UN-Weltbevölkerungsgipfel Wie weniger wachsen?
Die Weltbevölkerung wächst - mit massiven Folgen für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Wie der rasante Anstieg begrenzt werden kann, darüber berät ab heute in Nairobi die UN-Weltbevölkerungskonferenz.
Die Weltbevölkerung wächst rasant: 1950 waren es noch 2,5 Milliarden Menschen, 100 Jahre später, 2050, könnten es schon fast zehn Milliarden sein. Besonders rasant ist das Bevölkerungswachstum in Afrika, wo ab heute der UN-Bevölkerungsfonds tagt. In Kenias Hauptstadt Nairobi sollen Ziele neu formuliert werden, die für den Fonds vor 25 Jahren richtungsweisend wurden.
Damals einigten sich 179 Länder auf einer Konferenz in Kairo darauf, dass Staaten nicht mehr die Größe ihrer Bevölkerung restriktiv bestimmen sollten. Chinas Ein-Kind-Politik etwa war damals ein abschreckendes Beispiel für eine inhumane Bevölkerungspolitik. Stattdessen ein radikaler Kurswechsel: Frauen sollten künftig individuelle Rechte bekommen, sollten mehr Chancen auf ein selbstbestimmte Leben erhalten, Bildung, wirtschaftliche Rechte, aber auch sexuelle Aufklärung und Empfängnisverhütung sollten ihnen stärker ermöglicht werden.
Es mangelt immer noch an Aufklärung
Manches ist erreicht - vor allem in Afrika bleibt aber noch viel zu tun. Dort dürfte sich die Bevölkerung bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen mehr als verdoppeln. Gleichzeitig mangelt es an dem, was der Weltbevölkerungsfonds möchte: Über Aufklärung eine Basis schaffen, damit Mädchen frühzeitig entscheiden können, ob sie verhüten. Und dass sie die Mittel dazu haben. "21 Millionen ungewollte Schwangerschaften von 15- bis 19-jährigen Mädchen gibt es jedes Jahr in Afrika", klagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Maria Flachsbarth. Die Mädchen hätten kaum noch eine Chance auf Bildung, sagt sie vor dem Besuch der Konferenz.
"Alles, was ich möchte, ist weiter zu studieren", sagt Rispa Awino. Sie wird in diesem Monat 20. Seit fünf Monaten ist sie schwanger. Neben ihr auf dem Sofa, in Nairobis Slum Mathare, sitzt ihre Tante. Ihrer Mutter mag sie nicht von der Schwangerschaft erzählen, die sie als Schande empfindet. Ihre Mutter ist Witwe, sie bezahlt mit Mühe die Ausbildung für Rispa.
Ihr Kind dürfe sie einfach nicht bekommen, sagt Rispa. Abtreibung ist in Kenia aber nur unter sehr strengen Auflagen erlaubt, legal praktisch kaum möglich. "Einige Freunde haben mir gesagt, ich soll Waschmittel mit Teeblättern und Seife vermischen. Als ich das Wasser dafür gekocht habe, fand mich meine Tante. Sie sagte, ich würde mich damit umbringen", erinnert sich Rispa. Da ließ sie es sein.
Kaum legale Abtreibungen, viele Komplikationen
Im Jahr 2012 ging eine nationale Studie im Gastgeberland Kenia von mehr als 465.000 Abtreibungen im Jahr aus, die meisten "unsichere Abtreibungen", weil sie von Quacksalbern vorgenommen wurden, für umgerechnet ein paar Euro. Etwa 120.000 Frauen mussten damals wegen Komplikationen behandelt werden. Fast die Hälfte der Mädchen unter 19 hatten sogar schwere Komplikationen.
Sichere, legale Abtreibungen - der Fonds propagiert sie nicht, schließt sie aber auch nicht aus. Ländervertreter wie Flachsbarth wollen sie auch am liebsten nicht thematisieren, denkbar seien sie höchstens in "verzweifelten Situationen, etwa in Fluchtkontexten". Sie wissen: In Afrika, wie im stark christlich geprägten Kenia, ist Abtreibung zum Hassthema geworden, mit dem die Kirchen Sturm laufen - wie auch gegen Schwule und Lesben. Lokale Politiker gießen weiter Öl ins Feuer. Unterstützung kommt aber auch aus den USA, die mit dem UN-Fond seit Donald Trumps Amtsantritt über Kreuz liegen - wegen genau dieser Themen.
Die Konferenz in Nairobi soll an Kairo anknüpfen, an die Werteordnung von 1994, und frisches Geld einwerben für die immer größeren Aufgaben. Leicht wird das nicht.