Arbeitsmarkt So leicht fällt Ingenieuren die Jobsuche
Wer als Ingenieur eine Anstellung sucht, hat freie Wahl: Rechnerisch fallen auf jeden Interessenten mehr als drei offene Stellen. In einigen Branchen ist die Personalnot besonders groß.
Wer als Ingenieur eine Stelle sucht, tut sich leicht. Zwar ist es nicht mehr ganz so leicht wie vor einem Jahr. Die Zahl der Bewerber ist deutlich gestiegen. Die Zahl der Stellen ist ebenso deutlich gesunken. Doch ist der Ingenieursmarkt nach wie vor ein Angebotsmarkt: Im ersten Quartal dieses Jahres standen durchschnittlich 44.500 Bewerbern 150.000 offene Stellen zur Verfügung.
Das geht aus dem "Ingenieurmonitor" hervor, den der Verband Deutscher Ingenieure und das Institut der deutschen Wirtschaft heute veröffentlicht haben. Bei hohen Qualifikationen wird nur ein kleiner Teil der offenen Stellen der Agentur für Arbeit gemeldet. Aber nahezu alle arbeitslosen Ingenieure sind registriert. Wegen dieses Missverhältnisses kalkuliert der Ingenieurmonitor den Arbeitsmarkt der Ingenieure selbst.
Jede Menge freie Stellen
Zwar werden viele offene Stellen nicht durch arbeitslose Ingenieure besetzt, sondern durch Menschen, die von einer Anstellung zur nächsten wechseln. Doch zeigt das Verhältnis von Stellensuchenden und offenen Stellen rein rechnerisch die Knappheit. Auf jeden Ingenieur und jede Ingenieurin auf Stellensuche entfallen 3,3 offene Stellen.
Für Chemie- und Produktionsingenieure sieht es nicht so glänzend aus wie für die Spezialisten in klassischen Ingenieurssparten. Auf jede arbeitslose Elektroingenieurin warten 5,6 offene Stellen, für den Bauingenieur gibt es 4,3 und für die Maschinenbauerin 3,7 Stellen. Informatiker müssen sich mit rechnerisch drei Angeboten zufriedengeben.
Hoher Bedarf durch Energiewende
Insgesamt werden Ingenieure für Digitalisierung, Dekarbonisierung und Energiewende gebraucht. Die hohe Nachfrage für Elektroingenieure zeigt den Druck durch Umbau der Energieversorgung.
Die Nachfrage für Bauingenieure zeigt, wie sehr Bauunternehmen unter mangelnden Fachkräften leiden. Eigentlich herrscht Flaute in der Bauwirtschaft. Doch offenkundig können auch die wenigen Aufträge wegen eines Mangels an Ingenieuren nicht ordentlich abgearbeitet werden.
Dass umgekehrt bei Informatikern der Mangel nicht ganz so groß ist, erklärt sich durch zwei Gründe: Hochschulen bilden Informatiker und Informatikerinnen in beachtlicher Zahl aus. An deutschen Universitäten studieren fast 90.000, an Fachhochschulen fast 57.000 Menschen das klassische Fach Informatik. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind es bei anderen Ingenieursrichtungen deutlich weniger.
Informatiker gibt es noch am ehesten
Der zweite Grund für die vergleichsweise entspannte Lage am Informatikmarkt: Das Berufsbild ist noch relativ neu, das Personal daher insgesamt jung. Während bei den klassischen Ingenieuren für Maschinenbau, Elektrotechnik und Bau viele Ältere in Rente gehen und durch junges Personal ersetzt werden müssen, spiegelt der Arbeitsmarkt für Informatiker und Informatikerinnen nur den Neuaufbau.
Klassische Ingenieurstudiengänge verlieren offensichtlich an Attraktivität. Gab es vor zehn Jahren an deutschen Universitäten und Fachhochschulen noch gut 350.000 Menschen, die Maschinenbau, Elektrotechnik oder Bauingenieurswesen studierten, waren es im letzten Wintersemester nur noch knapp 280.000. Dafür ist die Zahl der für Informatik eingeschriebenen Studierenden von 180.000 auf 260.000 gestiegen. Einstiegsgehälter von 65.000 Euro im Jahr sind die Regel.
Besonderer Mangel im Osten
Im hochindustrialisierten Bayern ist der Ingenieurmangel am größten. Auf jeden und jede, die eine Stelle suchen, entfallen rechnerisch 5,3 Möglichkeiten. Gefolgt wird Bayern von Sachsen mit einem Wert von 4,3 offenen Stellen pro arbeitssuchendem Ingenieur. "In den ostdeutschen Bundesländern ist vor allem die demographische Entwicklung ein Grund für die hohen Engpässe", heißt es im Ingenieurmonitor, "während in Bayern das hohe Beschäftigungswachstum eine Rolle spielt". Sprich: Während in Bayern Wachstumsstimmung herrscht, fehlt es in Ostdeutschland an qualifizierten jungen Leuten, um nur den Grundbedarf zu decken.
Der Ingenieurmonitor zeigt zudem, dass Ostdeutschland für ausländische Fachkräfte unattraktiv ist. Lediglich im brandenburgischen Speckgürtel um Berlin gibt es nennenswerte Anteile ausländischer Ingenieure (im Bundesland 8 Prozent), der allerdings weit kleiner ist als um München und Frankfurt am Main. Die anderen ostdeutschen Bundesländer haben bei ihren Ingenieuren Ausländeranteile zwischen 4,4 und 6,6 Prozent (Thüringen), die zwar schnell wachsen - aber von niedrigem Niveau. In Westdeutschland ist der Anteil nur im agrarischen Norden ähnlich gering.
Mehr als jeder zehnte Ingenieur aus dem Ausland
Angesichts der Knappheit an Ingenieuren und Ingenieurinnen folgert der "Ingenieurmonitor", ein Wachstum von Beschäftigung und Wirtschaftsleistung sei nur möglich gewesen, "weil der Anteil der ausländischen Beschäftigten in den Ingenieur- und Informatikerberufen gestiegen ist". Insgesamt sind 11 Prozent der Ingenieurinnen und Ingenieure im Land Ausländer.
Auffallend ist, dass aus typischen Flüchtlingsländern keine bedeutenden Gruppen kommen. Die meisten ausländischen Ingenieure in Deutschland sind aus Indien (13.000), der Türkei (8.500) und China (6.500). Aus Europa sind nur Ingenieure aus Italien (7.000), Frankreich und Spanien (je 5.000) zahlenmäßig relevant.