Justin Trudeau
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Krieg gegen die Ukraine ++ Trudeau besucht überraschend Kiew ++

Stand: 11.06.2023 02:53 Uhr

Der kanadische Premierminister Trudeau ist überraschend in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Bundeskanzler Scholz will "demnächst" mit dem russischen Präsidenten Putin sprechen. Alle Entwicklungen im Liveblog.

10.06.2023 • 23:45 Uhr

Ende des Liveblogs

Für heute schließen wir den Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat Teheran in einem Telefonat mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi aufgefordert, die militärische Unterstützung für Russland zu beenden. Macron habe vor den schwerwiegenden sicherheitspolitischen und humanitären Folgen der iranischen Drohnenlieferungen an Russland gewarnt, teilte der Élyséepalast in Paris mit.

Er habe die Führung in Teheran aufgefordert, ihre Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort einzustellen. Außerdem habe Macron seine Besorgnis über den aktuellen Kurs des iranischen Atomprogramms zum Ausdruck gebracht. Wichtig sei, dass Teheran konkrete und überprüfbare Deeskalationsmaßnahmen ergreife und seinen internationalen Verpflichtungen nachkomme und die im März gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde eingegangenen Verpflichtungen vollständig und unverzüglich umsetze, hieß es.

Außenministerin Annalena Baerbock hat beim evangelischen Kirchentag die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und ihr weltweites Werben um die Verurteilung des russischen Angriffskriegs verteidigt. Würde man als Weltgemeinschaft schweigend ignorieren, dass ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats den Weltfrieden gefährde, "wäre das eine Einladung an alle Autokraten auf der Welt", sagte Baerbock in Nürnberg. Um den Weltfrieden in anderen Regionen zu sichern, sei es deswegen essenziell, "dass man Farbe bekennt".

Solange die Ukraine deutsche Unterstützung benötige bei der Durchsetzung ihres Rechts, in Frieden und Freiheit zu leben, "so lange werden wir sie unterstützen", sagte Baerbock. Gleichzeitig räumte sie ein Hadern mit Entscheidungen für Waffenlieferungen ein.

Ethische Verantwortung bedeute aber immer, auch die Konsequenzen eines Nichthandelns zu bedenken. "Auch bei einem Nichthandeln macht man sich verantwortbar und im Zweifel schuldig", sagte Baerbock und unterstrich zudem: "Auf der Seite des Angreifers zu stehen, ist für mich keine Option."

Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat der Ukraine bei einem unangekündigten Besuch in Kiew weitere Militärhilfen im Umfang von etwa 500 Millionen kanadischen Dollar (knapp 350 Millionen Euro) zugesagt. Das sagte Trudeau bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Mit Blick auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms stelle Kanada außerdem weitere zehn Millionen kanadische Dollar (knapp sieben Millionen Euro) für humanitäre Hilfe bereit. Außerdem werde sich Kanada dem multinationalen Ausbildungsprogramm ukrainischer Kampfpiloten und der Wartung von Kampfpanzern des Typs "Leopard" anschließen.

Trudeau bekräftigte die fortlaufende Unterstützung für das von Russland angegriffene Land. "Kanada steht an der Seite der Ukraine mit allem, was nötig ist und solange es nötig ist", sagte er. "Das ist ein folgenreicher Moment für die Ukraine, aber auch ein folgenreicher Moment für die Welt."

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der südukrainischen Region Cherson wurden unterdessen nach ukrainischen Angaben inzwischen 78 Ortschaften überflutet, 14 davon in russisch besetztem Gebiet. Bei den Überschwemmungen kamen demnach auf der ukrainisch kontrollierten Seite des Flusses Dnipro fünf Menschen ums Leben, 27 werde vermisst. Den russischen Besatzungsbehörden zufolge starben auf ihrer Seite mindestens acht Menschen.

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben weitere Vorstöße der Ukrainer im Gebiet Saporischschja und im südlichen Donezk abgewehrt und den Angreifern dabei hohe Verluste zugefügt. "Die Gesamtverluste der ukrainischen Streitkräfte in den genannten Gebieten innerhalb eines Tages beliefen sich auf bis zu 300 Soldaten, neun Panzer, darunter vier Leoparden, und elf Schützenpanzer, darunter fünf amerikanische Bradley...", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Auch eine französische Haubitze vom Typ Cesar sei zerstört worden.

Angriffe habe es nahe der Stadt Orichiw und an der Grenze zwischen den Gebieten Saporischschja und Donezk südlich der Ortschaft Welyka Nowosilka gegeben, hieß es weiter. "Alle Attacken des Gegners wurden zurückgeschlagen", zudem seien zwei ukrainische Marschkolonnen von der russischen Artillerie getroffen worden. Die Behörde präsentierte anschließend Bilder zerstörter Panzer.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Beginn von ukrainischen Gegenangriffen entlang der Front bestätigt. Im Rahmen der Verteidigung liefen Gegenangriffe in der Ukraine, sagte er bei einer Pressekonferenz in Kiew. "In welchem Stadium sie sind, werde ich detailliert nicht sagen." Er ließ damit offen, ob es sich um den Beginn der seit Monaten erwarteten ukrainischen Gegenoffensive handelt.

