Wetterthema Die entscheidende Wettervorhersage
Bei der Landung in der Normandie spielte auch das Wetter eine entscheidende Rolle.
Am 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day, begann mit der Landung der Westalliierten in der Normandie die Operation „Overlord“, deren Ziel die Errichtung einer zweiten Front gegen das Deutsche Reich war. Ursprünglich war die Invasion für den 5. Juni geplant, musste jedoch wegen schlechten Wetters auf den Folgetag verschoben werden.
Die Anforderungen an Wetterbedingungen und Gezeiten waren sehr speziell: Die Landung sollte bei Ebbe kurz nach Sonnenaufgang erfolgen, damit eine zweite Landungswelle bei der nächsten Ebbe am Abend folgen konnte. Um die Unterwasserhindernisse der Wehrmacht möglichst weit zu exponieren, wurden extremes Niedrigwasser und ruhige See vorausgesetzt. Damit kamen nur Tage mit Voll- oder Neumond in Betracht.
Für die Fallschirmspringer wären Vollmond, ein wolkenloser Himmel, windschwache Bedingungen sowie gute Sicht am Erdboden, also kein Nebel, ideal gewesen. Die Bomber verlangten eine Bedeckung von maximal 60 Prozent sowie eine Wolkenbasis oberhalb von 1000 Metern. Das Heer wünschte einen festen Untergrund, also trockene Bedingungen. Schließlich durfte der auflandige Wind für die Landeoperationen 20 km/h oder Windstärke 3 nicht überschreiten und die Sichtweite sollte mehr als 5 km betragen. Last not least musste auch die Dünung berücksichtigt werden.
Bei den alliierten Streitkräften waren gleich drei Institutionen für die Wettervorhersage zuständig: Der britische Wetterdienst, das sog. Met Office, der Wetterdienst der Admiralität, der sowohl für die britische, als auch für die amerikanische Kriegsmarine arbeitete und der Wetterdienst der US-amerikanischen Heeresflieger. Aus den unterschiedlichen Wettervorhersagen hatte der Chefmeteorologe des Oberbefehlshabers General Dwight D. Eisenhower, der Brite James Martin Stagg, die am wahrscheinlichsten zutreffende Prognose auszuwählen.
Zur damaligen Zeit waren Wettervorhersagen nicht zuletzt auch mangels Computertechnik und Satelliten bei weitem ungenauer als heutzutage. Mit einer 24-Stunden-Vorhersage war in der Regel das „Ende der Fahnenstange“ bereits erreicht. Mehrtägige Prognosen, wie sie heute standardmäßig ausgegeben werden, waren damals noch Zukunftsmusik. Die Militärs wünschten sich jedoch eine Vorhersage für die vier Tage vor der Landung sowie für zwei bis drei Tage nach dem D-Day. Das stellte die Meteorologen quasi vor unlösbare Aufgaben.
Die Amerikaner lieferten zwar präzise formulierte 5-Tages-Vorhersagen ab, die jedoch auf statistischen Auswertungen historischer Wetterdaten beruhten und keine sehr hohe Güte aufwiesen. Die britischen Meteorologen hielten die amerikanischen Vorhersagen für wertlos, da nach ihrem Verständnis die Bedingungen in höheren Atmosphärenschichten für die Entwicklung über mehrere Tage von entscheidender Bedeutung waren. Jedoch mangelte es zur damaligen Zeit an verlässlichen Daten aus höheren Regionen und deren Analyse steckte noch in den Kinderschuhen. Entsprechend giftig war oft auch die Stimmung in den täglichen Telefonkonferenzen der Wetterdienste, besonders auch im Vorfeld der Landung als die Vorhersagen mal wieder sehr stark voneinander abwichen.
Denn Anfang Juni 1944 herrschte auf dem Atlantik rege Tiefdrucktätigkeit und verbreitet stürmisches Wetter. Die Amerikaner waren jedoch optimistisch, da sich nach ihren Prognosen das Azorenhoch nordwärts ausdehnen und zu einer Wetterberuhigung führen sollte. Die Briten hingegen sagten durchgehend stürmisches Wetter für den Ärmelkanal voraus.
Als am 2. Juni die ersten alliierten Schiffe in Schottland und Nordirland in See stachen war es auf dem Atlantik so stürmisch wie seit 50 Jahren nicht mehr um diese Jahreszeit. Die Amerikaner blieben optimistisch, die Briten wurden noch pessimistischer. Am 4. Juni war klar, dass in den kommenden Tagen eine Serie von Tiefdruckgebieten den Norden der Britischen Inseln überqueren und auch im Ärmelkanal für stürmisches Wetter sorgen würde. Nun schwenkte auch die sich bisher vermittelnd neutral verhaltende Admiralität auf die Seite der britischen Meteorologen ein. Am Sonntagmorgen um 4:15 Uhr verschob General Eisenhower die für den Folgetag angesetzte Invasion um einen Tag.
Im Laufe des 4. Juni entwickelte sich das Wetter erneut unerwartet: Ein Tief vor der kanadischen Küste verstärkte sich, wodurch auch seine Verlagerung über den Atlantik verlangsamt wurde. Dadurch öffnete sich plötzlich ein Zeitfenster für den 6. Juni, in dem nach Einschätzung der britischen Meteorologen eine kurzzeitige Wetterberuhigung gerade zwei Landungswellen zulassen würde. Die amerikanischen Kollegen widersprachen vehement. Am Abend des 4. Juni um 21:30 Uhr sagte der Chefmeteorologe Stagg eine Kaltfrontpassage voraus hinter der sich am Montag und Dienstag das Wetter beruhigen sollte. Dies war möglicherweise die wichtigste und folgenschwerste Wettervorhersage der Geschichte. Noch in dieser Konferenz fiel die Entscheidung zur Invasion.
Auf deutscher Seite war die Zentrale Wetterdienstgruppe (ZWG) unter Major Lettau in Potsdam für die Bereitstellung von Karten und Daten für die Wehrmacht und die Luftwaffe zuständig. Täglich gab es morgendliche Lagebesprechungen hochkarätiger Experten mit dem Generalstab der Luftwaffe. Viermal täglich wurden streng geheime Wetterkarten für den europäischen Raum und alle Kampfgebiete erstellt.
Es war klar, dass eine Invasion noch vor den regnerischen Herbsttagen erfolgen würde, während einer ruhigen Witterung im Mai hatte man quasi täglich damit gerechnet. Das stürmische Wetter Angang Juni hielt jedoch die Aufklärungsflugzeuge am Boden und die Marinepatrouillen in den Häfen. Man hatte also zum entscheidenden Zeitpunkt keine Daten vom Atlantik, wo sich die relevanten Wetterentwicklungen vollzogen.
Wenn man die damaligen Wetterkarten der Kriegsparteien miteinander vergleicht, fällt auf, dass der deutschen Seite fast keine Meldungen von den Britischen Inseln und vom Atlantik zur Verfügung standen. Denn den Deutschen war es nicht gelungen, die Codes der Alliierten zu knacken, welche ihrerseits den deutschen Wettercode entschlüsselt hatten. Somit war es den Meteorologen in Potsdam wohl auch nicht möglich die entscheidende Wetterberuhigung am 6. Juni vorherzusehen. Entsprechend überraschend erfolgte dann auch die Invasion, deren Zeitpunkt aufgrund des stürmischen Wetters sehr ungünstig erschien.