibeperspektive, die schneller in Arbeit gebracht werden sollen, vor allem durch eine stärkere Betreuung durch die Jobcenter. Es sei sei aber "kein Selbstläufer", so Heil. "Da muss man Hürden weghauen - Sprachhürden, Berufsanerkennungshürden" und manchmal auch Hürden "in den Köpfen".

Außerdem seien 704.000 Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern in Arbeit gewesen, was ebenfalls ein Plus von 71.000 bedeute

Der scheidende NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat sich deutlich für eine Mitgliedschaft der Ukraine in dem Verteidigungsbündnis ausgesprochen. Dem NDR-Info-Podcast "Streitkräfte und Strategien" sagte Stoltenberg, die Mitgliedschaft sei eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass der Krieg auch tatsächlich ende.

Der Krieg begann 2014, als Russland zuerst die Krim einnahm. Sie warteten einige Wochen und gingen dann in den Osten des Donbass. Dann hatten wir das Minsk-1-Abkommen, einen Waffenstillstand. Russland hat dies verletzt und die Front weiter Richtung Westen verschoben. Dann hatten wir das Minsk-II im Jahr 2015, einen neuen Waffenstillstand. Und dann hat Russland sieben Jahre gewartet, um eine vollständige Invasion im Jahr 2022 zu starten. Deshalb müssen wir diesmal sicherstellen, dass das aufhört, wenn es eine Vereinbarung gibt. Und deshalb brauchen wir die Garantien - und die stärkste Garantie, die die Ukraine erreichen kann, ist natürlich die NATO-Mitgliedschaft.

Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand müssten die Ukraine und Russland selbst führen. Aber dann müsste die NATO in die Gespräche einsteigen. Allerdings, so Stoltenberg, sei der Raum für einen sinnvollen Dialog mit Russland während seiner Amtszeit sehr begrenzt gewesen.

In Russland gibt es nach den Worten des dort jahrelang inhaftierten Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa heute mehr politische Gefangene als am Ende der Sowjetzeit in der gesamten UdSSR. "Es gibt mehr als 1300 bekannte politische Gefangene in Putins Russland, viel mehr als in den letzten Jahren der gesamten Sowjetunion", sagte Kara-Mursa vor dem Europarat in Straßburg.

Zur Lage politischer Gefangener in Russland sagte Kara-Mursa anlässlich der Verleihung des Vaclav-Havel-Preises an die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado weiter: "Die freie Welt weiß, dass die wahren Verbrecher diejenigen im Kreml sind, die den Krieg in der Ukraine angezettelt haben, nicht diejenigen, die im Gefängnis sitzen, weil sie sich ihm widersetzt haben." 

Es sei eine "Propaganda-Lüge Putins, dass alle Russen sein Regime und seinen Krieg unterstützen", sagte Kara-Mursa. Er rief zum Einsatz für die Befreiung der inhaftierten Dissidenten auf: "Wir müssen weiter für ihre Freilassung und für die Freilassung aller zu Unrecht inhaftierten Menschen auf der Welt kämpfen."

Kara-Mursa ist einer der prominentesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, er war 2022 selbst mit dem Havel-Preis ausgezeichnet worden. Den heute 43-Jährigen hatten die russischen Behörden im April 2022 inhaftiert, nachdem er Russland Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen hatte. Im April 2023 wurde er zu 25 Jahren Haft verurteilt. Anfang August kam er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

Russland hat in der 33. Nacht in Folge Raketen und Drohnen auf elf Regionen der Ukraine abgefeuert und damit so viele Drohnenattacken geflogen wie noch nie in einem Monat. Wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte, waren in Kiew die ganze Nacht lang Explosionen und Maschinengewehrfeuer zu hören. Rund fünf Stunden lang habe die Luftabwehr gegen den Drohnenangriff angekämpft. Verletzte wurden zunächst nicht gemeldet, jedoch sei ein "Objekt der kritischen Infrastruktur" in der Region Mykolajiw in Brand geraten, berichtete Gouverneur Witalij Kim.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach der Aufregung um Änderungen an der russischen Nukleardoktrin hat der Kreml die Latte für einen möglichen Einsatz von Atomwaffen wieder höhergelegt. Das Kampfgeschehen im Ukraine-Krieg sollte nicht immer gleich in Verbindung mit einer nuklearen Reaktion Russlands gebracht werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. "Man sollte sich nicht zu sehr auf dieses Dokument beziehen, es ist ein wichtiges Dokument", sagte er über die Nukleardoktrin. "Es sind wichtige Beschlüsse gefasst worden, sie werden entsprechend festgeschrieben. Aber die militärische Spezialoperation geht ihren Gang, ohne dass man dauernd irgendwelche Verbindungen ziehen muss", sagte er der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge.