Zugleich widersprach Selenskyj Russlands Präsident Wladimir Putin, der am Vortag erklärt hatte, die ukrainische Gegenoffensive habe begonnen, jedoch habe Kiew seine selbst gestellten Ziele dabei nicht erreicht. Er würde weder Telegram-Kanälen noch Putin glauben, die das Scheitern der Offensive erklärten, sagte Selenskyj. Er sei täglich im Gespräch mit seinen Generälen und die seien "in guter Stimmung". "Das können Sie Putin so mitteilen." Vertrauen könne man nur dem ukrainischen Militär.

Die ukrainische Armee ist bei Bachmut nach Angaben des Militärs an einigen Stellen bis zu 1,4 Kilometer vorgerückt. "Wir versuchen den Feind anzugreifen, wir machen Gegenangriffe", sagt der Sprecher des Kommandos Ost. Die russischen Truppen starteten ebenfalls Gegenangriffe, hätten aber keinen Erfolg.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach Angaben des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) hat die Ukraine an mindestens vier Frontabschnitten Gegenangriffe durchgeführt. Gefechte haben demnach in der Nähe der Stadt Bachmut, bei der Stadt Kreminna, im Südwesten der Region Donezk sowie im Westen der Region Saporischschja stattgefunden, hieß es in dem jüngsten Lagebericht vom Freitag (Ortszeit) unter Berufung auf Angaben aus Kiew, Moskau und von russischen Militärbloggern.

Eine ukrainische Gegenoffensive zur Befreiung russisch besetzter Gebiete wird seit längerem erwartet. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte am Freitag, diese habe vor einigen Tagen begonnen, doch die Ukraine habe die selbst gesteckten Ziele dabei nicht erreicht. Kiew selbst hält sich bisher dazu bedeckt, hatte allerdings auch immer betont, sich nicht zum Beginn der eigenen Offensive zu äußern.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau ist zu einem unangekündigten Besuch in Kiew eingetroffen. "Willkommen in der Ukraine", twitterte der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk ein Foto, das zeigt, wie er Trudeau am Bahnhof in Empfang nimmt.

Die Visite begann mit einer Kranzniederlegung für die ukrainischen Gefallenen nahe dem St. Michaelskloster im Zentrum der Hauptstadt begonnen. Danach fand ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj statt, wie auf Bildmaterial der Nachrichtenagentur dpa zu sehen ist.

Zusammen mit Trudeau ist auch die kanadische Vize-Regierungschefin Chrystia Freeland nach Kiew gereist. Ottawa gilt als einer der größten Unterstützer Kiews bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg und hat der Ukraine unter anderem auch Panzer vom Typ Leopard übergeben. Trudeau selbst war bereits im Mai 2022 in der ukrainischen Hauptstadt. Damals besuchte er auch den stark zerstörten Vorort Irpin.

Die ukrainische Atomenergiebehörde hat angesichts der Überschwemmungen durch den Bruch des nahe gelenen Kachowka-Damms den letzten noch in Betrieb gewesenen Reaktor im Atomkraftwerk Saporischschja abgeschaltet. Für die fünf anderen Reaktoren in der von Russland besetzten Atomanlage war bereits ein sogenannter kalter Shutdown vorgenommen worden.

Die Behörde Enerhoatom teilte mit, für Saporischschja bestehe wegen des Damm-Vorfalls "keine direkte Gefahr". Mit dem Wasser im zum Damm gehörenden Staubecken war das Atomkraftwerk gekühlt worden. Die Entscheidung zum Shutdown sei auch wegen Beschusses in der Gegend der Atomanlage ergriffen worden, teilte Enerhoatom mit.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will weiter mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Kontakt halten. Er habe auch nach Beginn des Krieges mit ihm gesprochen. "Ich habe vor, das demnächst wieder zu tun", sagte er auf dem 38. Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Voraussetzung für einen "fairen Frieden" sei, dass Russland seine Truppen zurückzieht, sagte Scholz.

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine befürchtet der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, Schäden für Menschen, Umwelt und Landwirtschaft in Milliardenhöhe. "Städte, Infrastruktur, ganze Industrien müssen wieder aufgebaut werden", sagte der Diplomat den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Gesamtschäden werden erst sichtbar, wenn das Wasser abgelaufen ist." 

