Werkstätten und Händler klagen über Abwrackprämie "Viele gute Autos wurden verschrottet"
Die Abwrackprämie stützt die Autokonzerne mit fünf Milliarden Euro. Doch andere Branchen reißt sie in den Abgrund: 5000 Werkstätten stehen vor dem Aus. Außerdem zerstört die Prämie den Gebrauchtwagenmarkt: Jedes vierte Autohaus werde 2010 schließen, prognostizieren Experten.
Von Frank Zirpins, tagesschau.de
Auf die Abwrackprämie ist Theo Puchelski gar nicht gut zu sprechen. Ein Drittel weniger Umsatz macht der KfZ-Meister aus dem Kölner Stadtteil Nippes nach eigener Aussage, seitdem die Bundesregierung insgesamt fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie zur Verfügung gestellt hat, um alte Autos aus dem Verkehr zu ziehen und Anreize zum Kauf von Neuwagen und Jahreswagen zu schaffen.
Zwei Millionen Autokäufe kann das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit der Prämie co-finanzieren, gut 1,8 Millionen ausbezahlte Prämien oder Reservierungen waren es Mitte August. Täglich, so rechnet BAFA-Sprecher Holger Beutel vor, kommen durchschnittlich 8000 neue Anträge dazu. Im September, kurz vor der Bundestagswahl, wird das Budget erschöpft sein. Subventioniert wurde dann der Kauf von 1,2 Millionen Neuwagen und von 800.000 Autos, die jünger als ein Jahr sind.
"Höhepunkt ist noch nicht erreicht"
Für Theo Puchelski hört der Ärger über die Prämie dann noch nicht auf. "Der Höhepunkt ist noch gar nicht erreicht." Seine Kunden hätten zu einem guten Teil auf die Reparatur von Verschleißteilen an ihren Autos verzichtet. "Die Leute überlegen, ob sie noch einen Tausender in ihr altes Auto stecken", so der Meister. "Da sind so viele gute Autos verschrottet worden, wenig Kilometer gelaufen, 1a gepflegt", sagt Puchelski, und man spürt, wie es ihn in der Mechaniker-Seele schmerzt.
Viele notorische Gebrauchtwagenkäufer entschieden sich angesichts der Abwrackprämie zum ersten Mal für einen Neuwagen. "Ohne Prämie hätten wir dieses Jahr 700.000 Neuwagen weniger verkauft", heißt es beim Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK). Weil es aber so viele Erstkäufer eines Neuwagens gebe, werde der Knick im kommenden Jahr geringer ausfallen.
Der Studie zufolge verdient die Abwrackprämie auch den Namen Umweltprämie
"Nachfrage nicht vorgezogen"
Damit rechnet auch Helmut Becker vom Münchner Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK). Der Automobil- und Konjunkturexperte rechnet damit, dass sich der Markt im kommenden Jahr wieder erholen wird. "Die Theorie, dass durch die Prämie die Nachfrage nur vorgezogen sei, ist Quatsch", sagt er. Tatsächlich habe jetzt die Gruppe zugeschlagen, die sich sonst nie einen Neuwagen zugelegt hätte. Laut VDIK lag der Anteil der Privatkunden in diesem Jahr doppelt so hoch wie im Vorjahr.
Dies sei eine grundsätzlich andere Käuferschicht als diejenige, die für die Konjunktur ausschlaggebend sei, so Becker. Normalerweise seien 60 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge Dienstwagen - die Firmen hätten angesichts der Krise ihre Neuanschaffungen zurückgestellt oder nicht gegenüber der kurzarbeitenden Belegschaft vertreten können. "2010 kommen die wieder raus", glaubt Becker.
Der Gelsenkirchener Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer schließt sich dieser Einschätzung nicht an. "Das ist Wunschdenken. Es gibt keinen Grund, dass der Dienstwagenmarkt im kommenden Jahr wieder boomen sollte, die Unternehmen fahren eher ihre Kosten herunter." Zudem sei dieses Marktsegment zu klein, um den Trend eines einbrechenden Gesamtmarktes umzukehren.
30 Prozent Minus an Reparaturen
In Mitleidenschaft werden vor allem kleinere freie Werkstätten wie die von Theo Puchelski gezogen. "Wir rechnen mit einem Minus von 30 Prozent bei der Auslastung", sagt Manfred Kaufhold, Präsident des Bundesverbandes der Mehrmarkenwerkstätten (BVATZ). Die Ausweitung der Abwrackprämie auf zwei Millionen Wagen sei "unglücklich gewesen, das wird die kleinen Werkstätten Ende des Jahres voll treffen".
