Krieg gegen die Ukraine ++ Polen will östliche Grenze stärker sichern ++
Polen will zwei Milliarden Euro in den Schutz seiner Grenze zu Russland und Belarus investieren. Russische Truppen melden die Einnahme eines weiteren Ortes bei Charkiw. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen.
- Polen investiert in Sicherung seiner östlichen Grenze
- Russisches Gericht sanktioniert Deutsche Bank
- Selenskyj klagt über fehlende Flugabwehrsysteme
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Damit beenden wir den Liveblog für heute und danken für Ihr Interesse.
Selenskyj erinnert an Vertreibung der Krimtataren
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat an den 80. Jahrestag der Deportation der Krimtataren durch die Sowjets erinnert und Vergleiche mit der aktuellen Besetzung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim durch Russland gezogen. "Heute, da wir der Opfer der Deportation der Krimtataren gedenken und den Missbrauch der Krim durch Russland verurteilen, spüren wir, dass das russische Böse nicht allmächtig ist und auch nicht sein wird", sagte er in seiner abendlichen Videoansprache.
Der Sowjet-Diktator Stalin hatte die Krimtataren beginnend am 18. Mai 1944 wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und den deutschen Besatzungstruppen nach Zentralasien in das heutige Usbekistan deportieren lassen. Sie durften erst nach 1989 zurückkehren, klagen heute über Missachtung ihrer Menschenrechte durch die russischen Besatzer.
"Die Zeit des Besatzers auf unserem Land ist begrenzt, und seine Vertreibung ist unvermeidlich", erklärte Selenskyj weiter. Die Besetzung der Krim durch Russland im Jahr 2014 sei ein Test der Entschlossenheit für die Welt gewesen.
Verletzte bei Angriff auf Charkiw
Die ostukrainische Großstadt Charkiw und die vorgelagerte Stadt Wowtschansk sind nach Angaben der regionalen Militärverwaltung erneut Ziele russischer Angriffe geworden. In Charkiw sei ein Wohnbereich von mehreren Granaten getroffen worden, teilte Bürgermeister Ihor Terechow auf Telegram mit. Dabei seien fünf Menschen verletzt worden.
In Wowtschansk richteten russische Gleitbomben und Granaten erneut schwere Schäden an. "Die Stadt Wowtschansk ist leider praktisch vollkommen vom Feind zerstört worden, der gnadenlos mit Gleitbomben angreift", schrieb Sicherheitsrats-Mitglied Andrej Kowalenko auf Telegram. Trotz der wiederholten Angriffe bleibe Wowtschansk unter ukrainischer Kontrolle. Die Stadt im Nordosten der Ukraine hatte vor dem Krieg knapp 19.000 Einwohner.
Polen investiert in Sicherung seiner östlichen Grenze
Polen will mehr als zwei Milliarden Euro in die Sicherung seiner östlichen Grenze stecken - insbesondere zu Russland und Belarus. Wie Regierungschef Donald Tusk mitteilte, wurde die Bereitstellung von umgerechnet 2,34 Milliarden Euro für die Stärkung der polnischen Sicherheit beschlossen. Er stellte ein entsprechendes Projekt mit dem Namen "Östliches Schutzschild" vor.
"Dieses System zur Grenzbefestigung, zur Verstärkung der 400 Kilometer langen Grenze mit Russland und Belarus, wird ein Element der Abschreckung sein, eine Strategie, um den Krieg von unseren Grenzen abzuhalten", sagte Tusk weiter. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 zählt Polen zu den stärksten Unterstützern Kiews. Westliche Waffenlieferungen für die Ukraine laufen überwiegend über Polen. Polen grenzt nicht nur an die Ukraine, sondern im Nordosten auch an die russische Exklave Kaliningrad und an den russischen Verbündeten Belarus.
Polen befürchtet, ebenfalls zu einem Ziel der russischen Aggression zu werden. Angesichts der russischen Bedrohung hat das NATO-- und EU-Land Polen mit einer raschen Modernisierung seiner Armee begonnen; das Verteidigungsbudget liegt nun bei rund vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und ist damit prozentual eines der höchsten aller NATO-Länder.
