Konflikte um Agrarland Solaranlagen auf fruchtbarem Boden?
Die Konkurrenz um begrenzte Flächen in Deutschland nimmt zu. Landwirte kritisieren, dass sie Teile ihrer Felder verlieren, weil Photovoltaik-Investoren mehr Pacht zahlen können als Bauern.
Christoph Kern baut auf seinen Feldern in Rheinhessen Getreide, Zuckerrüben, Wein und Energiepflanzen für Biogasanlagen an. Doch seine Landwirtschaft hat Konkurrenz bekommen, Teile der Ackerflächen wird er verlieren. Denn Betreiber von Solarparks können deutlich mehr Pacht zahlen als er.
Und so werden wohl mehrere seiner Verpächter die Verträge mit ihm nicht verlängern. Mit Erneuerbaren Energien lässt sich Geld verdienen, das weiß Kern. "3000 bis 4000 Euro Pacht pro Hektar bieten Projektierer", sagt der Landwirt aus Gensingen bei Bingen. "So viel kann ich als Landwirt nicht an meine Verpächter bezahlen."
Auch Matthias Balsiger wird Teile seiner Ackerflächen in Kommen im Hunsrück verlieren, weil manche seiner privaten Verpächter ihre Flächen künftig zu viel höheren Preisen an Photovoltaik-Investoren verpachten wollen. Deshalb wird er rund sieben Hektar Land verlieren. Darauf baut der Landwirt bislang unter anderem Heu an, das er an seine Rinder verfüttert. "Die Investoren können mehr als zwanzig Mal so viel an Pacht zahlen wie ich", sagt Balsiger. "Das macht mich als Nahrungsmittelproduzent nachdenklich."
Kommunen in der Zwickmühle
Die Gemeinde Kommen selbst beabsichtigt ebenfalls, kommunaleigene, bislang landwirtschaftlich genutzte Flächen an Solarpark-Betreiber zu verpachten. "Wir haben als kleiner Ort im ländlichen Raum nur sehr beschränkte Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren", sagt Thomas Weber, der parteilose Ortsbürgermeister von Kommen.
Gleichzeitig hätten Kommunen immer mehr finanzielle Lasten zu tragen, zum Beispiel für den Ausbau der Kindertagesstätten. "Da stellt die Verpachtung unter anderem kommunaler Flächen an Solarpark-Betreiber eine wichtige Einnahmequelle dar." Sonst sei die Gemeinde erneut gezwungen, die Hebesätze der Grundsteuer weiter anzuheben, sagt Weber. Auch wolle die Gemeinde ihren Beitrag zur Energiewende leisten.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat grundsätzlich Verständnis dafür, dass Kommunen ihre Flächen für Solarparks zur Verfügung stellen. "Hierbei geht es einmal um den von der Politik gewünschten Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber natürlich auch darum, Erlöse für die kommunalen Haushalte zu erzielen", sagt Bernd Düsterdiek, der beim Gemeindebund für Umwelt und Städtebau zuständig ist.
80.000 Hektar Agrarfläche benötigt
In der Regel sollten hochwertige Böden aber nicht für Photovoltaik-Freiflächenanlagen genutzt werden. Hier sollte die landwirtschaftliche Nutzung Vorrang haben, betont Düsterdiek. Neue PV-Anlagen sollten flächenschonend vor allem auf Dach- oder Brachflächen installiert werden. Auch nach Ansicht des Deutschen Bauernverbandes gehören Photovoltaikanlagen zuerst auf Dächer, Scheunen, Wirtschaftsgebäude oder Parkplätze und zuallerletzt auf fruchtbare Böden.
Zur Sicherung einer nachhaltigen Ernährung fordert der Verband, den Verlust von landwirtschaftlichen Flächen für PV-Freiflächenanlagen so weit wie möglich zu vermeiden. Schon länger gingen hohe Flächenverluste zu Lasten der Landwirtschaft, etwa durch Naturschutzmaßnahmen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sei noch hinzugekommen. Für den geplanten Bau von PV-Freiflächenanlagen würden in den kommenden Jahren 80.000 Hektar Agrarfläche gebraucht, kritisiert der Bauernverband.
