Personalnot des Handwerks Mehr Bäcker-Nachwuchs durch andere Arbeitszeiten?
Mitten in der Nacht aufstehen, damit frühmorgens die Brötchen fertig sind - wenig attraktive Arbeitszeiten halten viele junge Menschen vom Beruf des Bäckers ab. Ein Betrieb in Köln macht es anders.
Ein Tag ohne Brot? In Deutschland kaum denkbar. Als Bäcker arbeiten? Eher nicht, sagen immer mehr Auszubildende. Die Branche hat Nachwuchssorgen. Im Handwerk ist die Anzahl der Auszubildenden 2022 im Vergleich zu 2021 sowohl in der Produktion als auch im Verkauf um weitere elf Prozent gesunken, von 12.242 auf 10.846. Das hat der Verband Deutscher Großbäckereien auf seiner Jahrespressekonferenz in Gütersloh mitgeteilt.
Auch die Zahl der Bäckereien in Deutschland ist laut Verband 2022 weiter gesunken. Waren es 2020 noch 10.181 Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten, so sank deren Zahl 2022 auf 9.607. Beim Verband geht man davon aus, dass die Zahl der Bäckereien auch in den kommenden Jahren weiter sinken wird.
Weniger Azubis, schlechtere Qualifikation
"Die Lage ist schwierig, da das Angebot an talentierten und qualifizierten Fachkräften knapp ist. Beklagt wird auch die schlechtere Qualifikation im Personalangebot", sagt die Präsidentin des Verbands Deutscher Großbäckereien, Ulrike Detmers. Sie sieht ein Problem darin, dass immer mehr junge Menschen studieren wollen. "Um die relativ geringe Anzahl derjenigen, die sich für die Berufsausbildung entscheiden, gibt es ein Gerangel der Arbeitgeber. Deshalb ist die Arbeitgeber-Attraktivität ein wichtiges Auswahlmerkmal für Auszubildende", so Detmers.
Die Betriebe würden deshalb versuchen, besser auf die Bedürfnisse der "Generation Z" einzugehen, unter anderem durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So gebe es beispielsweise Angebote von Vier-Tage-Wochen oder Sechs-Stunden-Tagen.
Als ein Grund, warum sich immer weniger junge Menschen für den Beruf interessieren, werden aber auch die unattraktiven Arbeitszeiten genannt. In vielen Betrieben beginnt die Schicht nachts um 1 Uhr, um die Brötchen rechtzeitig anbieten zu können.
Mehr Nachwuchs durch bessere Arbeitszeiten?
Alexander Onasch, Inhaber der Bäckereien "prôt" in Köln hat sich ein neues Konzept einfallen lassen. Er öffnet seine Filialen erst um 10 Uhr. Außerdem hat er sein Sortiment reduziert: sieben Sorten Brot, keine Snacks, keinen Kaffee, keinen Kuchen, keine Brötchen.
Vor allem aber hat er den Produktionsprozess in seinem Betrieb "herumgedreht", wie er sagt: "Wir bereiten die Teige bereits am Vortag vor und geben sie dann bei zwei Grad in die Kühlung", erklärt er den Ablauf. "Einer fängt dann morgens an, den gekühlten Teig abzubacken. Er beginnt um 6 Uhr, die anderen kommen um 7 Uhr und fangen an, die Teige zu machen, aber erst für den nächsten Tag", so Onasch. Durch dieses Verfahren könnten die Angestellten viel später anfangen zu arbeiten.
Alexander Onasch öffnet die Filialen seiner "prôt"-Bäckereien erst um 10 Uhr.
Das Problem, keine Auszubildenden zu finden, hat Onasch nicht. Im Gegenteil: Immer wieder melden sich Auszubildende anderer Betriebe, die gerne zu ihm wechseln möchten. "Eine Auszubildende, die im dritten Lehrjahr war, hatte mich angeschrieben und gefragt, ob es für mich o.k. wäre, wenn sie die Ausbildung bei mir fortsetzen könne", so Onasch. Als Begründung habe sie genannt, dass sie den Beruf zwar möge, er aber körperlich sehr anstrengend sei.
1.000 Euro netto im dritten Lehrjahr
"Um 18 oder 19 Uhr abends ins Bett gehen, um dann um eins in der Backstube zu stehen - das wollen viele nicht mehr", sagt Onasch. Und das auch noch bei einer schlechten Bezahlung. Im dritten Ausbildungsjahr bekomme ein Azubi gerade mal 1.000 Euro netto im Monat, da sei die Motivation gering, mitten in der Nacht aufzustehen.
Nächste Woche startet ein neuer Auszubildender in der Kölner Bäckerei. Auch er hat gewechselt, aus den gleichen Gründen.
"Ich habe auf der Innungsversammlung immer wieder gesagt, die Leute wollen nicht mehr nachts arbeiten, die wollen Freunde treffen, die Bereitschaft für nachts um eins ist nicht mehr da", so Onasch. Das Verständnis in der Kollegenschaft dafür sei aber nicht sonderlich groß gewesen.
Ulrike Detmers vom Verband Deutscher Großbäckereien befürwortet Konzepte wie das von "prôt" in Köln. Sie seien ein positiver Anreiz für andere Kolleginnen und Kollegen. "Jedoch hängen die Öffnungszeiten auch von der Lage des Betriebes ab. Beginnt die Rush Hour um 7 Uhr oder 8 Uhr morgens, wird der Gewerbetreibende, der ja auch Gewinne erzielen will, früher öffnen. Dann ist die Arbeitszeit von 'prôt' nicht marktwirtschaftlich", so Detmers.
Investition in Kühlung nötig
Dieses Argument komme immer wieder, erwidert Onasch. Er kann es aber nicht nachvollziehen. "Die meisten Bäcker können zu humanen Arbeitszeiten anfangen, um vier oder fünf, wenn man eben mehr auf Kühlung geht. Man muss nicht jeden Teig morgens frisch machen." Es sei eine Willens- und Investitionsfrage. Man müsse eben in die Kühlgeräte investieren, um den Teig morgens fertig zu haben und nur noch in den Ofen schieben zu müssen.
An Personal mangelt es dem Kölner Bäcker jedenfalls nicht. Der Betrieb hat 21 Angestellte. Die Auszubildenden muss er nicht suchen, sie melden sich bei ihm.
Investitionen sollten in der Branche eigentlich möglich sein, denn der Verband der Großbäckereien berichtet von steigenden Umsätzen. Nach einem leichten Rückgang 2021 sei er bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten nun wieder auf über 20 Milliarden Euro gestiegen.