Bericht: Deutschland zahlt Ukraine-Flüchtlingen hohe Leistungen
Geflüchtete aus der Ukraine erhalten in Deutschland offenbar deutlich höhere Sozialleistungen als in vielen anderen Staaten Europas. Das ergab laut Welt am Sonntag eine Analyse der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags im Auftrag der CDU-Abgeordneten Gitta Connemann. Zugleich werde darauf hingewiesen, dass wegen unterschiedlicher Strukturen der Sozialsysteme in den europäischen Staaten unmittelbare Vergleiche nur eingeschränkt möglich seien. Nahezu alle Länder böten Menschen aus der Ukraine staatliche Unterkünfte und einen Zugang zum Gesundheitssystem an.
In Deutschland erhalten ukrainische Flüchtlinge laut Bericht nach ihrer Ankunft Bürgergeld. Ein alleinstehender Bürgergeld-Bezieher bekommt monatlich 563 Euro. Hinzu kämen unter anderem Zuschüsse für Miete und Heizung. Das Bundesarbeitsministerium geht demnach für Alleinstehende von einem durchschnittlichen Regelbedarf von insgesamt 954 Euro im Monat aus, den der Staat deckt. Höhere Leistungen als in Deutschland erhalten Ukrainerinnen und Ukrainer dem Bericht zufolge etwa in Belgien mit 1288,46 Euro pro Monat für Alleinstehende.
Russland meldet Einnahme weiterer Ortschaft bei Charkiw
Russische Truppen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau die Ortschaft Starizja in der Region Charkiw eingenommen. Die Einheiten rückten in dem Gebiet weiter vor, teilt das Ministerium mit. Die russischen Streitkräfte haben vor gut einer Woche eine Offensive in Charkiw im Nordosten der Ukraine gestartet und nach eigenen Angaben bereits etliche Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht.
Deutsche Bank reagiert auf Vermögensblockade
Die Deutsche Bank hat mittlerweile auf das Urteil eines Schiedsgerichts in St. Petersburg reagiert, wonach Vermögen des deutschen Unternehmens in Russland eingefroren werden. Bei der Deutschen Bank hieß es, es bleibe abzuwarten, wie diese Entscheidung von den russischen Gerichten umgesetzt werde und welche Folgen dies für den operativen Betrieb des Instituts in Russland habe. Die Bank habe eine Rückstellung in Höhe von rund 260 Millionen Euro und einen entsprechenden Vermögensgegenstand aus Erstattungen im Rahmen der Entschädigungsvereinbarung mit einem Kunden erfasst.
Das Urteil erfolge auf Antrag von RusChimAllianz, einer Tochtergesellschaft von Gazprom zum Betrieb eines LNG-Terminals an der Ostsee, die gegen die Deutsche Bank Ansprüche von 238,61 Millionen Euro erhebt. Die Deutsche Bank hatte für ein Geschäft mit dem deutschen Industriekonzern Linde gebürgt, das in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine geplatzt war. Die Banken, die als Bürgen aufgetreten waren, zogen wegen der Russland-Sanktionen ebenfalls ihre Garantien zurück. Neben der Deutschen Bank und Unicredit wurden vor dem Schiedsgericht auch die Commerzbank, die Bayerische Landesbank und die Landesbank Baden-Württemberg verklagt.
Tausende aus Kampfzone evakuiert
Gut eine Woche nach Beginn der russischen Bodenoffensive in der ostukrainischen Region Charkiw sind nach Behördenangaben bisher fast 10.000 Menschen aus dem Gebiet evakuiert worden. Insgesamt seien mehr als 9.900 Menschen in Sicherheit gebracht worden, erklärte Regionalgouverneur Oleh Synegubow. Russische Truppen hatten am 10. Mai eine Bodenoffensive in der Region Charkiw gestartet. Seither konnten sie entlang der Nordostgrenze etwa fünf bis zehn Kilometer weit vorstoßen.
Karte der Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete.
Russisches Gericht sanktioniert Deutsche Bank
Ein russisches Gericht hat angeordnet, Vermögenswerte der Deutschen Bank in Russland zu beschlagnahmen, berichtet die russische Nachrichtenagentur Tass. Um welche Summen es sich dabei handelt, war zunächst unklar. Die Deutsche Bank war für einen Kommentar zunächst nicht zu erreichen. Der deutsche Branchenprimus ist das nächste Kreditinstitut, dessen Vermögenswerte von einem Gericht aberkannt werden. Auch die Commerzbank, die italienische Unicredit und eine Europatochter der US-Großbank JP Morgan hat dieses Schicksal ereilt.