Die Werkstätten rechnen wegen der Abwrackprämie mit Umsatzeinbrüchen.
Auf die Neuwagen haben deren Käufer Garantie, viele Wagen, die sonst zur Reparatur gebracht worden wären, sind in der Schrottpresse gelandet. "Wir vermissen diese Wagen schon", sagt Kaufhold. "Das sind acht Millionen Stoßdämpfer, die nicht repariert werden müssen." 1,5 Millionen Kunden, so Dudenhöffer, würden den Werkstätten entzogen. Viele würden dies nicht überleben. Bis zu 5000 der bundesweit rund 40.000 Werkstätten schlössen in den kommenden Jahren, prognostiziert Kaufhold: "Das trifft vor allem den Schrauber an der Ecke, dem oft auch die technische Ausstattung für moderne Fahrzeuge fehlt."
Automobilexperte Becker sieht die Entwicklung ähnlich. "Das ist ein Strukturwandel. Wir haben Überkapazitäten auf dem Werkstättenmarkt, das wird nun marktwirtschaftlich bereinigt." Jeder staatliche Eingriff ziehe negative Folgen nach sich. Dudenhöffer rechnet diese Wirkung vor: Jedes vierte Autohaus werde 2010 seine Pforten schließen, alleine 4000 Markenhändlern drohe das Aus.
Zerstörter Gebrauchtwagenmarkt
Die Abwrackprämie, so Dudenhöffer, habe zudem den Gebrauchtwagenmarkt zerstört. "Angesichts von Rabatten von mehr als 50 Prozent kauft niemand mehr Gebrauchtwagen, die das gleiche kosten wie ein subventionierter Neuwagen", so der Experte. "Wir schätzen, dass mindestens ein Drittel der 'Abwrackumsätze' zu Lasten des Gebrauchtwagen-Handels gehen", sagt Ansgar Klein, Vorstand des Bundesverbandes freier Kfz-Händler (BVfK). Er rechnet mit einer Erholung des Marktes auf niedrigerem Niveau.
Viele Händler finden zurzeit kaum Kunden für Gebrauchtwagen.
Der Autobewerter Schwacke Eurotax sieht volle Höfe bei den Händlern. Der rapide Wertverfall von Gebrauchtwagen sei zwar nicht nur der Abwrackprämie geschuldet, sondern auch den jahrelang angehäuften Überkapazitäten der Automobilindustrie und der daraus resultierenden Rabattpraxis. Allerdings habe die Abwrackprämie "das bisherige Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei Gebrauchten massiv durcheinandergewirbelt". Vor allem ältere Fahrzeuge verlören stark an Wert.
Bei der Autobörse pkw.de sieht man dagegen nur einen "leichten Rückgang" um zehn Prozent bei der Nachfrage nach Fahrzeugen bis 2500 Euro. Die Nutzer konzentrierten sich vor allem auf Neu- und Jahreswagen und verschafften sich zunächst einen Überblick über den Markt, sagt pkw.de-Sprecher Thomas Wiemer.
Die Hersteller sind vorsichtig. Für das laufende Jahr wird beim Verband der Automobilindustrie (VDA) inzwischen mit 3,5 Millionen Erstzulassungen gerechnet, andere Pognosen gehen von 3,7 Millionen aus. 3,1 Millionen waren es 2008. Von 2,7 Millionen für das nächste Jahr ist die Rede, aber eine offizielle Prognose für 2010 gibt es beim VDA noch nicht. Der Hersteller Volkswagen sieht für das kommende Jahr ein Minus von einer Million Fahrzeugen.
"Die Talsohle der Krise ist durchschritten"
Helmut Becker vom IWK rechnet sogar mit bis zu 2,9 Millionen Erstzulassungen im kommenden Jahr. Die Talsohle der Krise sei durchschritten. "Der Markt wird von seinem künstlich überhitzten Niveau schrumpfen", sagt er voraus. "Aber verglichen mit der Krise, die wir ohne die Prämie gehabt hätten, wird es ein Aufwärtstrend sein", meint er.
Dudenhöffer argumentiert dagegen: "Die Abwrackprämie ist katastrophal. Sie ist ein konjunkturelles Strohfeuer, die Krise ist ins nächste Jahr verschoben, wenn viele Werkstätten und Händler schließen müssen." Sein Fazit: "Mit fünf Milliarden Euro ist eine große Wahlparty finanziert worden." Immerhin - ein Gutes kann Theo Puchelski der Abwrackprämie dann doch abgewinnen: "Gebrauchte Ersatzteile bekommt man jetzt sehr günstig, die gibt's wie Sand am Meer."