Ohne Freiflächennutzung keine Energiewende
Erneuerbare Energien oder Landwirtschaft - wer im Fall eines Nutzungskonflikts Vorrang haben sollte, da will sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nicht festlegen. Fruchtbare Ackerböden sollten eher nicht bebaut werden, erklärt Maximilian Heller, Experte für Landnutzung beim BUND. Auch er ist dafür, dass Photovoltaikanlagen vorrangig auf Dächern und versiegelten Flächen installiert werden.
Die Energiewende werde aber nicht ganz ohne PV-Freiflächenanlagen funktionieren, heißt es vom BUND. Nach Berechnungen der Umweltorganisation müsste rund ein Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für den Aufbau von PV-Freiflächen umgewidmet werden. "Eine marginale Größe", sagt Heller, im Vergleich zur viel stärkeren Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Anbau von Futtermittel und Energiepflanzen.
"Lässt sich nicht aufrechnen"
Experten beobachten generell eine zunehmende Flächenkonkurrenz in den vergangenen Jahren. Nicht nur Landwirtschaft und Wald, auch Gewerbegebiete, Wohnraum und Klimaschutz bräuchten Platz. "Fläche ist eine umkämpfte Ressource", sagt Antje Bruns, Professorin für Geographie an der Universität Trier. Die Energiewende verschärft die Problematik zusätzlich. "Die unterschiedlichen Formen der Erneuerbaren Energien, zum Beispiel die Freiflächen-Photovoltaik, sind deutlich flächenintensiver als die fossile und die atomare Energieerzeugung."
Ob im Konkurrenzfall Landwirtschaft oder Erneuerbare Energien Vorrang haben sollten, müsse im Einzelfall abgewogen werden - es lässt sich nach Einschätzung von Bruns nicht grundsätzlich beantworten. "Das lässt sich nicht gegeneinander aufrechnen, alle Interessen haben ihre Berechtigung." Sowohl regionale Lebensmittelproduktion als auch ausreichend Energie seien für eine sichere Zukunft nötig. Daher seien kreative Lösungen und Synergien gefragt, so die Expertin.
Agri-Photovoltaik als Lösung?
Eine Lösung für den Nutzungskonflikt könnte die sogenannte Agri-Photovoltaik sein. Dabei geht es um PV-Module, die auf landwirtschaftlich bewirtschaften Feldern stehen, beispielsweise zwischen Kulturpflanzen oder über Obstbäumen, also eine Doppelnutzung von Ackerflächen. Sowohl die Umweltorganisation BUND als auch der Deutsche Bauernverband können sich solche Synergien vorstellen.
PV-Anlagen auf dem Acker könnten Pflanzen und Früchte vor Sonne, Starkregen, Hagel oder auch vor Wind schützen. Gleichzeitig ist die Konstruktion solcher Anlagen komplizierter, und sie sind deshalb im Vergleich zu PV-Freiflächenanlagen teurer. Sowohl Bauernverband als auch BUND fordern daher, die Agri-Photovoltaik wirtschaftlich attraktiver zu machen.
Agri-Photovoltaik ermöglicht die gleichzeitige Bewirtschaftung von Feldern, auf denen Solarpaneele stehen.
Betroffene Landwirte skeptisch
Die Felder von Landwirt Kern liegen zu einem großen Teil in der Gemarkung der rheinhessischen Gemeinde Gensingen. Die Kommune strebt auf Teilen ihrer Flächen, die bislang rein landwirtschaftlich genutzt werden, Agri-Photovoltaik-Projekte an, betrieben von Bürgergenossenschaften. "Der Energiehunger wächst ständig, wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen", sagt Ortsbürgermeister Armin Brendel (FWG). "Deshalb müssen wir Kompromisse eingehen."
Kern aber hält nichts von dieser Doppelnutzung. Denn Agri-Photovoltaik ginge für den Landwirt, wie er sagt, mit zu hohen Investitionskosten und Mehraufwand einher. "Das ist für mich nicht rentabel und auch nicht praktikabel." Daher beabsichtigt Kern aktuell nicht, sich an dem geplanten Bürgergenossenschafts-Projekt in seiner Kommune zu beteiligen. Er möchte auch in Zukunft in erster Linie Lebensmittel produzieren und nicht seinen Boden mit Photovoltaik-Modulen zubauen.