Bernd Dreyer (links) und Leon Schott (rechts) sehen sich gemeinsam einen Plan an.

Veränderte Arbeitszeiten Wie sich die Vier-Tage-Woche in der Praxis bewährt

Stand: 18.10.2024 11:05 Uhr

Die Vier-Tage-Woche funktioniert in vielen Fällen gut - zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität Münster. Die Forscher haben ein halbes Jahr lang mehr als 40 Unternehmen begleitet.

Den Freitag hat die Firma Finnholz zum "Frei-Tag" erklärt. So wirbt das Holzindustrieunternehmen aus Lienen im Münsterland auf seiner Homepage offensiv um neue Mitarbeiter. Die Vier-Tage-Woche dient hier als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb um Fachkräfte.

Arbeitgeber wollen attraktiver werden

Seit das Unternehmen die Vier-Tage-Woche Anfang des Jahres eingeführt hat, habe es mehrere neue Mitarbeiter gewinnen können, berichtet Produktionsleiter Bernd Dreyer. Einer der Neuen ist Sebastian Austrup. Der 32-jährige Zimmerer hat im September bei Finnholz angefangen. Die Vier-Tage-Woche sei zwar nicht der Hauptgrund für seine Entscheidung gewesen, habe aber durchaus eine Rolle gespielt.

Finnholz gehört zu den mehr als 40 Unternehmen, die im Rahmen einer Studie der Universität Münster die Vier-Tage-Woche getestet haben. Die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, war die meistgenannte Motivation unter den teilnehmenden Firmen.

Vier-Tage-Woche "kein Allheilmittel"

"Die Daten zeigen, dass das vielen gelungen ist", sagt Studienleiterin Julia Backmann. Die Zahl der Bewerbungen sei deutlich gestiegen. "Aber dieser Vorteil wäre gegebenenfalls natürlich verloren, wenn jetzt jedes Unternehmen die Vier-Tage-Woche anbieten würde," gibt die Arbeitsforscherin zu bedenken. Ein Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel kann die Vier-Tage-Woche also nicht sein.

Julia Backmann steht an einem Arbeitstisch.

Studienleiterin Julia Backmann sieht das Modell nicht als Allheilmittel.

Ohnehin ist die Studie nicht auf den gesamten Arbeitsmarkt übertragbar. Eine wichtige Einschränkung besteht darin, dass die Auswahl der Unternehmen nicht repräsentativ erfolgen konnte. Nur Unternehmen, die freiwillig bereit waren, die Vier-Tage-Woche zu testen, wurden untersucht. Es handelte sich also um Arbeitgeber, die der Idee bereits offen gegenüberstanden.

 

Firmen setzen Vier-Tage-Woche mehrheitlich fort

Die Unternehmen, die sich für das Experiment entschieden haben, machten aber überwiegend positive Erfahrungen. Umsätze und Gewinne sind im Durchschnitt stabil geblieben, obwohl die Arbeitszeit gekürzt wurde. Die Vier-Tage-Woche war offenbar ein Anlass, Prozesse in den Unternehmen zu überdenken. Kürzere Meetings und mehr digitale Hilfsmittel sind die Folge. Das Stresslevel unter den Beschäftigten ist insgesamt gesunken. Die Forscher hatten das unter anderem mit Fitnessuhren gemessen.

39 Prozent der Unternehmen wollen die Vier-Tage-Woche dauerhaft behalten, 34 Prozent verlängern die Testphase. 20 Prozent der Unternehmen lassen hingegen wieder fünf Tage pro Woche arbeiten, unter anderem, weil das Stresslevel an den übrigen vier Tagen hier zu hoch gewesen sei.

 

Individuelle Arbeitszeitmodelle

Bei Finnholz sind die Tage von Montag bis Donnerstag ebenfalls anstrengender geworden, auch wenn hier die Freude über den freien Freitag überwiegt. Das Unternehmen hat die Arbeitszeit von 40 auf 36 Stunden gesenkt - bei vollem Lohnausgleich. Da nur an vier Tagen gearbeitet wird, verlängert sich die Arbeitszeit pro Tag dennoch.

In vielen Fällen müssen Unternehmen ihre Arbeitszeitmodelle individuell anpassen, gerade dann, wenn Kundenbedürfnisse berücksichtigt werden müssen. Planwerkstatt, ein Architekturbüro vom Niederrhein, entwirft unter anderem Messestände, hier muss manchmal auch freitags gearbeitet werden. 

"Die Arbeitszeiten der Mitarbeiter sind natürlich zu einem gewissen Teil projektbezogen", sagt Geschäftsführer Roland Walter. "Wenn es das Projekt erforderlich macht, dann arbeiten die Mitarbeiter auch am Freitag, haben aber dafür an einem anderen Tag frei."

 

Reiseunternehmen stößt an Grenzen

Dass die Anpassung von Arbeitszeiten auch an Grenzen stößt, musste Kootstra aus Münster erleben. Das Reiseunternehmen hat nur sieben Mitarbeiter, wollte aber trotz Vier-Tage-Woche durchgehend für seine Kunden da sein. Ein Teil des Teams arbeitete von Montag bis Donnerstag, der andere von Dienstag bis Freitag.

Annette Gierhake sitzt vor Computermonitoren.

Im Reisebüro von Annette Gierhake hat sich die Vier-Tage-Woche nicht bewährt.

Weil Kunden ihre Reisen aber gerne am Wochenende buchen, ertranken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Montagen in E-Mails, schließlich waren sie da nur mit dem halben Team vertreten. "Auch wenn es für einen privat schön gewesen wäre, war es für den Betrieb nicht optimal", stellt Reiseberaterin Annette Gierhake fest. Inzwischen ist ihr Unternehmen zur Fünf-Tage-Woche zurückgekehrt.