Bei der Commerzbank und JP Morgen waren nach einem Urteil eines Moskauer Gerichts zusammen 12,4 Millionen Euro betroffen, bei der Unicredit ordnete ein Gericht in Sankt Petersburg jedoch die Beschlagnahmung von Vermögen und Eigentum im Wert von rund 460 Millionen Euro an.
SPD-Abgeordnete mit kontroversem Vorschlag
Mehrere Bundestagsabgeordnete fordern einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel zufolge, die NATO solle den Luftraum über der Ukraine schützen. "In der aktuellen militärischen Situation halte ich es für notwendig und verantwortbar, deutsche Flugabwehrraketen-Truppen auf NATO-Gebiet an der Grenze zur Ukraine zu stationieren, um den Luftraum über der Westukraine zu schützen - beispielsweise mit Patriot-Systemen", wird der Verteidigungspolitiker Joe Weingarten von dem Magazin zitiert.
Laut Weingarten müsse das nicht bedeuten, dass westliche Truppen in der Ukraine stationiert sein müssten. Luftverteidigungssysteme könnten auch aus dem Grenzgebiet von NATO-Staaten weit in den ukrainischen Luftraum hineinwirken. Man müsse in den dafür in Frage kommenden Ländern wie Polen, der Slowakei und Ungarn dafür werben. Auch der SPD-Abgeordnete Andreas Schwarz unterstützt laut Bericht den Vorstoß.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich kürzlich klar gegen NATO-Schutz für den ukrainischen Luftraum ausgesprochen, nachdem sich Vertreter von Grünen, FDP und CDU dafür offen gezeigt hatten. Auch Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, äußerte sich laut "Spiegel" skeptisch. Er verwies auf den bisher ausbleibenden Erfolg der Initiative Deutschlands, andere Staaten zur Abgabe von Patriot-Einheiten an die Ukraine zu bewegen.
Selenskyj klagt über fehlende Flugabwehrsysteme
Die Ukraine verfügt nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj nur über ein Viertel der für die Verteidigung gegen Russland benötigten Flugabwehrsysteme. Sein Land brauche außerdem 120 bis 130 F16-Kampfflugzeuge, um die russische Luftüberlegenheit beenden zu können, sagte Selenskyj in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.
Er sagte zudem, dass sich der Mangel an Soldaten auf die Moral der Truppen auswirke. Selenskyj kritisierte den Westen dafür, der Ukraine zu verbieten, die von europäischen Ländern und den USA gelieferten Waffen zu nutzen, um russisches Territorium anzugreifen.
Die Ukraine könne russischen Waffen, die auf russischem Territorium seien, mit westlichen Waffen nichts anhaben. Russland hingegen könne alle Waffen von seinem Territorium auf die Ukraine abfeuern. "Das ist der größte Vorteil, den Russland hat."
Selenskyj: "Das ist ihre erste Welle"
Die russische Offensive in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine könnte nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine "erste Welle" russischer Angriffe sein. "Sie haben ihre Operation gestartet, sie könnte aus mehreren Wellen bestehen. Und das ist ihre erste Welle", sagte Selenskyj in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.
Er bezeichnete die Situation in der Region, in der Russland mehrere Grenzorte eingenommen hat, als "kontrolliert", aber "nicht stabilisiert". Die russischen Truppen seien fünf bis zehn Kilometer entlang der nordöstlichen Grenze vorgedrungen, ehe sie von ukrainischen Truppen gestoppt worden seien.
Selenskyj sagte zudem, die russischen Truppen würden die Stadt Charkiw angreifen wollen - auch wenn sie wüssten, dass dies "sehr schwierig" sein würde.
Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen
Ukrainische Behörden melden mehrere Tote nach russischen Luftangriffen. Durch ein neues Gesetz will die Ukraine ermöglichen, dass die Truppen mit Häftlingen aufgestockt werden können. Alle Entwicklungen im Liveblog.