Die ukrainischen Streitkräfte haben bei den Kämpfen im Süden und Osten des Landes nach britischer Einschätzung in den vergangenen 48 Stunden teilweise einige Fortschritte erzielt. In einigen Gebieten seien sie wahrscheinlich gut vorangekommen und hätten die erste russische Verteidigungslinie überwunden, teilt das britische Verteidigungsministerium mit.

In anderen Gebieten sei der Vormarsch dagegen langsamer gewesen. Auf russischer Seite hätte es wohl einige glaubwürdige Verteidigungseinsätze gegeben. Andere Einheiten hingegen hätten sich in einiger Unordnung zurückgezogen. Dabei häuften sich Berichte über Opfer unter den russischen Truppen beim Rückzug durch eigene Minenfelder.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Russland hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters in der Nacht die zentralukrainische Region Poltawa mit Raketen und Angriffsdrohnen attackiert. Dabei sei es zu "einigen Schäden an Infrastruktur und Ausrüstung" auf dem Militärflugplatz Myrhorod gekommen, teilte Regionalgouverneur Dmytro Lunin auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Bei dem Angriff seien auch acht private Wohnhäuser und mehrere Fahrzeuge beschädigt worden. Berichte über Verletzte lagen nicht vor.

Bei einem russischen Luftangriff auf die Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa sind nach ukrainischen Angaben drei Zivilisten getötet worden. Trümmer einer abgeschossenen Drohne seien in der Nacht auf einen Wohnblock gestürzt und hätten einen Brand ausgelöst, teilt das ukrainische Militär mit. Den Rettungskräften zufolge wurden 27 Menschen verletzt, darunter drei Kinder. Das Feuer sei rasch gelöscht worden. Insgesamt schoss die Luftabwehr in der Region laut dem Militärangaben acht russische Drohnen iranischer Bauart und zwei Raketen ab.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Lage in der Ukraine hat sich nach Angaben des UN-Nothilfekoordinators Martin Griffiths nach dem Einsturz des Kachowka-Damms erheblich verschlechtert. 700.000 Menschen seien auf Trinkwasser angewiesen, sagte Griffiths der Nachrichtenagentur AP. Wegen Überschwemmungen würden wahrscheinlich die Getreideexporte sinken, die Lebensmittelpreise weltweit steigen und die verfügbaren Mengen an Essen zurückgehen. Die Folgen würden erst nach und nach erkannt.

Die UN hätten bislang 30.000 Menschen in überschwemmten Gebieten helfen können, die von der Ukraine kontrolliert würden, sagte Griffiths. Russland habe es den Vereinten Nationen bislang nicht ermöglicht, Flutopfern in Gegenden zu helfen, die das Besatzerland eingenommen habe. Griffiths sagte, durch den Einsturz des Damms sei auch die Versorgung des Atomkraftwerks Saporischschja mit Kühlwasser gefährdet. Hinzu kämen Landminen aus dem Krieg, die durch die Überschwemmungen in Gebiete getrieben würden, in denen sie nicht erwartet würden. Das sei eine Gefahr vor allem für Kinder.

Karte Ukraine mit Kachowka-Stausee, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Der russische Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, taktische Atomwaffen ab Juli in Belarus stationieren zu wollen. Am 7. und 8. Juli würden die Vorbereitungen in den entsprechenden Anlagen abgeschlossen sein, sagte Putin laut staatlicher Nachrichtenagentur Tass nach einem Treffen mit dem belarusischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Dann werde die Verlegung beginnen. Alles sei im Zeitplan. Damit würde die Verlegung unmittelbar vor dem NATO-Gipfel in Litauen beginnen, einem Nachbarland von Belarus. Der Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius findet am 11. und 12. Juli statt.

Putin hatte bereits am 25. März angekündigt, russische Nuklearwaffen in die verbündete Ex-Sowjetrepublik Belarus zu verlegen. Er begründete die angekündigte Stationierung der Waffen auch damit, dass die USA seit Jahren Atomwaffen in Europa, darunter in Deutschland, vorhielten. Der Westen hatte die Pläne heftig kritisiert. Ende Mai hatte Lukaschenko bereits gesagt, die angekündigte Verlegung der Waffen in sein Land habe bereits begonnen.

Nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine beginnt der Wasserstand nach ukrainischen Behördenangaben in Teilen der betroffenen Gebiete zu sinken. 35 Siedlungen auf der rechten Seite des Flusses Dnipro seien noch überflutet, mehr als 3700 Häuser stünden unter Wasser, "aber das Wasser geht allmählich zurück", erklärte Oleksandr Prokudin, Chef der ukrainischen Militärverwaltung in der Region Cherson.  Der Wasserstand in der Region sei im Laufe des Freitags von durchschnittlich rund 5,4 Metern auf nahezu fünf Meter gesunken, fuhr Prokudin fort. Sein Kollege in der Region Mykolajiw, Vitali Kim, gab ebenfalls an, dass der Pegel dort absinke.