Staatschef Wladimir Putin hatte vergangene Woche erweiterte Regeln für den möglichen Einsatz von Atomwaffen angekündigt. Danach könnte Russland auch Luftangriffe auf sein Gebiet als existenzielle Gefahr werten oder Angriffe durch ein nicht nuklear bewaffnetes Land, das aber von Atommächten unterstützt wird. Die Gefährlichkeit dieser Atomdrohung wird von westlichen Sicherheitsexperten unterschiedlich beurteilt.

Mehr als 14.000 ukrainische Zivilisten befänden sich aktuell in russischen Gefängnissen, hat die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte erklärt. Gefangene kehrten teils mit schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen und Gehirnerschütterungen zurück und berichteten von körperlichen, sexuellem und psychischem Missbrauch, hieß es weiter.

Verschleppungen und Gefangennahmen von Zivilisten sei eines der drängendsten Probleme des Kriegs Russlands gegen die Ukraine, so die Menschenrechtler. Insgesamt würden nach ukrainischen Angaben im Sommer 2024 etwa 42.000 Ukrainer als vermisst gelten, darunter Zivilgefangene, Armeeangehörige und Kinder. Es sei allerdings von einer höheren Dunkelziffer auszugehen.

Im Prozess um den Anschlag auf den nationalistischen russischen Schriftsteller Sachar Prilepin hat ein Gericht den Angeklagten zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Mann stammt aus der ostukrainischen Donbass-Region und kämpfte Medienberichten zufolge einst aufseiten der von Russland unterstützten Separatisten.

Der verurteilte hat der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sowohl einen russischen als auch einen ukrainischen Pass. Er gestand vor Gericht - und sagte aus, ein ukrainischer Sicherheitsservice SBU habe ihm Geld für die Ausführung des Anschlags versprochen. Der SBU machte keine Aussage zu einer möglichen Beteiligung.

Das Opfer Prilepin ist ein vehementer Verfechter des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine und wurde bei dem Bombenanschlag im Mai 2023 in der Region Nischni Nowgorod verletzt. Sein Fahrer kam ums Leben.

Das ukrainische Militär teilte mit, es habe bei russischen Angriffen in der Nacht zu heute 67 von 73 Drohnen abgeschossen. Zudem sei eine von drei auf die Ukraine abgefeuerten russischen Raketen abgeschossen worden.

30.09.2024 • 04:48 Uhr

Anhaltende Drohnenangriffe auf Kiew

Russland setzt nach Augenzeugenberichten seine nächtlichen Drohnenangriffe auf Kiew fort. Erneut seien Explosionen zu hören, die sich wie der Einsatz von Flugabwehrsystemen anhörten, berichteten Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters. Das ukrainische Militär hatte zuvor erklärt, Russland habe Drohnenangriffe gestartet.

Karte der Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Karte der Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

30.09.2024 • 03:28 Uhr

Russland greift Kiew mit Drohnen an

Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist Ziel eines russischen Drohnenangriffs. Nach Angaben des ukrainischen Militärs sind Luftabwehreinheiten im Einsatz, um die Angriffe abzuwehren. Augenzeugen berichteten von mehreren lauten Explosionen und getroffenen Objekten in der Luft, die auf den Einsatz von Luftabwehrsystemen hindeuten. Neben Kiew und der umliegenden Region herrscht derzeit in der gesamten Ostukraine Luftalarm.

Laut der Leitung des von Russland kontrollierten Atomkraftwerks (AKW) Saporischschja sollen ukrainische Streitkräfte erneut ein nahe gelegenes Umspannwerk angegriffen und einen Transformator zerstört haben. Auf Telegram teilte die AKW-Leitung mit, dass ein Artillerieeinschlag den Transformator im Umspannwerk Raduga in der Stadt Enerhodar im Südosten der Ukraine getroffen habe.

Außerdem wurde ein Foto veröffentlicht, auf dem Rauch aus dem Dach eines Gebäudes aufsteigt. Die Stromversorgung von Enerhodar sei nicht unterbrochen worden, heißt es weiter.

Das Atomkraftwerk Saporischschja, mit sechs Reaktoren das größte Europas, wurde in den ersten Tagen des russischen Einmarsches in die Ukraine im Februar 2022 von den russischen Streitkräften in Besitz genommen. Beide Seiten beschuldigen sich regelmäßig gegenseitig, das Kraftwerk anzugreifen oder einen Angriff zu planen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

30.09.2024 • 01:15 Uhr

Der Liveblog vom Sonntag

In Saporischschja hat es nach Angriffen auf Wohnhäuser mehrere Verletzte gegeben. Der ukrainische Präsident Selenskyj baut nach der Vorstellung seines "Siegesplans" auf konkrete Zusagen der Verbündeten. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. September 2024 um 22:54 Uhr.